Hybridimplantate in der zahnärztlichen Implantologie
Von PD Dr. med. Dr. med. dent. Eduard Keese, Braunschweig | Dr. Med. Dent. Conrad Raschke, Braunschweig
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Titan als Werkstoff in der zahnärztlichen Implantologie hat sich über Jahrzehnte bestens bewährt. Seit einigen Jahren werden auch Implantate aus Zirkoniumdioxid (ZrO2) vermehrt nachgefragt, zumindest wenn es um die Präsenz in den werbenden Anzeigen der Dentalindustrie geht. Dabei ist Keramik als Implantatmaterial keinesfalls neu. Bereits in den 1960er-Jahren wurden dentale Implantate aus Keramik entwickelt. Als Ausgangsmaterial wurde bei diesen Implantaten in der Regel Aluminiumoxid (Al2O3) verwendet. Später (1976) kam das Tübinger Sofortimplantat hinzu. Diese Implantate zeigten eine verminderte Einheilung und eine erhöhte Rate von Implantatbrüchen.
In einer Studie der Europäischen Gesellschaft für Osseointegration (EAO) im Jahr 2020 unter Experten im Bereich der zahnärztlichen Implantologie waren nur 2% davon überzeugt, dass Keramik das alleinige Implantatmaterial werden könne.
Dies liegt vor allem daran, dass es erhebliche Einschränkungen bei der Anwendung von Keramikimplantaten gibt. Ein Positionspapier der EAO aus dem Jahr 2022 gibt folgende Empfehlungen:
- Einteilige Zirkonium-Implantate (Abb. 1) sind einsetzbar für Kronen und kleinere Brückenversorgungen.
- Für den Einsatz von zweiteiligen festsitzenden Arbeiten gibt es keine Evidenz.
- Es gibt keine Daten für Zirkonimplantate bei herausnehmbarem Zahnersatz.
Damit entfallen viele Einsatzmöglichkeiten für die klassischen Keramikimplantate bzw. viele Patienten können mit Keramikimplantaten nicht behandelt werden. Darüber hinaus sind die Erweiterungsmöglichkeiten – falls später weitere Zähne verloren gehen – ebenfalls sehr eingeschränkt. Die Möglichkeit des zeitgleichen Kieferaufbaus ist wegen des fehlenden Wundverschlusses meist nicht gegeben. Somit ist ggf. vorab der Kieferaufbau in einem seperatem Eingriff nötig. Damit sind letztlich auch längere Behandlungszeiten verbunden. Eine weitere Schwierigkeit liegt in der mangelhaften Entfernbarkeit im Fall von technischen Komplikationen oder Entzündungen. Die Folgen können größere Kieferdefekte und gefährdete Nachbarzähne sein.

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Abb. 1: einteiliges Keramikimplantat
Einteilige Implantate (Abb. 1) bestehen aus einem massiven Implantatkörper, der sowohl der Verankerung im Kieferknochen als auch der Befestigung des Zahnersatzes dient. Das Einsetzen einteiliger Implantate erfordert einen chirurgischen Eingriff: Hierbei wird das Zahnfleisch geöffnet, um den Knochen freizulegen. Dann wird mit speziellen Bohrern ein Hohlraum geschaffen, in den das Implantat eingesetzt wird. Das Zahnfleisch wird anschließend wieder vernäht – und zwar um das Implantat herum. Der Implantatkopf ragt dabei aus der Mundschleimhaut hervor. Man spricht daher von einer sog. offenen Einheilung. In der mehrmonatigen Heilphase verwächst das Implantat mit dem Kieferknochen. Diesen Prozess bezeichnet man als Osseointegration. In dieser Zeit wird der Patient zumeist mit einem Provisorium oder speziellen Schutzschienen versorgt. Eine Sofortbelastung ist bei einteiligen Keramikimplantaten nicht möglich.

