Artikel erschienen am 30.05.2015
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Strahlentherapie von schmerzhaften entzündlich-degenerativen Erkrankungen

Von Dr. med. Marcel Ott, Wolfsburg

Die Strahlentherapie wird heute überwiegend für die Therapie bösartiger Tumorerkrankungen eingesetzt. Weniger bekannt ist ihre lange Tradition in der Behandlung gutartiger Erkrankungen, wo sie seit über 100 Jahren(!) zum Einsatz kommt.

Unter diesen ist zu nennen der Fersensporn (Calcanodynie), der Tennis- oder Golferellenbogen (Epicondylopathia humeri), die schmerzhafte Schulter (Periarthritis humeroscapularis/PHS) sowie verschiedene Arthrosen von Schulter-, Hüft-, Knie- und Fingergelenken. Bei diesen Erkrankungen wird typischerweise ein großes Spektrum an therapeutischen Möglichkeiten eingesetzt: von Massagen, Krankengymnastik, physikalischer Therapie über Akupunktur bis hin zu Injektionen und einer medikamentösen Schmerztherapie. Leider bleiben die betroffenen Sehnen und Gelenke häufig trotzdem schmerzhaft.

Hier kann durch eine niedrig dosierte Strahlentherapie, eine sog. Röntgenreizbestrahlung, in vielen Fällen eine deutliche Schmerzlinderung oder gar Schmerzfreiheit erzielt werden. Die dabei verwendeten Dosierungen liegen im Bereich von 5 – 10 % der bei bösartigen Tumorerkrankungen verwendeten Dosierungen, sodass die Behandlung weitgehend nebenwirkungsfrei durchgeführt werden kann. Der schmerzlindernde Effekt beruht dabei auf einer Verringerung von entzündlichem Gewebe (insbesondere Lymphozyten). Zudem werden aber auch Botenstoffe (Zytokine) freigesetzt, die die Entzündungsreaktion im Körper günstig beeinflussen.

Die Anwendung der Strahlentherapie erfordert ein fachkundiges Team aus einem Facharzt für Strahlentherapie, einem Medizinphysikexperten und einer MTRA. Diese gewährleisten eine Therapie auf einem hohen Qualitätsniveau, dass sowohl die adäquate Dosisverordnung, die individuelle Dosisberechnung und auch die Durchführung der Strahlentherapie inkl. Dokumentation der erfassten Körperregion und der verabreichten Körperdosis umfasst.

Simulation bei Fersensporn mit Definition der Strahlenfeldgrenzen vor Therapie

Verifikation zur Überprüfung des Strahlenfelds unter Therapie

Die Anwendung kann prinzipiell an einem Röntgentherapiegerät oder auch einem Linearbeschleuniger erfolgen, wobei letzterer durch die Anwendung höherer Strahlenenergien eine bessere Gewebedurchdringungsfähigkeit aufweist. Für die Auswahl geeigneter Patienten ist es hilfreich, zunächst alternative konservative Therapieversuche z. B. physiotherapeutisch oder medikamentös unternommen zu haben.

Bei nicht ausreichendem Therapieerfolg sollte jedoch nicht zu lange mit der Durchführung einer Strahlentherapie gewartet werden, da die besten Behandlungserfolge bei einer Beschwerdedauer von weniger als einem halben bis einem Jahr erzielt werden.

Bei länger bestehenden Beschwerden ist eine Schmerzlinderung zwar nicht ausgeschlossen, die vormals bestehende Entzündungsreaktion zeigt dann aber im stärkeren Maße Vernarbungstendenzen. Wegen des prinzipiell möglichen Risikos einer durch die Strahlenanwendung ausgelösten Tumor­entstehung werden üblicherweise Patienten unter 40 Jahren nur in ausgewählten Einzelfällen behandelt.

Das tatsächliche Risiko ist aufgrund der geringen verwendeten Dosierungen jedoch als ausgesprochen niedrig anzusehen. In Deutschland ist bislang kein Fall einer Tumorentstehung nach Strahlentherapie einer gutartigen Erkrankung beschrieben worden. Somit stellt die Strahlentherapie bei schmerzhaften entzündlich-degenerativen Erkrankungen von Sehnen und Gelenken eine wirksame Therapie als Ergänzung zu anderen konservativen Behandlungen, insbesondere der Physiotherapie, dar.

Foto: Klinikum Wolfsburg

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