Artikel erschienen am 13.11.2018
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Patient Krankenhaus

Von Dr. med. Andreas Goepfert, Braunschweig | Dr. med. Thomas Bartkiewicz, Braunschweig | Ulrich Heller, Braunschweig

Verfolgt man die Medien, dann scheint das deutsche Krankenhauswesen sein eigener und größter Patient zu sein. Schlagwörter wie Pflegenotstand, Ärztemangel, Kostendruck oder Privatisierung dominieren die Überschriften. Wie sieht es mit dem Klinikum Braunschweig, einem der größten Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft in Niedersachsen, aus? Ein Interview mit Geschäftsführer Dr. Andreas Goepfert, dem Ärztlichen Direktor Dr. Thomas Bartkiewicz und Pflegedirektor Ulrich Heller.

Sehr geehrter Herr Dr. Goepfert, was ist los im deutschen Krankenhauswesen und trifft es auch Ihr Haus?
Dr. A. Goepfert: Krankenhäuser in Deutschland stehen unter einem großen wirtschaftlichen Druck, dieses gilt auch für Häuser in kommunaler Trägerschaft. Einerseits werden erbrachte Leistungen durch die Krankenkassen nicht immer kostendeckend refinanziert, wie z. B. die Notaufnahmen, andererseits gibt es einen hohen Investitionsbedarf in den Bereichen Infrastruktur und Medizintechnik. Auch wir stehen vor diesen Herausforderungen.

Was heißt das konkret für das Klinikum Braunschweig?
Dr. A. Goepfert: Das ist sehr vielschichtig. Nur zwei Beispiele: Im Bereich der Infrastruktur stehen wir vor dem Problem, dass viele unserer Gebäude sehr alt sind. Dieses macht kontinuierliche Instandhaltungs- und Modernisierungsarbeiten notwendig und das bei laufendem Betrieb. Auch im Bereich der Medizintechnik ist die Entwicklung rasant. Stichwort Digitalisierung. Hier muss man ständig „am Ball bleiben“.

Wie reagieren Sie auf diese Problematik?
Dr. A. Goepfert: In dem wir sie aktiv angehen und langfristige, flexible Lösungen entwickeln. Natürlich müssen die alten Häuser instandgehalten werden, aber gleichzeitig entwickeln wir unser 2-Standorte-Konzept weiter.

Es geht jetzt nicht nur um die Aufgabe des Standortes Holwedestraße, sondern um Veränderungen in der Organisationsstruktur des Klinikums als Ganzes. Im Bereich der Medizintechnik haben wir z. B. durch die strategische Technologiepartnerschaft mit Siemens Healthineers einen neuen Weg eingeschlagen, der uns langjährige Planungs- und Kostensicherheit bei gleichzeitig kontinuierlicher Ausstattung mit modernster Technik gewährleistet.

In anderen Bereichen entwickeln wir andere Lösungsstrategien. Insgesamt sehe ich daher das Klinikum Braunschweig gut für die Zukunft vorbereitet, weil sich auch das Klinikum inmitten eines positiven Wandels befindet.

Kommen wir zu anderen Bereichen. Welche Wege beschreitet das Klinikum Braunschweig in Ihrem Bereich, Herr Dr. Bartkiewicz?
Dr. T. Bartkiewicz: Unser wichtigstes Ziel ist es natürlich, die hohe Qualität der Versorgung nicht nur zu halten, sondern sie kontinuierlich zu verbessern und unsere medizinischen Angebote und Verfahren auszubauen. Hierzu gehören zum Beispiel u. a. minimal-invasive Verfahren in den Bereichen Chirurgie, Herzchirurgie, Kardiologie oder Schlaganfallversorgung. Wir werden dadurch auch in Zukunft als Maximalversorger den Menschen in der Region weiterhin eine medizinische Versorgung auf universitärem Niveau bieten.

Wie wollen Sie das schaffen?
Dr. T. Bartkiewicz: Trotz aller Technologiesprünge liegt die Diagnose und Therapie auch in Zukunft in den Händen von qualifizierten Ärztinnen und Ärzten. Diese zu gewinnen – und zu halten –, ist daher besonders wichtig. Leider ist der Arbeitsmarkt in diesem Sektor „heiß“ umkämpft. Außerdem hat Braunschweig bei jungen Medizinern nicht unbedingt den gleichen Attraktivitätslevel wie Berlin oder München. Viele lernen dann aber das Klinikum und die Stadt zu schätzen. Unser Vorteil ist, dass wir als Maximalversorger jungen Ärzten verlässliche Weiterbildungsmöglichkeiten anbieten, die sie in dieser Form nicht überall finden können. Hierzu gehören z. B. Rota­tionsverfahren zwischen unseren einzelnen Fachabteilungen oder die Verbundweiterbildung zum Allgemeinmediziner mit hiesigen niedergelassenen Ärzten. Vor allem aber bieten wir Praxisbezug. Die jungen Medizinerinnen und Mediziner kommen in direkten Kontakt mit den Patientinnen und Patienten.

