Artikel erschienen am 19.05.2014
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Behandlungsoptionen bei Beckenbodenerkrankungen aus der Sicht eines Viszeralchirurgen

Von Dr. med. Dirk Edelhäuser, Braunschweig

Als Erkrankungen des Beckenbodens werden verschiedene Funktionsstörungen der Harnblase, der Genitale und des Enddarmes zusammengefasst. Allen gemein ist die teils erheblich eingeschränkte Lebensqualität und die Scham, sich mit diesen Problemen zu offenbaren.

Was also tun, wenn der Stuhl sich nicht entleeren oder im anderen Extrem nicht halten lässt?

Zuerst sollte eine ausführliche Erhebung der Krankengeschichte, gefolgt von einer sorgsamen Untersuchung der Enddarmregion, stattfinden. In Einzelfällen sind weitere Spezialuntersuchungen erforderlich, um das Hauptproblem zu erkennen.

Die Behandlung ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, zunächst immer eine nichtoperative. Hierbei spielen je nach Erkrankung die Anpassung der Ernährung, die Gabe spezifischer Darmmedikamente oder eine krankengymnastische Behandlung des Beckenbodens die zentrale Rolle.

Mit diesen recht einfachen Mitteln lassen sich bei circa 3/4 der Betroffenen die Beschwerden als auch die Lebensqualität spürbar verbessern.

In den übrigen Fällen kommen speziellere Behandlungsverfahren in Betracht, die zur genaueren Abgrenzung im Folgenden dargestellt werden.

Stuhlentleerungsstörung

Dieser Problematik liegt häufig ein innerer Darmvorfall mit oder ohne Rektozele, das heißt einer Ausstülpung des Enddarmes meist nach vorne, zugrunde. Andere Ursachen, wie Koordinationsstörungen des Beckenbodens oder Druck von anderen Darmschlingen gegen den Enddarm, sind dagegen selten. Bei innerem Darmvorfall oder Rektozele mit erheblicher Stuhlentleerungsstörung kann man den Betroffenen mit einem schonenden Eingriff, der STARR-Operation, in aller Regel helfen. Koordinationsstörungen des Beckenbodens werden mit gutem Erfolg durch ein spezielles Beckenbodentraining mit visueller oder akustischer Rückkopplung, dem sog. Biofeedback, behandelt.

Stuhlinkontinenz

Die häufigsten Ursachen der Stuhlinkontinenz liegen in Schädigungen des Schließmuskels infolge von Geburten, Entzündungen oder Operationen oder in einer allgemeinen Beckenbodenschwäche.

Bei Schließmuskeldefekten kann eine operative Muskelrekonstruktion erwogen werden. Darüber hinaus gibt es aufwendige Verfahren mit körpereigenem Muskel oder künstlichen Schließmuskeln, die jedoch speziellen Situationen vorbehalten sind.

Bei Beckenbodenschwäche und auch bei kleineren Schließmuskeldefekten kann man durch ein intensiviertes Beckenbodentraining (Biofeedback) eine Verbesserung der Problematik erreichen.

Eine weitere Option ist die Stimulation des Nervengeflechtes zum Beckenboden. Diese sogenannte sakrale Nervenstimulation macht meist zwei kleine Eingriffe erforderlich, sodass bei erfolgreicher Testphase eine Elektrode am Kreuzbein und ein Aggregat unter die Haut gepflanzt werden (siehe Abbildung). Unter Ausschöpfung aller Behandlungsoptionen kann man über 80 % aller Patienten mit Stuhlinkontinenz zu einer besseren Lebensqualität verhelfen.

Sakrale Nervenstimulation

Sakrale Nervenstimulation

Darmvorfall

Diese für die Betroffenen meist äußerst unangenehme Situation des Darmvorfalls nach außen, immer verbunden mit einer Stuhlinkontinenz, kann nur operativ korrigiert werden. Dabei kommen grundsätzlich zwei Verfahren in Frage: Bei entsprechender Eignung des Patienten kann durch eine minimalinvasive Operation der Bauchhöhle (Resektionsrektopexie) der Darm wieder nach innen an die richtige Position gebracht und dort fixiert werden. Alternativ kann man den Darmvorfall vom After her abtragen. Dieser Eingriff ist selbst bei Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter meist noch gut möglich.

Darüber hinaus

gibt es noch eine Vielzahl von Erkrankungen, beispielsweise der Morbus Crohn oder das Reizdarmsyndrom, die mit Problemen des Enddarmes und des Beckenbodens einhergehen und die, wie viele dieser Erkrankungen, in enger Kooperation mit Fachkollegen anderer Gebiete, wie Gastroenterologen, behandelt werden sollten.

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