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Abb. 2: zweiteiliges Titanimplantat mit Keramikaufbauteil (Abutment) links Schemazeichnung – rechts entsprechender klinischer Fall nach Kronenversorgung des Implantats
Die klassischen Titanimplantate sind in aller Regel zweiteilig (Abb. 2). Der Vorteil zweiteiliger Implantate liegt in der Möglichkeit, geschlossen zu arbeiten und damit gleichzeitig den Kiefer aufzubauen. Ein weiterer Vorteil zweiteiliger Implantate liegt darin, dass die Achse des Implantats und die der Zahnkrone voneinander abweichen dürfen. Somit sind Kieferaufbauten in vielen Fällen vermeidbar. Darüber hinaus kann der Durchtritt durch die Schleimhaut individualisiert werden. So können Funktion und Ästhetik im Einzelfall optimiert werden.
Es können somit auch mehrere Implantate mit unterschiedlichen Achsen in Form einer Brücke miteinander verbunden werden. Die Aufbauteile selbst können teilweise oder ganz aus Keramik bestehen.
Hybridimplantate – Vorteile zweier Werkstoffe miteinander verbinden
Hybridimplantate sind eine Kombination aus beiden Materialien. Der Kern besteht aus Titan Grad 5 und der Oberfläche, die mit dem Kiefer in Kontakt steht, aus Zirkonium (Zro2).
Während die Periimplantitis – also die Entzündung des Implantats – sowohl Titan als auch Keramikimplantate betreffen kann, rücken bei klassischen Titanimplantaten vermehrt Probleme des Partikelabriebs und der Korrosion in den Vordergrund wissenschaftlicher Untersuchungen.

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Abb.3: Titanimplantate mit Lockerung kurz vor Verlust. Die Implantate waren viele Jahre erfolgreich versorgt und zeigten selbst keine Zeichen einer bakteriellen Entzündung. Das Entstehen von Spalträumen (Pfeil) sind Vorzeichen des nicht bakteriellen Implantatverlusts.
Implantate, die davon betroffen sind, gehen ohne entsprechende Entzündungsreaktion verlo-ren. Im Röntgenbild fallen zunehmende Spaltbereiche zwischen Implantat und Kiefer auf – teilweise erst viele Jahre nach der zahnärztlichen Versorgung (Abb. 3).
Die seit fast 20 Jahren bekannte Technik, Titanimplantate zu beschichten und als Hybridimplantat einzusetzen, könnte ein Lösungsansatz sein. Die Implantate werden im Bereich des Knochenkontakts mit Zirkonium (Zro2) und die Aufbauteile (Übergang zum Zahnersatz im Bereich des Zahnfleisches) mit Niob (Nb) beschichtet (Abb. 4).

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Abb. 4: zweiteiliges Hybridimplantat mit Titankern und Zirkoniumbeschichtung (Knochenkontakt), bzw. Niob (Nb) Beschichtung des Aufbauteils (Schleimhautkontakt)
Niob hat eine sehr hohe chemische und thermische Stabilität und ist extrem korrosionsbeständig. Die Implantate selbst weisen dank der Zirkoniumbeschichtung keinen Partikelabrieb auf und sind mit ihrer Keramikoberfläche genauso biokompatibel wie Zirkonium selbst. Wegen des Titankörpers sind diese zweiteiligen Implantate genauso zu versorgen wie konventionelle Titanimplantate. So können die Vorteile von Keramikimplantaten mit den Vorteilen der Titanimplantate verbunden und die jeweiligen Nachteile vermieden werden.
Ein weiterer Punkt, der zu beachten ist, ist die biomechanische Stabilität der Implantat-Abut-ment-Verbindung. So können sich diese Verbindungen unter entsprechend starker funktioneller Belastung lösen. Anderseits können solche Lockerungen auch ein Hinweis auf Funktionsstörungen sein, die dann zu prüfen und zu beseitigen sind. Aus solchen Überlastungen können im schlimmsten Fall auch Brüche im Implantataufbau oder im Implantat selbst folgen.
In diesem Punkt sind zwar erhebliche Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Implantaten festzustellen, jedoch keine verpflichtenden Testungen im Rahmen der Zulassung der Medizinprodukte vorgesehen. Eine Praxis mit umfangreichen Erfahrungen in der Implantologie und unterschiedlichen Implantatsystemen im Einsatz wird Sie hier sicher beraten können.
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