Artikel erschienen am 09.01.2025
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Erhalt vs. Prothese an Schulter u. Hüfte

Gelenkerhaltende Arthroskopie und Endoprothese als individuelle, abzuwägende Option.

Von Prof. Dr. med. Lars Victor von Engelhardt, Peine

Foto:Adobe Stock / Sebastian Kaulitzki

Je früher, desto besser

Degenerativ bedingte Gelenkschmerzen beeinträchtigen nicht nur die Alltagsaktivitäten. Das Spektrum reicht von Schmerzepisoden, Rückzug aus Sport- und Freizeitaktivitäten, Verstimmungen bis hin zu Schlafstörungen und Depressionen. Am Schulter- und Hüftgelenk bieten effektive arthroskopische Verfahren gute Outcome- und Return-to-Sports-Ergebnisse.

Bei allen Formen der Schulterarthrose besteht das Bild einer bindegewebigen Kapselentzündung mit Bewegungslimitierungen. Neben den primären Arthrosen gibt es oft auch sekundäre Formen, wobei es sich oft um eine Dezentrierung mit einem entsprechenden Gelenkabrieb handelt. Bei den sekundären Arthrosen sollten die Ursachen adressiert werden. Ein gutes Beispiel sind arthrotische Veränderungen bei gleichzeitigen Schäden der Rotatorenmanschette. Dies findet sich in bis >30% der Arthrosefälle, wobei sich neben zunehmenden Schäden der Manschette auch eine Dezentrierung mit einem signifikant vermehrten Arthroseprogress zeigt. Vergleichende Studien bei Patienten mit und ohne arthrotische Veränderungen zeigen nach arthroskopischer Rekonstruktion der Manschette gleichwertige Ergebnisse. Dabei ist die Naht nicht nur zur Beseitigung von Schmerzen und funktionellen Einschränkungen, sondern auch zur Wiederherstellung der Zentrierung mit reduzierter Progredienz der Arthrose wertvoll.

Auch darüber hinaus wurden Gelenkerhaltende Arthroskopien bei der Schulterarthrose weiterentwickelt. Diese zeichnen sich durch kombinierte Maßnahmen aus, die die individuellen Pathologien adressieren. Diese Konzepte sind unter dem Begriff „Comprehensive Arthroscopic Management“ bekannt. Basismaßnahmen sind ein Debridement mit Chondroplastik der Gelenkflächen, die Wiederherstellung der Beweglichkeit mit einer Lösung der verdicken, verkürzten Gelenkkapsel und die Entfernung evtl. freier Gelenkkörper. Überbauten werden entfernt, wenn sie die Beweglichkeit beschränken. Bei klinischer Relevanz erfolgt eine Neurolyse. Befundabhängig erfolgen eine Akromioplastik, eine Resektion der lateralen Klavikula, eine Versorgung der langen Bizepssehne usw. Diese Prozeduren zeigen nach einem Minimum-Follow-up von 5 Jahren eine gute Schulterfunktion und hohe Patientenzufriedenheit. Eine vergleichende Studie zeigt Outcomescores, die im Range der anderen, gesunden Seite bzw. im oberen Range moderner endoprothetischer Versorgungen liegen. Risikofaktoren für ein langfristig reduziertes Outcome sind Abflachungen des Kopfes, stark verschmälerte Gelenkspalten (7mm), sowie eine aufbrauchte Gelenkpfanne.

