Artikel erschienen am 10.10.2016
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Kompressionsversorgungen bei Lipödem/Lymphödem

Therapiemöglichkeiten bei schweren Beinen, Schmerzen und Erschöpfung

Von Heike Behre, Braunschweig

Dicke, schwere Beine, Spannungsgefühle, Schmerzen und Erschöpfung der Beine: Das können die ersten Anzeichen eines Lipödems sein. Aber was ist ein Lipödem? An wen kann ich mich wenden? Und wie sieht die Therapie aus?

Das Lipödem ist eine krankhafte Fettverteilungsstörung mit noch nicht geklärter Ursache. Es tritt hauptsächlich bei Frauen symmetrisch an den Hüften, am Po, an beiden Beinen und meist zusätzlich auch an den Armen auf. Ein Lipödem ist nicht die Folge von Übergewicht – es ist im Bereich seitlich an den Hüften und Oberschenkeln angesiedelt, wo eine Gewichtsreduktion ohnehin wenig erfolgversprechend ist. Es gibt verschiedene Verteilungsmuster des krankhaft vermehrten Fettgewebes.

Verschiedene Typen des Lymphödems

Wir unterscheiden:

  • Oberschenkel-Typ (Reiterhosen): Hüfte und Oberschenkel sind betroffen.
  • Unterschenkel-Typ (Bundhosen): Hier sind zusätzlich die Unterschenkel betroffen.
  • Knöchel-Typ (Pumphosen): Hier sind die Unterschenkel bis zu den Knöcheln betroffen.

Sehr häufig sind auch die Arme betroffen und gleichen im Muster der Fettverteilung dem der Beine. Das Lipödem betrifft ausschließlich Frauen und tritt nie vor der Pubertät auf. Oft wird eine familiäre Häufung des Lipödems festgestellt, es kann aber auch spontan, ohne jeden familiären Hintergrund auftreten und – magere Frauen können ebenso ein Lipödem entwickeln wie mollige.

Das Lipödem neigt zur Verschlimmerung. Was ist zu tun?

Stellen Sie sich bei einem lymphologisch tätigen Arzt vor und schildern Sie Ihre Probleme. Ihr Arzt wird eine genaue Diagnose stellen und Ihnen verschiedene Möglichkeiten aufzeigen. So kann eine manuelle Lymphdrainage verordnet werden, um zu sehen, ob sich durch eine sehr spezielle Behandlung die Spannungen im Gewebe lösen und sich ggf. die Umfänge der betroffenen Körperregionen verändern. Durch eine spezielle Absaugmethode kann an den markanten Punkten das Fett abgesaugt werden. Welche Therapie durchgeführt werden soll, entscheidet der behandelnde Arzt nach der Diagnose. In beiden Fällen ist das Tragen von spezieller, nach Maß gefertigter Kompressionsware unerlässlich. Diese Kompressionsstrümpfe oder Hosen geben einen Druck auf das entlastete Gewebe und sollen einer Verschlimmerung entgegenwirken.

Versorgungsverlauf mit einer Lypmphdrainage

Wie wird die Kompressionsware in der Therapie eingesetzt und wie erfolgt eine Versorgung?

Nachdem der behandelnde Arzt eine Verordnung für die Kompressionsversorgung ausgestellt hat, suchen Sie bitte ein Sanitätshaus auf, das sich auf Lip-/Lymphödeme spezialisiert hat. Denn bei der Kompressionsware, die in dieser Therapie eingesetzt wird, handelt es sich nicht um normale Kompressionsstrümpfe. In den spezialisierten Sanitätshäusern treffen Sie auf speziell ausgebildetes Fachpersonal mit einer Zusatzausbildung zur Fachberatung Lip-/Lymphologie.

