Artikel erschienen am 20.07.2017
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Fast alle Makulaerkrankungen sind jetzt behandelbar

Von Dr. med. Iris Nachbar, Helmstedt | Dr. med. Juliane Leiser, Wolfenbüttel | PD Dr. med. Tobias Hudde, Wolfsburg-Fallersleben

Es gibt gute Nachrichten für alle, die an einer untypischen oder erblichen Makulaerkrankung mit Gefäßneubildungen (choroidaler Neovaskularisation, CNV) und Makulaödem erkranken (s. Abb. 1). Sie müssen jetzt keine Anträge mehr bei ihrer Krankenkasse stellen. Eine Behandlung mit Anti-VEGF-Medikamenten (VEGF = vascular endothelial growth factor) kann nach einer Zulassungserweiterung von Lucentis® seit November 2016 sofort beginnen.

Die häufigen Makulaerkrankungen (Macula lutea = gelber Fleck, „Stelle des schärfsten Sehens“) nAMD („feuchte“ altersbedingte Makuladegeneration), DMÖ (zuckerbedingtes Makulaödem), Netzhautvenenverschlüsse mit Makulaödem und CNV bei krankhafter Kurzsichtigkeit können schon seit vielen Jahren mit zugelassenen Medikamenten behandelt werden. Oft bleibt dadurch über viele Jahre eine gute Sehschärfe erhalten.

Einige Erbkrankheiten, wie z. B. das Pseudoxanthoma elasticum (PXE), gehen mit „gefäßartigen Streifen“ (Angioid streaks) der Netzhaut einher. Häufig bildet sich dann ab dem 50. Lebensjahr eine CNV, die die Sehfähigkeit bedroht. Ähnlich wie bei den stark kurzsichtigen Menschen muss hier häufig eine Berufsunfähigkeit vermieden werden. Weil jede einzelne untypische und erbliche Erkrankung selten ist, in der Summe aber doch viele Menschen betroffen sind, wurde die Wirksamkeit von Lucentis® in einer groß angelegten Studie, in die alle seltenen Erkrankungen eingeschlossen wurden, analysiert.

Weitere Medikamente auf Kortison- bzw. Enzymbasis (Dexamethason bzw. Ocriplasmin) bereichern das therapeutische Repertoire, zu dem auch der Argonlaser und in Einzelfällen die Photodynamische Therapie (PDT) sowie Operationen (wir berichteten) zählen. Für eine bestmögliche Behandlung jedes einzelnen Patienten sind neben der Anamnese und einer zielgerichteten Diagnostik angepasste Therapieschemata erforderlich. Eine kluge Planung ermöglicht oft dauerhaft gutes Sehen und kann zahlreiche Augenarztbesuche einsparen helfen.

Vor 20 Jahren konnten Augenärzte Patienten mit Makulaerkrankungen nur trösten. Heute ist eine Behandlung z. B. der feuchten AMD mit Anti-VEGF-Medikamenten Standard. Weil eine vollständige Heilung nur selten möglich ist, müssen fast alle Patienten mit Makulaerkrankungen dauerhaft zu Kontrollen bzw. zu Behandlungen kommen. Der demografische Wandel sowie Ernährungsgewohnheiten (Zuckerkrankheit) bewirken, dass laufend neue Patienten mit Makulaerkrankungen dazukommen. Dies macht eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Augenärzten – egal, ob in der Einzelpraxis vor Ort oder in spezialisierten Zentren – erforderlich. Ziel ist es, mit so wenig Untersuchungen und Behandlungen wie möglich die Sehschärfe dauerhaft zu erhalten.

Anamnese

Je plötzlicher und ausgeprägter eine Sehstörung ist, desto schneller muss eine augenärztliche Untersuchung erfolgen. Eine schleichende Verschlechterung über Jahre liegt meist an einer Linsentrübung (grauer Star) oder an einer sog. trockenen AMD. Typisch für Makulaerkrankungen ist neben der nachlassenden Sehschärfe ein Verzerrtsehen; Linien z. B. auf einem Rechenblatt erscheinen nicht mehr gerade. Bei allen sog. feuchten Makulaerkrankungen mit Schwellung des Netzhautgewebes liegt ein Notfall vor, der schnellstmöglich behandelt werden sollte.

Diagnostik

Obwohl immer noch nicht bei den gesetzlichen Krankenkassen erstattungsfähig, ist die optische Kohärenztomographie (OCT) die wichtigste diagnostische Untersuchung, besonders für den Verlauf einer Makulaerkrankung. Hierbei werden mit Licht ähnlich wie beim Ultraschall hochauflösende Schnittbilder der Netzhaut angefertigt. Mit Computeralgorhythmen kann im Verlauf jede Stelle der zentralen Netzhaut exakt wieder aufgesucht und Veränderungen berechnet werden. Ein Beispiel für eine seltene Augenerkrankung mit Gefäßneubildung (choroidaler Neovaskularisation, CNV) ist in Abb. 1 dargestellt. Weiter ist die Fluoreszenzangiografie, bei der mit einem gelben Farbstoff (Fluoreszein) oder grünen Farbstoff (Indozyaningrün, selten gebraucht) die Netzhaut- und Aderhautgefäße dargestellt werden, in der Diagnostik hilfreich.

Abb. 1: OCT-Bild einer seltenen Augenerkrankung (Chorioretinopathia centralis serosa) mit einer Gefäßneubildung (CNV). Flüssigkeit unter der Netzhaut ist mit einem (*) gekennzeichnet. Eine Therapie mit Anti-VEGF-Medikamenten ist wirksam.

Therapieschemata

Weltweit durchgesetzt hat sich das Therapieschema „Treat-and-extend“. Nach drei bis fünf monatlichen Spritzen in den Glaskörper des Auges (Aufsättigungsphase) wird auch bei verschwundenem Makulaödem in größer werdenden Abständen behandelt. Dabei finden die Kontrolluntersuchung und Behandlung möglichst am gleichen Tag statt, sodass Arztbesuche reduziert werden können. Erst bei erneut auftretenden Krankheitszeichen wird das Intervall wieder verkürzt.

In der Vergangenheit musste laut Zulassungstext nach einer dreimaligen Behandlung mit einem Anti-VEGF-Medikament eine Therapiepause eingelegt werden, bis erneut Krankheitszeichen auftraten. Die Folge war, dass insgesamt zu wenige Behandlungen erfolgt sind. Glücklicherweise können Augenärzte heute nach einem festen Schema (monatlich bzw. zweimonatlich), in größer werdenden Abständen („Treat-and-extend“-Schema) oder an Krankheitszeichen angepasst („Pro-Re-Nata“-Schema) behandeln. So gelingt es häufiger als vor wenigen Jahren nicht zu selten, aber auch nicht zu häufig zu behandeln.

Neue Medikamente, auch zur Behandlung der trockenen AMD (z. B. Lampalizumab), werden vo­raussichtlich bald zugelassen. Welchen Stellenwert eine Bestrahlungsbehandlung (IRay®-Therapie) bei bestimmten Formen der feuchten AMD hat, muss sich noch zeigen. Auf jeden Fall werden Makula­erkrankungen auch in Zukunft einen großen Teil der augenärztlichen Tätigkeit ausmachen. Die Behandlung ist heute schon eine Erfolgsgeschichte.

Bild: Fotolia/Axel Kock, Augenzentrum Wolfsburg

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