Artikel erschienen am 24.10.2016
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Schmerz lass nach!

Radiologie und Nuklearmedizin als Instrumente der Schmerztherapie

Von Dr. med. Verena Henrike Scholz, Braunschweig

„Eine raue Bewegung im Körper, die von den Sinnen abgelehnt wird.“ So beschrieb einst der römische Philosoph Cicero das Phänomen des Schmerzes und trennte somit als einer der ersten Denker der Antike körperliches Empfinden vom Zustand der Seele. Mit dieser Unterscheidung lieferte er einen entscheidenden, neuen Ansatzpunkt zur Betrachtung körperlicher Vorgänge, der später in die Entwicklung neuzeitlichen medizinischen Denkens einfloss.

Seitdem sind gut 2 000 Jahre vergangen, doch die Trennung von Körper und Seele erscheint vor allem jenen Menschen fragwürdig, die unter Schmerzen leiden. Schlaflose Nächte, qualvolle Tage und ein permanent von Beschwerden bestimmtes Leben schlagen bei nahezu allen Betroffenen auf das Gemüt und überschatten die Seele.

Denn im Unterschied zum akuten Schmerz, der als Warnsignal unser Gehirn auf eine Verletzung oder Erkrankung hinweist, die zu erkennen und oft zu behandeln ist, haben sich chronische Schmerzen von jener ursprünglichen, durchaus sinnvollen Funktion gelöst und existieren selbstständig. Gerade dies macht den Kampf gegen diese „Quälgeister“ so schwierig; gerade dies ist für uns eine besondere Herausforderung. Denn die Untersuchungsmethoden der bildgebenden Diagnostik und Nuklearmedizin können auch bei der Therapie chronischer Beschwerden, insbesondere bei Rücken- und Gelenkschmerzen als wirkungsvolle Instrumente eingesetzt werden.

Die CT-gesteuerte periradikuläre Therapie

Das gilt z. B. für die sog. CT-gesteuerte periradikuläre Therapie. Hierbei handelt es sich um eine seit Langem etablierte Methode zur schmerzlindernden Behandlung von schmerzhaften Veränderungen der Wirbelsäule. Dieses Verfahren ist jenen Patienten zu empfehlen, deren Beschwerden durch die Reizung einer oder mehrerer Nervenwurzeln verursacht werden. Eine solche Reizung macht sich durch die Schmerzausstrahlung in Arme oder Beine bemerkbar und kann z. B. durch einen Bandscheibenvorfall verursacht worden sein. Ebenso kann eine Spinalkanalstenose verantwortlich sein. Auch bei einer Arthrose oder einer durch Arthrose bedingten Gelenkentzündung der kleinen Wirbelgelenke erscheint eine CT-gesteuerte Intervention sinnvoll.

Bei der Therapie wird unter computertomographischer Kontrolle eine dünne Kanüle an ein Wirbelgelenk bzw. in den Wirbelkanal vorgeschoben. Durch die Kanüle wird ein geeignetes Medikament im Umfeld der Wurzel (peri = um, herum; radikulär = die Wurzel betreffend) injiziert. Dadurch kann eine hohe örtliche Wirkung der Substanz an der umspritzten Wurzel des gereizten Nervens erreicht werden. Diese Behandlung wird zumeist im Abstand von 4 bis 6 Wochen mehrfach wiederholt. Die Kontrolle der Computertomographie gewährleistet die hohe Präzision und Sicherheit des Behandlungsablaufes. So werden der notwendige Stichwinkel sowie die erforderliche Punktionstiefe zuvor exakt im CT-Schnittbild am Monitor ermittelt. Zudem können die eingesetzte Kanüle bzw. ein zur Lokalisationskontrolle verwendetes Kontrastmittel im Bild lokalisiert und überprüft werden, bevor die vorgesehenen Medikamente injiziert werden.

Komplikationen und Nebenwirkungen der Therapie sind äußerst selten und werden – wenn überhaupt – eher durch die verabreichten Medikamente hervorgerufen. Selbstverständlich steht vor jedem Eingriff eine exakte Analyse der vorliegenden Beschwerden anhand der Anamnese des Patienten sowie der Ergebnisse der bildgebenden Diagnostik auf dem Plan.

Auch bei einer Arthrose oder einer durch Arthrose bedingten Gelenkentzündung der kleinen Wirbelgelenke, der sog. Facettenarthrose erscheint eine CT-gesteuerte Intervention sinnvoll.

Die Facetteninfiltration

Diese Therapieform ist als Facetteninfiltration bekannt. Bei dieser Methode werden, ebenfalls unter CT- oder Röntgenkontrolle, eine geringe Menge Betäubungsmittel sowie Kortison direkt an die kleinen Wirbelgelenke gespritzt. Der kontinuierlich zunehmende Verschleiß dieser Gelenke sowie der Bandscheibe bildet die häufigste Ursache für chronische Rückenschmerzen. Durch den Substanzverlust der Bandscheiben werden die Facettengelenke immer fester aufeinandergepresst und die Knorpelmasse innerhalb der Gelenke überlastet, bzw. sukzessive zerstört. Das hat zugleich eine relative Instabilität zwischen den Wirbelkörpern und eine chronische Entzündung mit Schwellung des umliegenden Gewebes zur Folge.