Stichwort Universität. Im vergangen Jahr hat das Klinikum mit der Universitäts­medizin Göttingen eine Kooperation vereinbart. Was hat es damit auf sich?
Dr. T. Bartkiewicz: An der Universitätsmedizin Göttingen absolvieren mehr Studierende ihre vorklinische Ausbildung, als nach der 1. Ärztlichen Prüfung Plätze für die klinische Ausbildungszeit zur Verfügung stehen. Sie müssen dann an andere Universitäten, oft in anderen Bundesländern, wechseln. Da erfahrungsgemäß viele Mediziner ihre Berufslaufbahn im Umfeld ihrer letzten Ausbildungsstätte starten, gehen sie so für Niedersachsen verloren. Durch die Schaffung einer dem Klinikum angegliederten sog. Campus-Universität können sie dann ihr Studium in Niedersachsen weiterführen. Natürlich hoffen wir, dadurch einige von ihnen für unser Haus zu gewinnen. Der Studienbetrieb am Campus Braunschweig soll zum Wintersemester 2020/21 starten.

Sie nannten auch den medizinischen Bereich. Was ist dort geplant?
Dr. T. Bartkiewicz: Unser Ziel ist es, neben den bereits genannten Maßnahmen, unsere Zentrumsstrukturen auszubauen. Das heißt zum einen, dass wir die interdisziplinäre Zusammenarbeit unserer Fachabteilungen weiter verstärken und andererseits die medizinischen Angebote unserer bestehenden Zentren erweitern werden.

So werden wir in der Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie unsere Leistungsangebote in der Versorgung herzinsuffizienter Pa­tientinnen und Patienten sowie von Kunstherzpatienten erweitern. Im Bereich der Onkologie werden wir durch die Zertifizierung weiterer onkologischer Bereiche das Cancer Center Braunschweig ausbauen, wie wir es in diesem Jahr bereits durch die Gründungen des Kopf-Hals-Tumorzentrums und des Lungenkrebszentrums getan haben.

Keine medizinische Versorgung ohne Pflege, gleichzeitig werden überall händeringend Pflegefachkräfte gesucht. Wie steht es um die Krankenpflege im Klinikum, Herr Heller?
U. Heller: In der Tat ist der Arbeitsmarkt nahezu leergefegt. Glücklicherweise haben wir als Klinikum eigene Ausbildungseinrichtungen, an denen wir unsere Pflegefachkräfte, aber auch Hebammen und Notfallsanitäter, selber ausbilden. Unsere Schulen haben einen guten Ruf und ziehen daher Interessentinnen und Interessenten aus der ganzen Region an, von denen viele nach Abschluss der Ausbildung auch bei uns bleiben. In den letzten Jahren haben wir die Ausbildungskapazitäten erhöht, um dem gestiegenen Bedarf gerecht zu werden. Beispielsweise haben wir jetzt jährlich drei statt zwei Kurse für Hebammen.

Reicht das aus?
U. Heller: Die oben genannte Maßnahmen reichen alleine nicht aus. Wir müssen auch die Attraktivität des Klinikums als Arbeitgeber kontinuierlich verbessern, z. B. durch innovative Arbeitszeitmodelle, Weiterbildungsmöglichkeiten, Programme für Wiedereinsteigerinnen, Kinderbetreuung etc. Vor allem dürfen wir nicht nachlassen, für den sehr anspruchsvollen und sinngebenden Beruf Krankenpflege zu werben.

Wie sieht die Zukunft der Pflege aus Ihrer Sicht als Pflegedirektor aus, Herr Heller?
U. Heller: Ähnlich wie im medizinischen Bereich, steigen auch in der Pflege mit jeder Weiterentwicklung der Medizin die Anforderungen an die Mitarbeitenden. Als Beispiele möchte ich hier nur die Bereiche Intensiv- und Palliativmedizin nennen. Gerade die Palliativmedizin gewinnt immer mehr Bedeutung. Hier reagieren wir einerseits mit einer Anpassung des Ausbildungskanons als auch mit einer entsprechenden Schulung des bereits vorhandenen pflegerischen Personals. Da­rüber hinaus unterstützen wir die Akademisierung der Ausbildung, indem wir z. B. vier Schülerinnen und Schülern pro Jahr ermöglichen, während ihrer Ausbildung zeitgleich ein Bachelorstudium im Bereich Pflege zu beginnen. Wir stehen in der Pflege also vor großen Veränderungen.

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