Artikel erschienen am 27.06.2016
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Psychische Erkrankungen Jugendlicher

Adoleszenz – psychiatrische und psychische Erkrankungen junger Erwachsener

Von Diana Wittig, Königslutter am Elm

Der Anteil junger Erwachsener ist sowohl im ambulanten als auch im stationären psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlungssetting ständig zunehmend (Huck, 2013). Trotz steigenden Hilfebedarfs dieser Klientel gibt es erst wenige Konzepte, die speziell an die Bedürfnisse junger Patientinnen und Patienten angepasst und untereinander vernetzt sind.

Auch ist es in den letzten Jahren zu einer zeitlichen Verschiebung in objektiven Markern des Erwachsenenalters gekommen. Berufsbeginn und Gründung einer eigene n Familie finden immer später statt, denn viele junge Erwachsene sind noch nicht dazu bereit, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Nur 35 % der 18- bis 30-Jährigen betrachten sich als Erwachsen (Arnett 2004). Längere Ausbildungszeiten und Unsicherheiten am Arbeitsmarkt führen zu diesem Phänomen, zusätzlich beobachtet man eine zu lange elterliche Unterstützung oder unsichere Bindungen (Seiffge-Krenke, 2012). Um sich von ihren Eltern und ihrer Umwelt abzugrenzen, entwickeln Jugendliche andere Sichtweisen, Wertevorstellungen und Ziele. Doch sie verfügen noch nicht über ausreichend lebenspraktische Erfahrungen: Sie haben Schwierigkeiten, mit Geld umzugehen, überschätzen ihre Fähigkeiten und haben hohe Erwartungen an sich und andere.

Aus psychiatrischer Sicht ist das junge Erwachsenenalter oft der Zeitpunkt, in dem sich psychiatrische Erkrankungen erstmalig zeigen. Dazu gehören Erkrankungen aus dem Schizophreniespektrum, Depressionen oder manisch-depressive Erkrankungen. Zusätzlich fallen in diesem Alter besondere Schwierigkeiten bei Jugendlichen auf, die schon im Kindesalter an psychischen Störungen oder psychi­atrischen Erkrankungen litten. Die immer häufiger gestellte Diagnose ADHS ist zunehmend auch im jungen Erwachsenenalter zu stellen.

Heranwachsende mit Störungen aus dem Autismusspektrum benötigen besondere Förderung und Unterstützung, um den zunehmenden Anforderungen und Hürden dieses Lebensabschnitts gerecht zu werden.

Zu den wichtigsten Aufgaben junger Erwachsener gehört der Eintritt in den Beruf sowie in das Erwerbsleben, welcher oft unter schwierigeren Bedingungen als noch vor Jahren erfolgt und den Begriff „Generation Praktikum“ geprägt hat.

Junge Menschen wünschen sich, stärker als in vorhergehenden Generationen, eine Sinnhaftigkeit ihres Tuns und hinterfragen starre Systeme. Sie streben nach flexiblen Arbeitszeiten und Heimarbeitsplätzen, um Beruf und Familie zu vereinbaren.

Ein hoher Erfolgsdruck lastet auf ihnen. Die heutigen jungen Erwachsenen sind die erste Generation, die in einer globalisierten Welt aufwächst (Huck, 2013).

Die zunehmende Bedeutung der digitalen Welt kennt keine Ruhezeiten. Jugendliche müssen zum eigenen Schutz lernen, nicht ständig erreichbar zu sein. Der Wandel des Freundschaftsbegriffs unter Einbeziehung von Facebook und Twitter sowie anderer moderne Kommunikationsmittel des Internets stellt neue Herausforderungen.

Junge Menschen, die zusätzlich oder gerade durch diese Veränderungen mit psychischen Erkrankungen konfrontiert werden, benötigen einen speziellen Ansatz, der Diagnostik und Therapie. Die große Bedeutung der in diesem Alter so wichtigen Peergroup konnte auch in diesem Kontext als hilfreich und stützend erkannt werden.

Behandlungskonzepte müssen, um Erfolg zu haben, an die speziellen Anforderungen der Patientengruppe angepasst werden. In den zurückliegenden Jahren hat sich gezeigt, dass ein spezifisches Behandlungskonzept für die Gruppe der Patienten in der Phase der späten Adoleszenz die höchste Wirksamkeit und Akzeptanz erreicht.

Zunächst entstanden spezifische psychiatrische Stationen in universitären Zentren oder Kliniken, die diesen Bedarf früh erkannten. Inzwischen können viele dieser Einrichtungen auf einen guten Erfahrungsschatz zurückblicken und ihre Konzepte in einem dynamischen Prozess an die sich wandelnden Anforderungen anpassen. Insgesamt kann man zum heutigen Zeitpunkt eine erste positive Bilanz ziehen und  Früchte der Arbeit ernten. Inzwischen gibt es eine Vielzahl nützlicher Programme, die Patienten kompetente Hilfe zur Problembearbeitung und Nachreifung zur Verfügung stellen. Spezielle Kompetenztrainings helfen, positive Veränderungen im Leben junger Erwachsener zu erzielen. Je nachdem, welches Störungsbild vorliegt, wie schwerwiegend Probleme sind und wie stark Betroffene durch Begleiterkrankungen belastet sind, kann auch eine kombinierte Behandlung mit Medikamenten hilfreich und notwendig sein. Die Einbeziehung von Angehörigen ist ein weiterer Schwerpunkt in diesem Bereich.

Auf Adoleszentenstationen wird das gesamte Spek­trum psychiatrischer Erkrankungen diagnostiziert und therapiert. Dazu gehören sowohl die klassischen psychiatrischen Erkrankungen wie schizophrene Psychosen, Depressionen, Angststörungen, Panikstörungen; aber auch Traumafolgestörungen und Störungen des Sozialverhaltens können diagnostisch erkannt und einer spezifischen Therapie zugeführt werden. Ziel ist es, die Patienten frühestmöglich sicher zu diagnostizieren und ihnen die spezifischen Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Eine Zusammenarbeit mit kompetenten Sozialarbeitern und Sozialpädagogen ist unerlässlich und ein fester Bestandteil der Behandlung. Eine langfristige Planung der Therapie unter Einbeziehung von Bezugspersonen ist unumgänglich. Adoleszentenstationen arbeiten regelmäßig mit Einrichtungen der medizinischen Rehabilitation und begleitenden sozialen Angeboten für die Ausbildungs- und Berufsförderung zusammen, so dass stabilisierende Rahmenbedingungen für eine Unterstützung zur Genesung geschaffen werden. In Zukunft ist davon auszugehen, dass eine Ausweitung dieser speziellen Sparte der Psychi­atrie voranzutreiben ist, um noch mehr jungen Erwachsenen diese Möglichkeit zu bieten und diese von dem erfolgreichen Konzept partizipieren zu lassen.

Foto: Fotolia/Photographee.eu

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