In einem Beratungsgespräch wird die Lebens- und Arbeitssituation besprochen, bspw. wie viel Sie sitzen oder stehen – am Arbeitsplatz und im Privatleben oder wie der Arbeitsplatz aufgebaut ist (z. B. sehr warm). Arbeiten Sie in einer Küche, einer Bäckerei, im Verkauf oder sitzen Sie permanent etc.? Es wird geklärt, ob Sie bei einer Lypmhtherapeutin/einem -therapeuten eine Lymphdrainage erhalten, um unmittelbar danach die entstauten Beine/Arme zu vermessen. Um eine höchstmögliche Akzeptanz dieser aufwendig hergestellten Kompressionsware zu erreichen, müssen die Arm-/Beinstrümpfe oder Hosen genau am Körper angepasst werden. Der Körperform entsprechend wird diese Kompressionsversorgung flach, mit einer Naht, gestrickt. Farbwünsche in großer Vielfalt können inzwischen berücksichtigt werden, sodass fast jeder Wunsch erfüllt werden kann. Zusätzlich zur Farbe sorgen neue Materialien für ein angenehmes Tragegefühl, so richtig zum „Wohlfühlen“ – ein Hilfsmittel, welches Ihren täglichen Alltag im wahrsten Sinne erleichtert.

Das Lymphödem

Das Lymphödem ist eine sicht- und tastbare Flüssigkeitsansammlung im Zwischenzellraum (Interstitium). Es wird durch mechanische Insuffizienz des Lymphsystems hervorgerufen. Diese mechanische Insuffizienz verhindert, dass die interstitielle Flüssigkeit über die Lymphgefäße abtransportiert wird. Dies wiederum führt zu einem Rückstau und zur Ansammlung von Flüssigkeit in den Zellzwischenräumen – man spricht von einem Ödem.

Ödeme werden in Stadium 1 bis 3 eingeteilt, je nach Zustand/Schwellung des entsprechenden Körperteils. Ebenso unterscheidet man das Lymphödem in eine primäre, Entwicklungsstörung oder eine Fehlbildung der Lymphgefäße und/oder Lymphknoten bzw. eine sekundäre Form. Das sekundäre Lymphödem entsteht durch mechanisch insuffiziente Abflussbahnen hervorgerufen durch Tumorerkrankungen, Traumata, OP-Narben, radiologische Bestrahlungen usw.

Für die Behandlung des Lymphödems ist, wie bei der Lipödem-Behandlung, ein lymphologisch tätiger Arzt wichtig. Suchen Sie einen aus und schildern Sie dort Ihre Probleme.

Die Therapie der ersten Wahl ist die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE). Darunter versteht man eine spezielle Massagetechnik, mit der das Lymphgewebe erweicht und die gestaute Lymphflüssigkeit in Richtung Bauch- und Brustraum befördert wird, auch Lymphdrainage genannt. Anschließend wird das betroffene Körperteil bandagiert, um den durch die Lymphdrainage eingetretenen therapeutischen Effekt, nämlich die Umfangreduzierung, zu halten.

Nach einer ganzen Reihe von Lymphdrainagen, kombiniert mit der Bandage, kann die Kompressionsversorgung schließlich angepasst werden. Wie bei der Lipödemtherapie ist auch hier eine spezielle Flachstrick-Kompressionsversorgung nötig. Die Versorgung kann nicht mit einem Venenkompressionstrumpf durchgeführt werden.

Der Vorteil der vermessenen und angepassten Flachstrick-Kompressionsversorgung liegt vor allem darin, unterschiedlich große Körperumfänge ohne Faltenbildungen mit dem nötigen „Arbeitsdruck“ zu versehen. Sogenannte Rundstrick-Kompressionsversorgungen wie bei der Venenkompressionsversorgung können diese Arbeit nicht leisten, da sie durch ihr dünneres, weicheres Material Unebenheiten weniger ausgleichen können. Deshalb wird das Rundstrickverfahren nur in der Venentherapie eingesetzt.

Diese beiden Erkrankungen, Lip-/Lymphödeme, so unterschiedlich sie auch sind, werden i. d. R. umfangreich therapiert. Der Arzt stellt die Diagnose und leitet die Therapie ein.

Es ist wichtig, genau abzuklären, wie der Therapieverlauf für den Lip-/Lymphödem-Patienten sein soll. Deswegen sprechen die drei Berufsgruppen Arzt, Therapeut und Fachberaterin im Sanitätshaus alle Termine mit dem Patienten genau ab. Nur eine abgestimmte Therapie wird zum gewünschten Erfolg führen.

Fotos: R. Strößenreuther, Sanitätshaus C.W. Hoffmeister

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