Artikel erschienen am 10.05.2013
E-Paper

Herzklappen – Ventile des Herzens

Moderne Herzklappenchirurgie: Reparatur, Ersatz, Katheterklappen, minimalinvasiv — patientenangepasst und schonend

Von Dr. Med. Marcel Anssar, Braunschweig | PD Dr. Wolfgang Harringer, Braunschweig

Herzklappenerkrankungen sind neben der Verengung der Herzkranzgefässe die häufigsten das Herz betreffenden Erkrankungen. In Deutschland wurden im Jahr 2012 über 100 000 Herzoperationen durchgeführt, hiervon waren 28 500 – also ca. ein Drittel – Herzklappenoperationen.

Ein Eingriff an einer Herzklappe wird notwendig, wenn Beschwerden auftreten (symptomatische Indikation) oder wenn der Herzklappenfehler auf Dauer zu einer Beeinträchtigung der Herzfunktion führt und somit die Lebenserwartung verringert (prognostische Indikation). Es gibt vielfältige operative Behandlungsmöglichkeiten, die sich nach den zugrunde liegenden Erkrankungen richten. Die moderne Herzklappenchirurgie folgt jedoch auch immer mehr einem individualisierten Therapiekonzept. Dies bedeutet, dass wir heute mehrere verschiedene Therapien für eine Herzklappenerkrankung anbieten können: Es wird bei den meisten Patienten zwar immer noch der Brustkorb eröffnet und die erkrankte Herzklappe entfernt sowie nachfolgend eine neue Herzklappe eingenäht, Alternativen gibt es aber reichlich.

Das Herz ist unser Motor. Es pumpt das Blut durch den Körper und hat wie ein Automotor Ventile, die sich öffnen und schließen, um den Blutfluss zu steuern. Es gibt zwei Herzkammern mit jeweils einer Klappe beim Einstrom und einer beim Ausstrom. Es sind also insgesamt vier verschiedene Klappen, von denen jeweils zwei ganz ähnlich aufgebaut sind.

Die Hauptschlagaderklappe (Aortenklappe) ist die am häufigsten erkrankte Klappe des Menschen. Zwischen der linken Herzkammer und der Hauptschlagader liegend muss sie die höchsten Druckunterschiede aushalten und dies mit ca. 70 Zyklen in der Minute, das sind 37 Millionen Öffnungs- und Schlussbewegungen im Jahr. Im Alter kommt es hierbei zu Verkalkungen, die zu einer Einengung führen können. Da die Menschen immer älter werden, werden diese Erkrankungen immer häufiger.

Aortenstenose: konventionell und per Katheter

Wenn die Aortenklappe nun nicht mehr richtig öffnet, muss das Herz immer stärker pumpen, um noch genug Blut in die Hauptschlagader zu drücken und die Organe zu versorgen. Das Herz wird anfangs kräftiger und die Patienten haben keine Beschwerden. Bei Fortschreiten der Erkrankung kann es dazu kommen, dass das Herz nicht mehr stark genug pumpen kann. Es wird dann schwächer und im schlimmsten Fall ist es dauerhaft geschädigt. Manchmal liefert das Herz auch akut nicht genug Blut, es kann zur Unterversorgung des Gehirns im Stehen kommen und der Patient wird ohnmächtig. Bevor es zu solchen Auswirkungen kommt, sollte möglichst schon die operative Therapie erfolgen. Der Standard ist hier immer noch der Ersatz der erkrankten Klappe. Man unterscheidet zwei grundsätzliche Modelle: Gewebeklappen, auch biologische Klappen genannt und Kunststoffklappen, auch mechanische Klappen genannt. Die wesentlichen Unterschiede hierbei sind Haltbarkeit und Nachbehandlung. Bei biologischen Klappenprothesen ist keine Nachbehandlung erforderlich, die Haltbarkeit ist aber eingeschränkt. Hier sind mechanische Klappen im Vorteil, diese halten prinzipiell unbegrenzt, dafür ist aber eine Antikoagulation (Marcumar) notwendig.

Der Klappenersatz erfolgt bei beiden Klappenmodellen identisch: Das Brustbein wird teilweise oder vollständig eröffnet, die Herz-Lungen-Maschine wird angeschlossen und das Herz wird eröffnet. Die verkalkte Klappe wird entfernt und eine neue Klappe eingenäht. Diese Operation ist – obwohl prinzipiell gefährlich – heute mit einem niedrigen Risiko von 2 – 3 % durchführbar. Die Langzeitergebnisse sind exzellent.

TAVI: Aortenklappenersatz für alte und Hochrisikopatienten

Da die Verengung der Hauptschlagaderklappe im hohen Alter gehäuft auftritt und hier die konventionelle Operation zwar viele Vorteile bietet, für manche Patienten aber zu belastend erscheint, kann hier kathetergestützt eine neue Herzklappe eingesetzt werden. Die alte Klappe wird nur zur Seite gedrängt und eine neue Klappe wird auf einer Gefäßstütze (Stent) ohne Herz-Lungen-Maschine implantiert. Über die Leiste oder einen kleinen Brustkorbschnitt wird die biologische, auf einem Drahtgeflecht fixierte Herzklappe vorgeschoben und drängt die alte Klappe an die Seite.
Hier arbeiten Herzchirurgen und Kardiologen noch enger als sonst üblich zusammen. Im Idealfall stehen beide am Operations- oder Kathetertisch und führen diese Prozedur durch. Bisher gibt es erst Ergebnisse von wenigen Jahren. Leichte Undichtigkeiten und Komplikationen sind etwas höher als bei konventioneller Operation aber bei Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter oder einem sehr hohem Risiko bei normaler Operation haben wir hier eine gute Alternative.

