Artikel erschienen am 20.05.2014
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Kniegelenkersatz in Stufen

Für jedes Krankheitsbild gibt es ein passendes Kunstgelenk

Von Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller, Braunschweig

Arthrose ist nicht heilbar

Gelenkbeschwerden zählen zu den großen Volkskrankheiten. Allein in Deutschland, so schätzt man, sind 6 Mio. Menschen betroffen. Arthrose bezeichnet den allmählichen und irreparablen Verschleiß der Knorpelschicht, die das Gelenk schützen soll. Die Knochen nutzen sich ab, reiben aufeinander und verformen sich sogar. Starke Schmerzen sind die Folge.

Das Alter und die generelle Abnutzung der Gelenke, aber auch Fehl- und Überbelastungen wie X- oder O-Beinstellung, Bewegungsmangel und Übergewicht und schließlich Unfälle und Verletzungen können Ursachen für die Entstehung einer Arthrose sein.

Arthrose gilt als nicht heilbar. Die Medizin kann jedoch versuchen, die Erkrankung aufzuhalten oder zu verlangsamen. Zunächst können Behandlungsmethoden wie Medikamente, Kälte-, Wärme- oder elektrotherapeutische Anwendungen die Beschwerden lindern.

Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Gelenkoberfläche nur innen oder außen verschlissen ist, sind gelenkerhaltende Eingriffe denkbar – dazu zählen Gelenkspiegelungen mit Knorpeltherapie, ggf. mit zusätzlicher operativer Korrektur der Beinachse.

Nur das ersetzen, was zerstört ist

Schreitet der Verschleiß fort, bleibt häufig nur die Implantation eines künstlichen Gelenks. Arthrose ist nicht gleich Arthrose: Häufig haben wir es mit lokalen Schädigungen zu tun, die nur einen bestimmten Gelenkanteil betreffen, während das übrige Gelenk noch völlig intakt ist. Das Ziel ist es daher, so viel körpereigene Knochensubstanz wie möglich zu erhalten und nur die Gelenkteile zu ersetzen, die wirklich zerstört sind.

Was logisch klingen mag, ist erst durch den medizinischen Fortschritt der vergangenen Jahre, durch neue Implantatmodelle und neue Werkstoffe, möglich geworden. Einige dieser „knochensparenden“ Knieimplantate können noch nicht die klinischen Langzeitergebnisse wie bewährte Knieimplantate vorweisen, die teils seit 10 oder sogar 20 Jahren im Einsatz sind. Es gilt, diese Neuentwicklungen kritisch zu prüfen und kontrolliert einzusetzen.

Operative Behandlung in Stufen

Manchmal genügt es, nur ein Knorpelareal zu ersetzen: Ist z. B. nur der Knorpel einer Hälfte des Gelenks verschlissen, verursacht z. B. durch eine O-Bein-Fehlstellung, kann die „Schlittenprothese“ zum Einsatz kommen, die bereits zu den etablierten Verfahren zählt (Abb. 1). Zu den neueren Entwicklungen zählt das „patellofemorale“ Gelenk, das lediglich das Gleitlager der Kniescheibe ersetzt. Eine solche Prothese kann z. B. nach einem Kniescheibenbruch oder bei einer Verletzung im Kindesalter sinnvoll sein.

Abb. 1: Röntgenaufnahme einer Schlittenprothese

Meistens kommt jedoch der Oberflächenersatz zur Anwendung, der gute Langzeitergebnisse vorweisen kann. Hier wird die gesamte Gelenkoberfläche mit Metall überkront (Abb. 2). Der Meniskus wird durch hochfesten Kunststoff ersetzt. Ein normales Gleitverhalten in Beugung und Streckung zwischen Ober- und Unterschenkel wird wieder möglich.

Abb. 2: Ein Kniegelenk, das wie angegossen sitzt.

Eine weitere Neuerung sind anhand von kernspintomographischen Aufnahmen erstellte individuelle Schnittschablonen, welche die Präzision beim Einbau noch steigern (Abb. 3).

Abb. 3: Die Schnittschablonen werden auf die individuelle Anatomie des Patienten angepasst.

Nachweislich ist in der Knieendoprothetik der Erhalt der Stabilität gebenden Kreuzbänder der Schlüssel für die Wiederherstellung eines natürlichen Bewegungsgefühls. Modernste, in der klinischen Erprobung befindliche Modelle erhalten mittlerweile alle Bänder des Kniegelenkes, auch das vordere Kreuzband. Die ersten Ergebnisse sind sehr gut.

Sind die Bänder aber in Mitleidenschaft gezogen, gibt es Implantatmodelle, die die Funktion der Bänder nachahmen können.

Auch die Kniescheibe kann ersetzt werden, wenn sie geschädigt ist: Den kompletten Oberflächenersatz gibt es heute als durchdachte „Prothesen-Baukästen“ mit un­terschiedlichen Ausführungen und Kopplungsgraden, damit der Operateur für möglichst alle individuellen Erkrankungen eine Lösung parat hat.

Alle modernen Endoprothesen bestehen aus extrem abriebfesten und körperverträglichen Metallen und Kunststoffen. Bei neueren Knieprothesen kann die Oberschenkelkomponente auch aus Keramik bestehen – als Alternative für Metallallergiker. Vorteile sind außerdem geringere Abriebwerte des Materials.

Welches Implantat ist „das richtige“?

In Deutschland werden jährlich rund 150 000 Knieendoprothesen implantiert. Jeder Patient hofft natürlich, dass seine Erkrankung mit einem knochensparenden Implantat versorgt werden kann. Derzeit sind Teilprothesen (Schlittenprothesen) wieder sehr im Trend. Die überwiegende Zahl der Patienten hat Krankheitsbilder, die mit einem kompletten Oberflächenersatz versorgt werden müssen.

Ausschlaggebend für die Auswahl des „richtigen“ Implantats ist immer die Abklärung der individuellen Situation des Patienten: Lebensalter, Körperbau, Knochenqualität, aber auch Lebensgewohnheiten und Aktivitäten sind Faktoren, die in die Entscheidung des passenden Gelenkersatzes einfließen. Der Auswahl der Klinik kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Neben der Erfahrung des Operateurs und der Ausstattung der Klinik, ist es extrem wichtig, dass Implantate für alle Eventualitäten vor Ort sind. Zertifizierte Endoprothesenzentren (Endocert DGOOC) haben ihre Qualifikation unter Beweis gestellt.

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