Artikel erschienen am 25.09.2016
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Chronische Wunden

Ursachen und Therapien

Von Reinhold Mäueler, Braunschweig

Ist eine Wunde nach mehr als neun Wochen noch nicht verheilt, spricht der Mediziner von einer chronischen Wunde. Sie ist fast immer Folge einer allgemeinen Erkrankung wie Diabetes mellitus, Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) – als Folge vom Rauchen – oder zu hohem Blutdruck. Insbesondere bei älteren Menschen kann falsche Belastung zu chronischen Wunden führen, das sog. „Wundliegen“. Die wichtigsten und bekanntesten chronischen Wunden sind das „offene Bein“ (Ulcus cruris), das Druckgeschwür (Decubitus) und Malum perforans – ein Geschwür unter der Fußsohle beim diabetischen Fuß.

Damit diese Wunden heilen können, müssen die zugrunde liegende Erkrankung behandelt und die lokale Wunde mit allen Methoden der modernen Wundbehandlung versorgt werden. Diese Wunden gehören deshalb in die Hände von Wundexperten. In enger Zusammenarbeit mit den Ärzten, die die Grunderkrankung(en) behandeln, sollte eine ganzheitliche und individuelle Betreuung der Patienten erfolgen.

Das Druckgeschwür (Dekubitus)

Ein Dekubitus entsteht, wenn lang anhaltender Druck oder Reibungs- und Scherkräfte die Haut und die darunterliegenden Gewebe schädigen. Es kann sich an jeder Stelle des Körpers entwickeln, besonders häufig betroffen sind aber die Steißregion, die Hüften und die Fersen. Aber auch ältere, bettlägerige Menschen sind gefährdet. Der Decubitus beginnt mit einer Hautrötung. Später bildet sich eine offene Wunde und das darunter liegende Gewebe, einschließlich der Muskeln und Knochen, wird angegriffen. Wegen der fehlenden Schutzbarriere der Haut ist dieser Bereich stark infektionsgefährdet.

Die Behandlung ist schwierig und langwierig. Wichtig ist eine konsequente Druckentlastung. Nekrosen (abgestorbene Gewebe) müssen mithilfe von Skalpell, Schere, scharfem Löffel oder Laser abgetragen werden (chirurgisches Debridement). Wo keine schneidenden Werkzeuge eingesetzt werden können, hat sich auch die Biochi­rurgie bewährt. Hierbei befreien in Laboren gezüchtete Maden die Wunden von abgestorbenem und infiziertem Gewebe.

Zum Wundverschluss kann eine plastische Operation notwendig werden. Dabei wird Haut oder Muskulatur aus der gesunden Umgebung in den Defekt verschoben. Mit einer Vakuumtherapie kann die Wunde hierfür vorbereitet werden. Dabei wird ein Okklusionsverband in Kombination mit einer Drainage für Wundsekret und Blut angelegt. Mittels einer Pumpe wird ein Unterdruck erzeugt, der die Durchblutung fördert und mit dem das Wundsekret abgesaugt wird. Dies beschleunigt und vereinfacht den Heilungsprozess.

Das offene Bein (Ulcus cruris)

Ein offenes Bein beschreibt eine schlecht heilende Wunde am Unterschenkel. Sie entsteht fast immer durch eine arterielle Minderdurchblutung oder durch eine venöse Abflussstörung. Vor jeder lokalen Therapie muss daher z. B. mittels Ultraschalluntersuchung die Durchblutung des Beins geklärt werden. Liegt eine arterielle Durchblutungsstörung oder ein Krampfaderleiden vor, sollten diese zuerst therapiert werden, damit der Ulcus heilen kann. Einengungen der Arterien werden dazu geweitet oder mit einem Bypass umgangen. Krampfartig erweiterte Venen werden entfernt sowie nicht funktionierende Verbindungen zwischen dem tiefen und oberflächlichen Venensystem unterbunden.

Die Therapie erfolgt stets auf den Patienten abgestimmt. Denn ist bei einem venös bedingten Geschwür z. B. die Kompression (elastische Wickelung) wichtig, können bei einer arteriellen Ursache u. a. chirurgisches oder biologisches Wunddebridement, die Ulcusauschneidung und die Hautverpflanzung notwendig werden.

Der diabetische Fuß

Der diabetische Fuß ist eine häufige und gefürchtete Folgeerkrankung eines langfristig bestehenden Diabetes mellitus. Als Folge einer schlechten Blutzuckereinstellung kommt es zu einer Schädigung der Nerven, die dazu führt, dass der Fuß unempfindsam für Schmerzen wird. Aufgrund einer ungenügenden Durchblutung des Gewebes heilen die Wunden schlechter. Typisches Symptom für den diabetischen Fuß ist ein Geschwür (Ulcus) im Vorfußbereich, das sich an der Stelle des stärksten Drucks unter der rissigen Hornhaut entwickelt. Beim Charcot-Fuß, einer besonders schweren Form des diabetischen Fußes, können auch Knochen und Gelenke schweren Schaden nehmen.

Die Therapie ist meist sehr aufwendig. Denn zunächst müssen eventuelle Durchblutungsstörungen des Beines beseitigt werden und eine konsequente Druckentlastung der Läsion – z. B. durch sog. Orthesen-Apparate, die das Laufen ohne Belastung des Fußes erlauben – erfolgen. Bestehende Infekte müssen lokal mit Antiseptika und eventuell mit Antibiotika behandelt werden. Nicht selten werden auch Operationen wie die Resektion eines Knochens in Fehlstellung und Zehenamputationen nötig. Höhere Amputationen sind dagegen sind die Ausnahme.

Bild: Krankenhaus St. Vinzenz

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