Durch die Facetteninfiltration wird eine spürbare Entzündungsreduktion im Bereich der betroffenen Wirbelgelenke und eine Abnahme der Schwellung im umgebenden Gewebe erzielt, sodass der Druck auf die betroffenen Nerven abnimmt und der Schmerz zurückgeht.

Sollte eine solche Behandlung aufgrund des individuellen Befundes indiziert sein, wird nach abgeschlossener Diagnostik ein Termin zur Facetteninfiltration vereinbart, zu dem keine besondere Vorbereitung notwendig ist. Bei der Behandlung werden die betroffenen Wirbelgelenke mit einer Mischung aus Betäubungsmittel und Entzündungshemmer (Kortison) angespritzt. Dieser Eingriff kann, falls erforderlich, bis zu dreimal pro Gelenk in einem zeitlichen Abstand von mindestens einer Woche wiederholt werden.

Bei der Facetteninfiltration unter CT-Kon­trolle ist das Risiko, etwaige Schäden an den Nerven zu verursachen, aufgrund der Genauigkeit der Geräte als sehr gering einzuschätzen. Und auch die Strahlenbelastung ist nur gering. Wie bei jeder medikamentösen Therapie verbleibt jedoch ein gewisses Restrisiko hinsichtlich allergischer Reaktionen, dem die Aussicht auf eine deutliche Linderung der Schmerzen gegenübersteht.

Die Radiosynoviorthese

Dies stellt auch die Radiosynoviorthese in Aussicht, ein nuklearmedizinisches Therapieverfahren zur Wiederherstellung der durch Gelenkentzündungen beeinträchtigten Gelenkinnenhaut. Bei dem auch oft als RSO abgekürzten Eingriff erfolgt eine durch die lokale Verabreichung schwach radioaktiver Substanzen in den Innenraum des betroffenen Gelenkes bewirkte Bestrahlung der veränderten Bereiche. Die damit verbundene Belastung ist minimal, da die entsprechenden Halbwertzeiten bei nur wenigen Tagen liegen und die eingesetzten Substanzen eine sehr kurze Reichweite haben. Daher wird nur die kranke Gelenkschleimhaut bestrahlt und das angrenzende gesunde Gewebe nicht belastet. Je früher die Radiosynoviorthese im Verlauf der Erkrankung vorgenommen wird, umso größer sind die Erfolgsaussichten. Anhand der bisherigen Erfahrungswerte kann bei bis zu 80 % der Patienten außer einer subjektiven Verbesserung ein Rückgang der entzündlichen Symp­tome angenommen werden. Grundsätzlich können alle Gelenke mit diesem Verfahren behandelt werden, deren Gelenkspalt mit einer Punktionsnadel erreichbar ist. Jedoch verläuft eine RSO umso einfacher, je größer das entsprechende Gelenk ist – was z. B. bei Ellenbogen-, Knie- und Schultergelenken der Fall ist.

Die ACP- oder Eigenbluttherapie

Für chronische Beschwerden der Gelenke – gleich welcher Größe oder Ursache – hat sich in jüngster Zeit die sog. ACP-Therapie als weitere Behandlungsalternative erwiesen. Dieses neuartige Verfahren basiert auf dem Prinzip einer Eigenbluttherapie mit sog. Autologem Conditioniertem Plasma. Schon seit Längerem ist erwiesen, dass die im menschlichen Blut enthaltenen Wachstumsfaktoren verschiedene Heilungsvorgänge positiv beeinflussen können. Auf dieser Erkenntnis wurde die ACP-Therapie entwickelt, bei der mithilfe solcher hoch konzentrierten Wirkstoffe Regenerations- und Aufbauprozesse im geschädigten Gelenkknorpel und Sehnengewebe angeregt bzw. Entzündungsvorgänge gehemmt werden.

Den Beginn jeder Behandlung markiert die exakte Diagnose des betroffenen Gelenkes, z. B. durch eine 3-Phasen-Knochenszintigraphie, sowie die Auswertung des Befundes. Im Anschluss wird eine geringe Menge Blut (etwa 10 bis 15 ml) aus Ihrer Armvene entnommen. Durch ein Trennungsverfahren werden Ihre körpereigene Wachstumsfaktoren in konzentrierter Form für Ihre ganz persönliche Medikamentation gewonnen. Nun folgt die Injektion jener bioaktiven Wirkstoffe in die betroffene Region. Um eine genaue Applikation zu gewährleisten, kann bisweilen eine Kontrolle der Kanüle unter Röntgendurchleuchtung notwendig sein. Unabhängig von der Dauer der Basisdiagnose dauert eine ACP-Behandlung wenig mehr als 30 Minuten und bietet binnen kürzester Frist die Chance auf nachhaltige Linderung und körpereigene Heilungsprozesse. Um eben jene eingangs angeführten „rauen Bewegungen“ in unserem Körper in den Griff zu bekommen. Nachhaltig!

Info

Dabei bedeutet Arthrose für viele Betroffene, insbesondere wenn sie schon in jungen Jahren damit konfrontiert werden, ein Leben mit zermürbenden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen – mit weitreichenden Folgen vom Arbeitsplatzverlust bis zum Verlust jeglicher Lebensqualität. Unterstützung gibt es bei der Deutschen Arthrosestiftung.

Bild: Fotolia/Lonely

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