Diese moderne Klappe wird über einen Katheter eingebracht, nach Entfaltung hält sie ohne Naht nur durch das Metallgerüst.

So sieht eine Katheterklappe vor dem Einsetzen aus. Die Klappe ist auf einen Katheter gefaltet.

ROSS-Operation: Alternative für junge Patienten

Bei sehr jungen Patienten dagegen kann ein Wechsel der Hauptschlagaderklappe mit der Lungenschlagaderklappe (gleicher Aufbau) erfolgen. Für diese wird eine menschliche Klappe eingebracht. Patienten mit dieser ROSS-Operation brauchen für lange Zeit keine Medikation, ideal auch für Frauen mit Kinderwunsch oder anderen Gründen, die gegen eine „Blutverdünnung“ (Antikoagulation) sprechen.

Aortenklappenreparatur: die eigene Klappe ist am besten

Noch besser ist natürlich eine Reparatur der eigenen Herzklappe. Wenn die Segel in ihrer Struktur wenig verändert sind – bei einer Erweiterung der Hauptschlagader ist dies häufiger der Fall –, kann man die Aortenklappe erhalten. Hier ist vor der Operation eine Ultraschalluntersuchung durch einen in der Rekonstruktion erfahrenen Untersucher wichtig. Die eigene Klappe braucht nahezu keine Medikation, hat ein hervorragendes Langzeitergebnis und ist wenig anfällig für Infektionen.

Mitralklappe: Reparatur in 80 %

Bei der zweitwichtigsten Herzklappe, der Mitralklappe – diese sitzt zwischen linker Vor- und Hauptkammer –, ist die Undichtigkeit der häufigste Klappenfehler. Die Reparatur der Mitralklappe ist in über 80 % der Fälle möglich. Diese Operation wird häufig auch minimalinvasiv, also über einen kleinen Schnitt in der rechten Brustwand, durchgeführt. Der Eingriff wird dann mit langen Instrumenten und videounterstützt durchgeführt. Auch hier ist die reparierte eigene Klappe die beste Therapie. Die Langzeitergebnisse der Reparaturen sind sehr gut, die Klappen werden durch einen implantierten Kunststoffring unterstützt und eine erneute Undichtigkeit wird vermieden. Wenn die Rekonstruktion nicht möglich ist, kann in gleicher Weise ein Klappenersatz, wieder mit einer Gewebeklappe oder einer Kunststoffklappe erfolgen.

Minimalinvasiver Zugang zur Mitralklappe: Die Videoskopie beleuchtet den Zugang von innen. Durch diesen Zugang wird operiert.

So sieht der Chirurg die erkrankte, undichte Mitralklappe.

Die Mitralklappe ist mit einem Kunststoffring repariert (videoskopisches Bild)

Frühzeitige Operation beugt Herzschäden vor

Die guten Langzeitergebnisse der reparierten Mi­tralklappen haben dazu geführt, dass in aktuellen Empfehlungen die hochgradig undichten Mitralklappen frühzeitig repariert werden sollten. Dies gilt für eine Reparatur auch bei Patienten ohne Beschwerden. Hier muss im Zweifelsfall die Reparaturmöglichkeit im Vorfeld genauer untersucht werden und es ist wieder die erfahrene Klinik gefragt.

Was, wann, wie, womit: patientenzentrierte Klappenchirurgie

Jeder Mensch ist anders, jeder etwas Besonderes. Viele Herzoperationen lassen sich aber in klare Gruppen einteilen. Die häufigste Herzklappenoperation ist weiterhin der Ersatz der Hauptschlagaderklappe mit einer biologischen Prothese als Operation mit der Herz-Lungen-Maschine. Durch die verschiedenen Operationsmethoden und Klappenmodelle – von denen nur die wichtigsten angesprochen wurden – haben Herzchirurgen und Patienten mit Klappenerkrankungen aber eine Auswahl von Therapiemöglichkeiten. Es kann der richtige Zeitpunkt der Operation, die Art des Zuganges und die Operationsmethode sowie das Klappenmodell gewählt werden. Der Hausarzt ist sicher der primäre Ansprechpartner als langjähriger Vertrauter. Die Kardiologen führen die Spezialuntersuchungen durch und können viele weiterführende Fragen und Probleme lösen. Der Herzchirurg und der Kardiologe als Herzteam sind die Spezialisten. Mit diesen zusammen trifft der Patient die endgültige Entscheidung. In ausgewählten Fällen können in Spezialsprechstunden knifflige Fragen oder besondere Probleme erörtert und die individuell beste Therapieoption gewählt werden.

Info

Herzchirurgische Sprechstunde des Klinikums Braunschweig Dienstags nach telefonischer Anmeldung: 0531 595 2323 (Überweisung vom Facharzt)

Ähnliche Artikel

Gesundheit

Herzklappenchirurgie im Zeitalter von Herzzentrum, Heart Team und Hybrid-OP

Kaum eine Therapie in der Herzchirurgie hat sich in der letzten Dekade einschneidender verändert, als die Behandlung der valvulären Herzerkrankungen. Welche Behandlungstechniken stehen aktuell zur Verfügung, wenn ein Herzklappeneingriff ansteht?

Braunschweig 2018/2019 | PD Dr. Wolfgang Harringer, Braunschweig