Artikel erschienen am 06.12.2018
E-Paper

Herzklappenchirurgie im Zeitalter von Herzzentrum, Heart Team und Hybrid-OP

Von PD Dr. Wolfgang Harringer, Braunschweig

Kaum eine Therapie in der Herzchirurgie hat sich in der letzten Dekade einschneidender verändert, als die Behandlung der valvulären Herzerkrankungen.

Im Bereich der Aortenklappenchirurgie galt über Jahrzehnte der chirurgische Aortenklappenersatz mittels biologischer oder mechanischer Prothese als einzige kausale Therapieoption der hochgradigen Aortenklappenverengung. Initial erfolgte die Operation über eine komplette (Längsdurchblutung des Brustbeins. Sternum) unter Verwendung der Herz-Lungen-Maschine. Durch Optimierung der chirurgischen Techniken und des Designs der Herzklappen­prothesen werden heute sehr geringe Operationsrisiken und lange Prothesenhaltbarkeiten erzielt sowie minimal-invasive Implantationstechniken ermöglicht.

Mit der ersten erfolgreichen Implantation einer Transkatheter-Aortenklappe (TAVI) durch Alain Cribier im Jahre 2002 erfolgte eine rasante Weiterentwicklung dieser innovativen Klappenprothesen. Nach initialen Zulassungsstudien hat sich die Behandlung mittels TAVI, die größtenteils über die Leistenschlagader oder seltener die Herzspitze implantiert werden, für Patienten mit einem erhöhten chirurgischen Risiko oder fortgeschrittenem Alter als Standardtherapie etabliert. In groß angelegten Multicenterstudien konnte gezeigt werden, dass die TAVI für diese Patienten die Therapie der Wahl ist und der medikamentösen Therapie überlegen ist.

Auch im intermediären oder mittleren Risikobereich stellt die TAVI nach kürzlicher Änderung der europäischen Leitlinien eine mögliche Therapieoption dar. Dies erhöht die Komplexität der korrekten Therapie­empfehlung und der strukturellen Anforderungen an das Herzzentrum, die in einem GBA-Beschluss und den aktuellen europäischen Leitlinien definiert wurden. Idealerweise erfolgt die TAVI in einem Hybrid-OP, in dem Operationssaal und modernste Bildgebung eine Einheit bilden und somit der sofortige Wechsel zur offenen chirurgischen Therapie beim Auftreten von Komplikationen möglich ist. Die personellen Anforderungen erfüllt das Heart Team, bestehend aus Herzchirurgen, interventionellen Kardiologen, Echokardiographie-Spezialisten und Anästhesisten. Dieses interdisziplinäre Team beurteilt präoperativ jeden Patienten und die Befunde und legt ein individuelles Behandlungskonzept fest. Dieses führt zu einer immer engeren Verzahnung der Fachdisziplinen und zu einer optimalen Patientenversorgung mit exzellenter Qualität und größtmöglicher Sicherheit für den Patienten.

Auch die Therapieplanung weiterer valvulärer Herzerkrankungen, wie z. B. der Herzklappenfehler, erfolgt im Heart Team. Bei Vorliegen einer isolierten hochgradigen Mitralklappeninsuffizienz stellt die chirurgische Rekonstruktion der Klappe in minimal-invasiver Technik unter Verwendung der Videos­kopie den aktuellen Standard dar. Die Kombination verschiedener Rekonstruktionstechniken führt zu einem exzellenten chirurgischen Behandlungsergebnis mit langer Haltbarkeit, welches bisher durch Kathetertechniken nicht erreicht werden kann.

Für inoperable Patienten mit speziellen Mitralklappenpathologien stehen kathetergestützte Therapieoptionen, wie z. B. die MitraClip- oder Cardioband-Implantation zur Verfügung. Weiterhin befinden sich eine Vielzahl verschiedener Transkatheter-Mitralklappenprothesen in der klinischen Erprobung. Es ist somit nur eine Frage der Zeit, bis auch hier die Grenzen der einzelnen Fachdisziplinen – interventionelle Kardiologie und Herzchirurgie – immer mehr miteinander verschmelzen. Der Schlüssel zum Erfolg ist auch hier die enge interdisziplinäre Verzahnung im Herzzentrum, um den Patienten aus sämtlichen Therapie­optionen die optimale Versorgung in exzellenter Qualität anbieten zu können.

Bild: Jörg Scheibe

Ähnliche Artikel

Gesundheit

Neue Entwicklungen in der minimalinvasiven Chirurgie

Stichwort „Schlüssellochchirurgie“

Das minimal-invasive Operieren erlaubt es heute, eine Vielzahl von Operationen in sehr schonender und kosmetisch vorteilhafter Weise auszuführen. Technische Neuentwicklungen wurden erfolgreich vorangetrieben. Kon­traindikationen gegen das minimal-invasive Verfahren sind bei den heutigen schonenden Narkoseverfahren selten geworden.

Braunschweig 2012 | PD Dr. Dr. med. Uwe Johannes Roblick

Gesundheit

Neues endoskopisches Verfahren zur Vollwandresektion

Seit 2014 gibt ein neues Verfahren, das es erlaubt, breitbasige Polypen und frühe Tumorformen ohne chirurgischen Eingriff im Dickdarm zu entfernen – die endoskopische Vollwand-resektion. Das Verfahren darf erst nach einer entsprechenden zertifizierten Schulung eines Teams aus Arzt und Endoskopieassistenz und nur von diesem angewendet werden.

Braunschweig 2017/2018 | Dr. med. Johannes Linder, Braunschweig