Artikel erschienen am 16.05.2014
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Drogenabhängigkeit

Schwierigkeiten in Diagnostik und Therapie

Von Dr. med. Rainer Dahling, Königslutter am Elm

Wenn Patienten mit Drogenabhängigkeit mit dem klinischen Versorgungssystem in Kontakt kommen, geschieht dieses meist entweder durch Leidensdruck im Rahmen von Vergiftungserscheinungen, Entzugssymptomen sowie Folgeerkrankungen oder durch Konflikte mit dem sozialen Umfeld. Je nach Grund besteht eine mehr oder weniger ausgeprägte Motivation zur konsequenten Behandlung der Abhängigkeit. Oft wird seitens der ärztlichen Versorgung lediglich eine akute Symptomabmilderung oder Behandlung der Folgeerkrankung erwartet. Diese Tatsache zeigt, wie wichtig eine Motivationsarbeit ist, um eine wirklich effektive Therapie zu gestalten.

Definition

Die Drogenabhängigkeit bezeichnet eine Gruppe von Erscheinungsformen, die sich infolge wiederholter Einnahme psychotroper Substanzen (Substanzen mit Wirkung auf die Hirnfunktion) im Verhalten, in Kognition und im Körper entwickeln. Die Diagnosen eines Abhängigkeitssyndroms beruht auf der Angabe eines wiederholten Konsums eines oder mehrerer psychotroper Substanzen in der Vorgeschichte (nach der internationalen Klassifikation der Krankheiten unterteilt in Substanzgruppen), wobei 3 von 6 folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:

  • starkes Substanzkonsumverlangen,
  • Kontrollverlust über Konsummenge, -beginn und -beendigung,
  • Entzugssymptome,
  • Dosissteigerung,
  • fortschreitende Vernachlässigung von Pflichten und Aktivitäten
  • sowie fortdauernder Substanzkonsum wider besseren Wissens.

Schwierigkeiten in der Therapie

Die Therapie der Drogenabhängigkeit unterteilt sich grundsätzlich in die Entgiftung und in die Langzeitentwöhnungstherapie. Die Entgiftung hat zum Ziel, vegetative Entzugssymptome zu behandeln und den Patienten für eine weitere – bestenfalls suchtspezifische – Behandlung zu stabilisieren. Hierbei spielt eine symptomorientierte medikamentöse Therapie sowie eine motivierende Gesprächsführung die Hauptrolle. Sehr häufig ist auch eine medizinische Maßnahme im Rahmen von Suizidalität, schweren depressiven Zuständen oder anderen Komorbiditäten (Begleiterkrankungen) notwendig.

Nachfolgend ist die Langzeitentwöhnungstherapie anzustreben, die – vorausgesetzt, es liegt eine ausreichende Motivation vor – längerfristig ein dysfunktionales Verhalten zu einem funktionalen Verhalten mit dem Ziel der langfristigen Abstinenz umwandeln soll. Das sicherste Kriterium für einen Therapieerfolg und eine gute Prognose ist die Intensität und Dauer der suchtspezifischen Therapie, was bedeutet, je länger und intensiver eine suchtspezifische Therapie ist, desto geringer ist die Rückfallwahrscheinlichkeit.

Die größte Schwierigkeit in der Therapie der Sucht stellt die Erhaltung bzw. Bildung einer Motivation dar, weshalb der Motivationsarbeit des Therapeuten höchste Bedeutung zukommt. Wenn ein Drogenabhängiger beispielsweise nach aktuellem Partnerschaftskonflikt wegen seines Konsums, wegen aktuellen Führerscheinverlusts oder aufgrund einer Gefährdung des Arbeitsplatzes zur Suchtbehandlung bereit ist, besteht in der Regel hoher Leidensdruck. Je weiter der Anlass zur Therapie in die Ferne rückt, desto geringer wird der Leidensdruck, was sich negativ auf die Motivation auswirkt und oft zu Behandlungsabbrüchen führt – häufig gefolgt von einem zeitnahen Drogenrückfall. Ein weiteres Problem stellt die sehr häufig vorkommende Ko-Abhängigkeit dar. D. h. der Patient wird – wohlgemeint – vom sozialen Umfeld unterstützt, indem Hilfestellungen seitens meist naher Angehöriger gegeben werden. So wird der Patient z. B. bekocht, die Wohnung wird aufgeräumt oder es kommt zu einer finanziellen Unterstützung mit der Folge, dass der Leidensdruck sinkt und somit auch die Therapiemotivation. Zudem werden durch die „Hilfe“ die Symptome der Erkrankung verdeckt, was zur Folge hat, dass diese nicht zeitnah erkannt werden kann und – wie bereits erwähnt – die Therapiemotivation erniedrigt oder verhindert wird.

Auch viele Begleiterkrankungen, welche den Patienten destabilisieren, führen zu therapeutischen Problemen, da diese in der Regel lang andauernde Behandlungskonzepte notwendig machen. Oft sind gleichzeitige Therapien notwendig, was einen erhöhten Aufwand für den Therapeuten, aber auch für den noch instabilen Patienten bedeutet und den Stellenwert der kons-tanten Motivationsarbeit unterstreicht.

Nur am Rande sei noch die Schwierigkeit der Organisation geeigneter Langzeittherapien erwähnt, welche in der Regel der Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers unterliegen. Wartezeiten, Mangel an ambulanten Therapiemöglichkeiten und Kostenübernahmeerklärungen stellen die häufigsten Probleme dar.

In der Praxis werden aufgrund der genannten Schwierigkeiten oft nur Teilerfolge in der Therapie der Drogenabhängigkeit mit dem Erfolg der Schadensbegrenzung erreicht.

Das Fazit muss bei o. g. Sachlage ein Ausbau bestehender stationärer und ambulanter suchtspezifischer Versorgungssysteme für Betroffene und Angehörige mit dem Behandlungsschwerpunkt der konsequenten Motivationsarbeit sein.

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