Artikel erschienen am 19.05.2014
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Herzinfarkt

Vererbung, Lebenswandel oder äußere Umstände?

Von Prof. Dr. med. Dirk Hausmann, Wolfenbüttel

In jedem Jahr erleiden in Deutschland etwa 250 000 Menschen einen Herzinfarkt, rund 50 000 von ihnen versterben. Damit ist der Herzinfarkt eine der gefährlichsten Erkrankungen. Er steht an zweiter Stelle in der Todesstatistik. Die guten Nachrichten sind aber: In den letzten Jahren hat die Häufigkeit des Herzinfarktes in Deutschland abgenommen. Auch die Überlebenswahrscheinlichkeit nach dieser Erkrankung verbesserte sich. Gründe für diese positive Entwicklung sind die besseren medizinischen Behandlungsmöglichkeiten, aber auch eine gezielte Vorbeugung (Prävention).

Ein Herzinfarkt ist meist kein Schicksalsschlag. Gerade deswegen stellen sich Betroffene, aber auch deren Angehörige, immer wieder die Frage, wie es zu diesem einschneidenden Ereignis kommen konnte. Doch auch gesunde Menschen möchten wegen des immer noch großen Risikos wissen, wie sie selbst einen Herzinfarkt vermeiden können. Sie fragen sich: Ist es nur die Veranlagung und Vererbung? Welche Rolle spielt eine ungesunde Lebensweise tatsächlich? Gibt es auch äußere Auslöser für einen Herzinfarkt?

Genetik: Das wird uns „in die Wiege gelegt“!

Zu einem gewissen Teil ist unser Leben bereits bei der Geburt vorgezeichnet: Werden wir als Mann geboren, so ist das Risiko für einen Herzinfarkt höher und es setzt auch früher ein als bei Frauen. Diese sind aus hormonellen Gründen bis zu den Wechseljahren weitgehend vor einem Herzinfarkt geschützt. Im höheren Alter kehrt sich dieses Risiko aber um: Bei den über 70-Jährigen sind Männer und Frauen dann gleich häufig betroffen. Ein weiterer Risikofaktor, der jeden von uns betrifft, ist das Alter selbst: Mit jedem Lebensjahr steigt das Infarktrisiko etwas an.

Haben die Eltern schon unter einer Herz-Kreislauf-Erkrankung gelitten, so steigt auch unser eigenes Risiko. Hier ist aber ganz entscheidend, in welchem Alter die Erkrankung bei den Eltern aufgetreten ist. Ein Herzinfarkt, den der Vater mit 80 Jahren erlitt, erhöht das eigene Risiko praktisch nicht mehr. Neben der rein körperlichen Vererbung können aber auch Verhaltensweisen (z. B. schlechte Ernährungsgewohnheiten, Rauchen) weitergegeben werden (soziale Vererbung); hier kann das eigene Verhalten natürlich viel bewirken.

Ungesunde Lebensweise erhöht das Herzinfarktrisiko

Es besteht heute keinerlei Zweifel: Das eigene Verhalten beeinflusst das Risiko für einen Herzinfarkt erheblich. Der beeinflussbare Risikofaktor Nummer 1 ist sicherlich das Rauchen. Keine andere Verhaltensweise hat einen solchen Einfluss auf unsere Gesundheit und liegt allein in unserer Hand. Aber auch das Passivrauchen wird heute als großes Risiko betrachtet. Eine Rolle spielen zudem Bewegungsmangel sowie Fehl- und Überernährung. Für sich betrachtet, sind alle diese Verhaltensweisen vielleicht nicht entscheidend, doch ihre Kombination wirkt sich aus. Ein aktiver Lebensstil mit gesunder (sog. mediterraner) Ernährungsweise mindert das Infarktrisiko.

Bluthochdruck, Zuckerkrankheit und Fettstoffwechselstörungen (hohes Cholesterin) sind ebenfalls wichtige Risikofaktoren für einen Herzinfarkt: Gerade hier scheint das Zusammenspiel von Genetik und persönlicher Lebensweise ganz entscheidend zu sein.

Auch äußere Einflüsse spielen eine Rolle (Trigger)

In den vergangenen Jahren hat sich herausgestellt, dass nicht nur Genetik und die eigene Lebensweise unser Infarktrisiko bestimmen, sondern auch äußere Faktoren. Diese scheinen nicht so sehr zu beeinflussen, ob überhaupt ein Infarkt auftritt, sondern vor allem, wann dieses Ereignis stattfindet. Dafür wird auch der Begriff „Herzinfarkt-Trigger“ herangezogen. Sie sind nicht Ursache, sondern Auslöser eines Infarkts.

Hier einige interessante Zusammenhänge: Wussten Sie, dass sich Herzinfarkte häufiger am Montag als an anderen Tagen der Woche und häufiger in den Morgenstunden als am Rest des Tages ereignen? Im Jahresverlauf treten die meisten Infarkte in den kalten Monaten auf. Mit den Minusgraden steigt die Infarkt-Häufigkeit. Dies hat zwar keine Konsequenz für eine Infarkt-Vermeidung. Doch es zeigt, dass äußere Stressfaktoren tatsächlich das Eintreten eines Infarktes begünstigen können.

Bekanntlich senkt regelmäßiges körperliches Training, insbesondere Ausdauertraining, das Risiko für einen Herzinfarkt. Ungewohnte Anstrengungen bei ansonsten untrainierten Menschen können dagegen das Risiko erhöhen. Kommen dann weitere Faktoren (z. B. Kälte) hinzu, kann tatsächlich ein Infarkt ausgelöst werden: Alljährlich sehen wir im Kranken-haus Herzinfarkte, die sich bei älteren Männern beim Schnee-schau­feln ereignen.

Auch eine plötzliche emo­tionale Belastung kann bei gefährdeten Menschen zu einem Infarkt führen: Seit Jahren zeigen Statistiken, dass bei plötzlichen Naturkatastrophen (z. B. Erdbeben) die Rate der Herzinfarkte rapide ansteigt. Auch die emotionale Belastung bei wichtigen Sportereignissen lässt die Zahl der Infarkte hochschnellen. Bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland stieg ihre Häufigkeit insbesondere während der entscheidenden Spiele stark an. Ob der Auf- oder Abstieg des eigenen Fußballvereins eine ähnliche Wirkung hat, ist noch nicht erforscht und wäre in unserer Region sicherlich sehr interessant.

Die Bedeutung unserer seelischen Verfassung als Auslöser für Herzinfarkte stellt sich auch in einer anderen Situation dar: Der Verlust eines nahestehenden Angehörigen erhöht ebenfalls das Infarktrisiko.

Was kann ich selbst tun?

Entscheidend sind die wirklich beeinflussbaren Risikofaktoren: Nicht rauchen, regelmäßiges körperliches Ausdauertraining, gesunde Ernährung, Vermeidung von Überernährung, Vermeidung von negativem Stress. Bei bestehendem hohen Risikoprofil: Vorsicht bei plötzlicher Aufregung und ungewohnter Anstrengung (insbesondere in Kälte).

Die weitverbreitete Ansicht, Herz- und Gefäßerkrankungen wären reine Zivilisationskrankheiten, ist allerdings sicher falsch: Selbst bei der Eismumie aus dem Ötztal („Ötzi“) fanden sich schon deutliche Zeichen einer Gefäßverkalkung. Und das, trotz reichlich Bewegung, wenig Fett und viel frischer Luft …

Und zum Schluss noch der vielleicht wichtigste Tipp: Bei Anzeichen eines Herzinfarktes zögern Sie nicht – wählen Sie die 112!

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