Fokussiertes Training für den Körper
EMS-Training wird immer stärker nachgefragt – Zeitersparnis ist ein großer Vorteil
Von Christian Haertle, Braunschweig
Falk-Martin Drescher im Interview mit Christian Haertle, Geschäftsführer der Hygia-Gruppe
Herr Haertle, was ist das Prinzip von EMS-Training?
Christian Haertle: Bei der Elektromuskelstimulation wird mit Stromimpulsen – sprich Reizstrom – gearbeitet. Man zieht einen Anzug an, auf oder in diesem sich Elektroden befinden, die im Grunde auf die größten Muskeln ansprechen. Das heißt: Brust, Rücken, Arme, Beine, Bauch, unterer Rücken. Dann erhält der Trainierende niedrige, für üblich drei bis vier Sekunden anhaltende, Stromimpulse. Dadurch kontrahiert der entsprechende Muskel. Diese Logik kann durch zusätzliche Übungen verstärkt werden. Sprich: Will ich die Beine trainieren, wird dort mit den Impulsen angesetzt – und es werden etwa Kniebeugen dazu gemacht. Bei den Armen wären es bspw. zusätzliche Bizepsübungen. Das ist in der Kombination ein sehr effektives und effizientes Training. Durch die Stromimpulse wird ferner die Tiefenmuskulatur erreicht – das ist gerade auch im Bereich des Rückens eine große Hilfe, bei Rückenstrecker, Latissimus & Co. Der Reizstrom erreicht außerdem die querliegenden Muskeln, auch bei der Wirbelsäule, die Wirbel halten und stützen.
Ein Vorteil des EMS-Trainings ist auch, dass es sehr gelenk- bzw. bänder- sowie sehnenschonend abläuft. Man arbeitet zumeist nur mit dem eigenen Körpergewicht oder setzt Gewichte ein, die weitaus weniger schwer sind als beim Bodybuilding oder Fitnesstraining. Das geht mitunter nämlich schon auf die Gelenke. Allerdings sollten die Nutzer bedenken, dass Bänder und Sehnen bei EMS nur sehr mäßig mittrainiert werden. Wer sich auf einen Halbmarathon vorbereitet, der sollte keinesfalls allein auf EMS setzen.
Sie haben selbst ein EMS-Studio. Wie sind Sie auf die Thematik aufmerksam geworden?
Christian Haertle: In meiner damaligen Zeit in Wien, also vor rund 12 Jahren, habe ich EMS kennengelernt – die Thematik ist nicht gänzlich neu. In der Region gibt es mittlerweile diverse Mitbewerber, die den Markt für sich erkannt haben.
Von außen betrachtet wirkt EMS mitunter erst einmal unüblich. Was haben Sie damals gedacht?
Christian Haertle: Von Leistungs- und Spitzensportlern aus meinem Umfeld wurde ich damals durchaus etwas belächelt. „Was soll das denn bringen?“ und andere Fragen musste ich mir dann anhören. Mit einigen dieser Sportler habe ich dann schließlich gemeinsam trainiert: Selbst absolute Profis sind dabei ins Schwitzen gekommen. Danach haben sie verstanden, worum es mir mit EMS-Training geht. Wichtig ist dabei, dass Einsteiger langsam an EMS herangeführt werden. Deswegen spielt die persönliche Betreuung auch eine so große Rolle. Selbst an den Geräten herumzuspielen und sie „nach Gefühl“ einzustellen, davon würde ich Unerfahrenen abraten. Deswegen werden – auch bei uns – immer stärker Systeme eingesetzt, die sich nur über den Trainer, etwa mithilfe eines iPads, konfigurieren lassen.
Wie erklären Sie sich die zunehmende Popularität von EMS in den vergangenen Jahren?
Christian Haertle: Es ist ein zeiteffektives Training. Das reine EMS-Training dauert 20 Minuten: Dabei wird der gesamte Körper trainiert. Theoretisch würde – wie angesprochen – ein Training je Woche sogar ausreichen. Normalerweise würde ich davon abraten, nur einmal wöchentlich Sport zu treiben – weil es schlicht zu wenig wäre. Bei EMS hingegen ist das etwas anderes. Und das ist es sicherlich auch, was viele reizt: Die Zeitersparnis.
Würden Sie EMS eher dem Bereich Fitness oder eher der gesundheitlichen Prävention zuordnen?
Christian Haertle: Das lässt sich gar nicht so sehr festlegen. Die Anwendung kommt normalerweise aus der Physiotherapie: Gelenk- oder Knochenprobleme wurden oder werden damit langsam und stetig behandelt. Es kann sehr gezielt trainiert werden, ohne dass man die Knochenbänder belastet. Das ist der Kern – dabei passt es allerdings sowohl zum Fitness-Thema als auch zur Arbeit mit der allgemeinen Gesundheit.
Worauf sollte man beim EMS-Training aus Ihrer Sicht achten?
Christian Haertle: Für viele spielt das System eine Rolle. Das kabellose System von Vision Body, das wir ebenfalls einsetzen, erlaubt mehr Möglichkeiten. Bei kabelgeführten Systemen ist das Training etwas statischer und unflexibler, die Bewegungsamplituden sind kürzer. Ohne Kabel ergeben sich mehr Übungsmöglichkeiten unterstützend zum EMS-Einsatz – Bänder, Muskeln und Sehnen können einfacher mittrainiert werden.
Für welche Zielgruppen würden Sie EMS empfehlen?
Christian Haertle: Im Grunde genommen kann man mit circa 15 Jahren starten – wobei das sicherlich eine Generation ist, die gerne ins Studio an die Geräte geht. Gerade für die älteren Generationen, für die Sport und Bewegung allgemein immer wichtiger wird – die vielleicht auch Beschwerden mit Rücken und Gelenken haben –, ist es eine interessante Maßnahme. Es können ganz gezielt Muskeln trainiert werden, ohne dass der Trainierende befürchten muss, sich zu verletzen.
Was raten Sie jemandem, der sich mit der Materie noch nicht auskennt und mehr erfahren möchte?
Christian Haertle: Am besten mal in ein Studio gehen, ein kostenloses Probetraining vereinbaren und es sich anschauen. Probleme oder bestimmte Beschwerden sollten im Vorfeld signalisiert und besprochen werden – es gibt gewisse Kontraindikationen, dazu gehören unter anderem Herzschrittmacher, Tumore oder auch metallische Elemente im Körper, etwa als Bestandteil von Gelenken. Wenn man mit dem Herzen Probleme hat, sollte vorab auch ein Gespräch mit dem Hausarzt zur Abklärung gesucht werden.
In welchem Rhythmus sollte EMS trainiert werden, um langfristig Erfolge erzielen zu können?
Christian Haertle: Es kommt grundsätzlich auf die persönlichen Ziele an. Wo möchte ich hin, welche Ziele will ich erreichen? Sollen Muskeln aufgebaut werden, dann empfiehlt sich ein Training zweimal wöchentlich mit intensiverem Programm. Geht es eher um die körperliche Fitness, können auch einmal 20 Minuten je Woche ausreichend sein.
Wohin wird sich die EMS-Thematik noch entwickeln?
Christian Haertle: Mit so vielen Innovationen ist aus meiner Sicht nicht mehr zu rechnen. Sicherlich werden die Systeme noch weiterentwickelt – man denke an den Schritt zu kabellosen Systemen. Ich denke allerdings nicht, dass noch große neue Meilensteine folgen.
Bild: Philipp Ziebart