Foto: Klinikum Peine

Abb. 1

Die häufigste Ursache der Hüftarthrose ist das Anschlagen bzw. Impingement der Gelenkpartner. Meist führt ein zirkumferenter Knochenanbau an der Grenze vom Hüftkopf zum Schenkelhals und ein Überbau der Pfanne zu einer mangelhaften Gelenkkongruenz (Abb. 1). Das Bewegungsspiel ist dezentriert, die Druckverteilung ist mit überlasteten Regionen unphysiologisch. Die vermehrten Scher- und Druckkräfte führen zu Schäden der Gelenkflächen und im Weiteren zum Vollbild der Arthrose. Anfangs kommt zu einer leichten Einschränkung der Innendrehung und im Verlauf zur 3-dimensionalen Bewegungsstörungen. Zu Beginn wird das Impingement bei größeren Bewegungen, tiefen Sitzen, Aufsteigen auf ein Fahrrad und div. Sportaktivitäten spürbar. Neben bewegungsabhängigen Schmerzen können auch Steifheits- od. Blockierungsgefühle auftreten. Die knöcherne Korrektur beseitigt die Überbauten und stellt ein anschlagfreies, verschleißarmes Bewegungsspiel wieder her (Abb. 1). Assoziierte Gelenkschäden, bspw. an der Gelenklippe, werden adressiert. Dies beseitigt die Beschwerden und hält die Arthroseprogression auf. Dabei zeigt das arthroskopische gegenüber dem offenen Vorgehen ein etwas besseres Outcome und niedrigere Komplikationsraten. Auch sind ein geringeres Weichteiltrauma, gute kosmetische Ergebnisse und eine vglw. schnelle Rehabilitation mit der bei uns auf eine Nacht verkürzten Verweildauer zu nennen. Auch bei arthrotischen Schäden zeigen die arthroskopischen Impingmentoperationen signifikante Verbesserungen der Hüftfunktion und entsprechend hohe Return-to-Sports Raten. Eine vergleichende Analyse zum Outcome arthroskopischer Korrekturen bei einer milden Arthrose im Vergleich zu entsprechenden Patienten ohne Arthrose zeigte in beiden Gruppen nach 5 Jahren vergleichbare, sehr gute Ergebnisse. Auch bei mittel- und höhergradigen Arthrosen und gleichzeitigem Impingement zeigen Nachuntersuchungen nach 2-5 Jahren gute Ergebnisse. Die Raten für eine im Verlauf dennoch nötige Prothese liegen hier bei 8-20%. In den Langzeitergebnisse nach 10 Jahren ist dies bei mittelgradigen Arthrosen in ca. 30% der Fälle nötig. Daher ist bei mittelgradigen Arthrosen auf weitere Befunde zu achten. Bspw. liegt der Cut-off-Wert für die Gelenkspaltweite, bei dem die Erfolgschancen sinken, wiederum bei 2mm.

Foto: Klinikum Peine

Abb. 2

Gelenkersatz – je schonender und physiologischer, desto besser

Ist der Ersatz an der Schulter erforderlich, bieten stielfreie Implantate deutlich bessere Möglichkeiten zum Erhalt der Gelenkgeometrie und damit der physiologischen Gelenkbeweglichkeit (Abb. 2). Wird auch die Pfanne mitversorgt, sichert dies exzellente Langzeitergebnisse. Sind die Sehnen bereits irreparabel geschädigt, bieten sog. inverse Implantate sehr gute Ergebnisse. Auch hier wird mit knochenschonenden, schaftfreien Implantaten die gewünschte inverse Gelenkgeometrie sicher erzielt. Dies geht mit einem guten klinischen Outcome und einer langfristig günstigen Belastung des Knochens einher. Bei der Hüftendoprothese kommt je nach der individuellen Situation der Kurzschaft, ein zementfreier Standardschaft und äußerst selten ein zementierter Schaft in Frage.

Moderne, knochensparende Schäfte, wie moderne Kurzschäfte, erlauben eine minimalinvasive Implantation und damit eine muskel- und weichteilschonende OP. Vor allem ermöglichen sie eine individuelle Rekonstruktion der Gelenkgeometrie (Abb. 2). Der Erhalt der Geometrie der hüftführenden Muskulatur ist neben der intraoperativen Schonung für eine rasche, schmerzarme Rehabilitation und gute Langzeitergebnisse entscheidend. Die weit oben am Femur verankernden Schäfte erlauben eine physiologische Knochenbelastung im oberen Oberschenkel. Konventionelle Geradschäfte gehen mit einer unphysiologischen, tiefen Kraftübertragung im Oberschenkel einher. Dies führt zu einem Knochenabbau der oberen Abschnitte. Langzeitprobleme sind Prothesenlockerungen und eine Devitalisierung des Knochens mit Schäden der ansetzenden Muskulatur. Schäfte, die mit einer physiologischen, hohen Krafteinleitung einhergehen, zeigen im Langzeit-Follow-up, muskel- und knochenschonende Eigenschaften.

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