Artikel erschienen am 31.05.2015
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Lebertumoren müssen nicht bösartig sein

Von Prof. Dr. med. Kinan Rifai, Wolfenbüttel

Immer wieder werden bei Routineuntersuchungen mittels Ultraschall Tumoren in der Leber entdeckt. Dann kommt es natürlich beim Patienten zu Aufregung, ob es sich um Krebs handelt. Viel häufiger handelt es sich aber um gutartige Lebertumoren. Insofern ist die weitere Abklärung sehr wichtig, um möglichst rasch Klarheit über den Befund zu haben und, falls erforderlich, eine Behandlung beginnen zu können.

Was tun, wenn ein Lebertumor entdeckt wird?

Wenn ein unklarer Lebertumor entdeckt wird, muss zunächst geklärt werden, ob eine Lebererkrankung bekannt ist. Danach sollte eine Blutentnahme erfolgen, um Veränderungen z. B. im Blutbild oder der Leberwerte zu erkennen. Anschließend wird häufig noch eine Computertomografie („CT“) oder eine Kernspintomografie („MRT“ oder „NMR“) durchgeführt. Diese Untersuchungen sind aber mit hoher Strahlenbelastung verbunden (CT) bzw. verursachen hohe Kosten (MRT). Zudem können die dabei eingesetzten Kontrastmittel die Nieren schädigen, Allergien auslösen oder die Schilddrüse stimulieren.

Mit Kontrastmittel-Ultraschall können Lebertumoren gut abgeklärt werden

Eine relativ neue, einfache, aber sehr aussagekräftige Methode insbesondere für Lebertumoren ist der Ultraschall mit einem speziellen Kontrastmittel. Das Ultraschall-Kontrastmittel verteilt sich innerhalb von Sekunden nach der i. v. Gabe im ganzen Körper. Die einzige Nebenwirkung ist in sehr seltenen Fällen eine allergische Reaktion. Mit speziellen Ultraschallgeräten kann dann der Lebertumor sehr genau und in Echtzeit mit hoher Auflösung analysiert werden. Dies erlaubt die sichere Unterscheidung von gut- und bösartigen Lebertumoren. Groß angelegte Studien haben nachgewiesen, dass die Aussagekraft des Kontrast-Ultraschalls zumindest ebenbürtig im Vergleich zu CT und MRT ist (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Darstellung der Leber mit Kontrastmittel-Ultraschall. Die dunklen Flecken ent­sprechen Lebermetastasen.

Im Landkreis Wolfenbüttel wird der Ultraschall mit Kontrastmittel nur im Städtischen Klinikum Wolfenbüttel in der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie angeboten – auch ambulant für alle Patienten mit entsprechender Überweisung.

Wie kann der genaue Typ des Lebertumors sicher festgestellt werden?

Um den genauen Typ des Lebertumors sicher zu bestimmen, wird bei Verdacht auf bösartige Lebertumoren eine Gewebeprobe daraus entnommen. Diese sog. Feinnadelpunktion erfolgt mit einer sehr dünnen Nadel von unter 1 mm Durchmesser unter Ultraschallsicht durch die Bauchdecke mit lokaler Betäubung. Die Probe aus dem Tumor kann der Pathologe dann unter dem Mikroskop untersuchen (Histologie und Zytologie). Angesichts der sehr dünnen Nadel kommt es nur sehr selten zu Beschwerden oder Komplikationen bei dieser Punktion. Feinnadelpunktionen werden im Städtischen Klinikum Wolfenbüttel in der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie üblicherweise stationär durchgeführt.

Leberzysten sind die häufigsten gutartigen Lebertumoren

Zysten sind häufig in Leber und Nieren zu finden und normalerweise harmlos. Nur sehr große oder sehr viele Zysten (Zystenleber) können Probleme machen. In diesem Fall kann mit hoher Erfolgsrate eine minimalinvasive Behandlung unter Ultraschall-Sicht erfolgen. Dazu werden die Zysten mit sehr dünnen Nadeln unter lokaler Betäubung punktiert und entleert (siehe Abb. 2). Dann wird die Zyste direkt mit einem bestimmten Medikament verödet. Diese sogenannte Zystensklerosierung wird auch in der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie des Städtischen Klinikums Wolfenbüttel erfolgreich eingesetzt.

Abb. 2: Große Leberzyste vor und nach Behandlung. Links in der schwarz abgebildeten Zyste sieht man den hellen Doppelreflex der Spitze der dünnen Punktionsnadel. Rechts im Bild ist dieselbe Zyste nach der Behandlung praktisch verschwunden.

Welche gutartigen Lebertumoren gibt es noch?

