Artikel erschienen am 04.06.2015
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Schizophrenie

Von Kristof Hückstädt, Königslutter am Elm | Dr. med. Uta Heuer, Königslutter am Elm

Die Schizophrenie gehört zur Übergruppe der Psychosen. Psychosen sind psychische Störungen, bei denen häufig vorübergehend der Realitätsbezug verloren geht. Es wird zwischen endogenen und exogenen Psychosen unterschieden. Während bei exogenen Psychosen organische Ursachen wie ein Tumor oder eine Verletzung des Gehirns, eine Stoffwechselerkrankung oder Alkohol- bzw. Drogenwirkung nachweisbar sind, lassen sich bei endogenen Psychosen („von innen kommend“) keine unmittelbaren organischen Ursachen für die Erkrankung feststellen. Die Schizophrenie stellt die häufigste Form der endogenen Psychosen dar.

Die Wahrscheinlichkeit, an einer Schizophrenie zu erkranken, beträgt ca. 1 %, weitgehend unabhängig von Faktoren wie Nationalität, ethnischer Herkunft und sozialer Schicht. Männer und Frauen sind ungefähr gleich häufig betroffen, wobei Männer im Mittel etwas früher (ca. 20. Lebensjahr) als Frauen (ca. 25. Lebensjahr) erkranken. Mehr als die Hälfte aller Betroffenen erkrankt zwischen der Pubertät und dem 30. Lebensjahr. Bei einer Ersterkrankung ab dem 40. Lebensjahr spricht man von einer Spätschizophrenie.

Die Ursachen der Schizophrenie sind multifaktoriell, eine Vielzahl biologischer und psychosozialer Risikofaktoren ist beteiligt. Biologisch spielen genetische, biochemische sowie prä- und perinatale (vor und während der Geburt) Einflüsse eine Rolle und erhöhen die Verletzlichkeit (Vulnerabilität), an einer Schizophrenie zu erkranken. Psychosoziale Faktoren wie Belastungen in der frühkindlichen Entwicklung, fehlende „Nestwärme“ oder materielle Not bis hin zur Traumatisierung können wiederum zu einem erhöhten Stresserleben führen. Wird ein erblich vorbelastetes Gehirn bspw. durch eine Infektionskrankheit in der frühen Kindheit und schwierige Lebensbedingungen zusätzlich belastet, kann es in bestimmten Gehirnregionen zu einer „Fehlvernetzung“ der Nerven kommen. Diese wiederum bedingt eine erhöhte Anfälligkeit des Gehirns für Stress. Kommt es in der weiteren Entwicklung zu einer Häufung von Stresserleben, kann es zum Krankheitsausbruch kommen.

Eine akute Krankheitsphase der Schizophrenie zeichnet sich durch erhebliche Veränderungen des Denkens, des Fühlens, der Wahrnehmung und des Verhaltens aus. Diese können alle Sinnesqualitäten umfassen, am häufigsten sind akustische Halluzinationen, insbesondere das Hören von Stimmen. Das Denken kann ungeordnet und zerfahren erscheinen, Konzentration und Merkfähigkeit sind häufig erheblich beeinträchtigt, was die Bewältigung des Alltags erschwert. Gleichzeitig bestehen häufig Wahnvorstellungen, also absolute Überzeugungen, die für andere kaum nachvollziehbar sind, z. B. Verfolgungswahn. Häufig werden die Umwelt, der eigene Körper oder einzelne Körperteile als fremd oder verändert wahrgenommen. Gleichzeitig verschwimmt die Grenze zwischen dem Ich und der Umwelt, sodass Betroffene bspw. den Eindruck haben, Gedanken oder Bewegungen würden von außen gesteuert. In sehr akuten Zuständen kann es zu starker Erregung und Unruhe kommen sowie zur Unfähigkeit, sich zu bewegen oder verbal zu äußern, oder zum ständigen Wiederholen bestimmter Sätze, Wörter oder Bewegungen. Im Verlauf einer schizophrenen Erkrankung treten meist auch affektive Veränderungen auf. Neben Gefühlsarmut, Misstrauen, Gereiztheit, Angst und Panik kann es auch zu läppischem Verhalten und situationsunpassenden Gefühlsäußerungen kommen. Auch Aktivität und Kommunikation verändern sich. Betroffene neigen häufig zum sozialen Rückzug, sind antriebsvermindert und wirken eigenbrötlerisch.

Der Verlauf der Erkrankung ist sehr heterogen. Etwa 10 – 20 % der Betroffenen erleben nur eine Krankheitsepisode, ca. weitere 30 % erleben über die Lebensspanne mehrere Episoden, sind allerdings zwischen diesen weitgehend beschwerdefrei. Die andere Hälfte der Erkrankten weist einen eher chronischen Verlauf auf, es tritt keine vollständige Symptomfreiheit mehr auf und es bestehen anhaltende Einschränkungen, die zu einem erhöhten Behandlungs- und Betreuungsbedarf führen. An Schizophrenie erkrankte Menschen leiden meist schwer unter ihrer Erkrankung und bedürfen einer Behandlung. Da sie jedoch nicht immer von sich aus Hilfe suchen, ist häufig eine Unterstützung von außen erforderlich. Ziel der Behandlung ist es, akute Symptome zu lindern, Rückfällen vorzubeugen und den Betroffenen ein Leben in Selbstbestimmung zu ermöglichen. Die Behandlung umfasst medikamentöse Therapie, Psychotherapie und sozialtherapeutische Maßnahmen. Medikamentös werden in der Behandlung der Schizophrenie Antipsychotika (Neuroleptika) eingesetzt. Die medikamentöse Therapie ist meist langfristig, manchmal lebenslang, angelegt und muss deshalb nebenwirkungsarm sein, um von den Patienten akzeptiert zu werden. Psychotherapeutisch stellen u. a. Psychoedukation (Informationsvermittlung zur Erkrankung), Familientherapie sowie Trainingsprogramme zur Verbesserung von sozialen, emotionalen und kognitiven Fertigkeiten bewährte Interventionen dar. In den letzten 10 Jahren wurden diese durch störungsspezifische einzel- und gruppentherapeutische Behandlungsansätze erweitert, vor allem aus dem kognitiv-verhaltenstherapeutischen Bereich. Unter sozialtherapeutischen Maßnahmen versteht man die Unterstützung in verschiedenen sozialen Bereichen, wie z. B. Hilfen bei der Alltagsbewältigung, tagesstrukturierende Maßnahmen, betreute Wohnformen und berufliche Wiedereingliederung. Durch eine multimodale, individuell auf den Patienten maßgeschneiderte Therapie sind in aller Regel gute Erfolge zu erzielen, wobei eine möglichst frühzeitige und konsequente Behandlung die Prognose erheblich verbessert.

Bild: Panthermedia/Felix Baumann

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