Verfettungsstörungen der Leber können sich auch wie Lebertumoren darstellen. Sie sind jedoch harmlos und können gut mittels Kontrast-Ultraschall diagnostiziert werden.

Ein weiterer häufiger und gutartiger Lebertumor ist der sog. Blutschwamm (Hämangiom). Hämangiome gibt es an vielen Organen, v. a. auch an der Haut. Eine Behandlung von Hämangiomen ist normalerweise nicht notwendig.

Ein erhöhtes Risiko für zwei weitere Typen gutartiger Lebertumoren haben junge Frauen, die Hormone (die „Pille“) einnehmen. Die sog. FNH (Fokal noduläre Hyperplasie) ist eine Art Leberzellwucherung, welche komplett harmlos, aber häufig schwierig zu diagnostizieren ist. Da die FNH nicht bösartig werden kann, muss sie auch nicht behandelt werden. Dies ist ein wichtiger Unterschied zum selteneren Leberzelladenom. Dieses kann nämlich in seltenen Fällen entarten. Daher werden Adenome engmaschig überwacht und ggf. operativ entfernt.

Und wenn es doch ein bösartiger Lebertumor ist?

Die häufigsten bösartigen Lebertumoren sind Metastasen, also Absiedlungen von Tumoren anderer Organe, insbesondere von Dickdarm (Kolonkarzinom), Bauchspeicheldrüse (Pankreaskarzinom) oder Brust (Mammakarzinom). Die Behandlung von Lebermetastasen ist sehr unterschiedlich und richtet sich nach dem Ursprung des Tumors und seiner Ausbreitung in der Leber und anderen Geweben. So werden z. B. einzelne Metastasen von Darmkrebs häufig operativ entfernt, während bei Metastasen von Bauchspeicheldrüsenkrebs nur eine Chemotherapie sinnvoll ist.

Leberzirrhose ist ein Risikofaktor für Leberzellkrebs

Der primäre Leberzellkrebs (oder hepatozelluläres Karzinom, (HCC) geht von den Leberzellen aus. Typischerweise tritt er auf dem Boden einer Leberzirrhose auf, also dem Endstadium der Vernarbung der Leber durch chronische Leber­erkrankungen. Häufigste Ursachen der Leber­zirrhose sind Alkohol und die chronische Virushepatitis B oder C. Aufgrund des hohen Risikos für Patienten mit Leberzirrhose muss alle 6 Monate mit Ultraschall eine Vorsorgeuntersuchung der Leber durchgeführt werden.

Für die Therapie des HCC kommt eine operative Entfernung des Tumors meist nicht mehr infrage, da die Leber durch die Zirrhose nicht mehr ausreichende Reserven hat. Daher werden minimal-invasive Verfahren angewandt, die für den Patienten und seine Leber schonender sind. Dazu zählt auch die Verkochung von Lebertumoren mittels Radiofrequenzablation (RFA). Dafür wird eine spezielle RFA-Sonde unter Ultraschallsicht durch die Bauchdecke im Tumor platziert. Darüber wird für wenige Minuten eine Hochfrequenzenergie appliziert, die wiederum die Krebszellen durch Verkochung abtötet. Auch dieses Verfahren wird im Städtischen Klinikum Wolfenbüttel in der Klinik für Innere Medizin und Gastroenterologie durchgeführt.

Wie wird die optimale Behandlung für den Patienten sicher gestellt?

Für alle bösartigen Lebertumoren wird die genaue Behandlung immer im gesamten fachübergreifenden Team von Internisten, Chirurgen, Strahlen­therapeuten usw. individuell besprochen und protokolliert. Dazu treffen sich alle Experten, z. T. per Videokonferenz, einmal wöchentlich zur sog. Tumor­konferenz im Städtischen Klinikum Wolfenbüttel. Das Ergebnis der Tumorkonferenz wird dann mit dem Patienten oder seinem Hausarzt besprochen und es wird gemeinsam entschieden, wie es weitergeht.

Zusammenfassend bedeutet die Entdeckung eines Lebertumors nicht gleich, dass ein bösartiger Tumor vorliegt, sondern häufig finden sich auch gutartige Lebertumoren. Mit dem Kontrastmittel-Ultraschall steht inzwischen ein sehr gutes und praktisch nebenwirkungsfreies Verfahren zur genauen Unterscheidung der verschiedenen Lebertumoren zur Verfügung. Davon abhängig wird entschieden, ob eine Feinnadelpunktion erforderlich ist. Die Therapie ist abhängig von der Art des Lebertumors und wird üblicherweise im Team der Ärzte verschiedener Fachdisziplinen entschieden.

Foto: Prof. Dr. med. Kinan Rifai, Panthermedia/Shubhangi Kene

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