Lichen ruber
Eine Erkrankung, die man ernst nehmen sollte!
Von Christian Klemme-Naske, Braunschweig
Besonders häufig tritt Lichen ruber bei Frauen auf, vor allem in der Altersgruppe über 40 Jahre. Dennoch kann die Erkrankung grundsätzlich jeden treffen – unabhängig von Alter und Geschlecht. Eine wichtige und beruhigende Information vorweg: Lichen ruber ist nicht ansteckend. Es handelt sich vielmehr um eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem die Mundschleimhaut angreift.
Das Tückische an dieser Erkrankung aber ist ihre unterschiedliche Ausprägung: Während einige Betroffene kaum Beschwerden bemerken und die Veränderungen zufällig bei einer zahnärztlichen Routineuntersuchung entdeckt werden, leiden andere unter erheblichen Einschränkungen im Alltag. Diese große Bandbreite an Erscheinungsformen macht eine individuelle medizinische Betreuung besonders wichtig. Umso bedeutsamer ist es, die Erkrankung früh zu erkennen und ernst zu nehmen.
Symptome
Wie zeigt sich Lichen ruber in der Mundschleimhaut? Das auffälligste Merkmal sind weißliche, netzartige Streifenmuster, die Mediziner als „Wickham-Streifen“ bezeichnen. Diese charakteristischen Veränderungen finden sich besonders häufig an den seitlichen Wangenschleimhäuten und an den Seitenflächen der Zunge. Seltener sind auch das Zahnfleisch, der Gaumen oder die Lippen betroffen.
Die Ausprägung der Erkrankung kann dabei sehr unterschiedlich sein. Bei manchen Menschen verläuft sie nahezu symptomlos: Die weißlichen Veränderungen sind zwar sichtbar, verursachen aber keine Beschwerden. Anders sieht es beim symptomatischen Verlauf aus: Hier klagen die Betroffenen über Brennen und Schmerzen in der Mundschleimhaut. Viele reagieren besonders empfindlich auf bestimmte Speisen, und es können sich schmerzhafte offene Stellen (Erosionen) bilden. Diese Beschwerden können das Essen, Trinken und Sprechen erheblich erschweren.
Interessanterweise beschränkt sich die Erkrankung nicht immer nur auf die Mundschleimhaut. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen zeigen sich zusätzlich Veränderungen auf der Haut. Diese äußern sich als rötlich-violette, juckende Knötchen, die typischerweise an den Handgelenken und Unterschenkeln auftreten. In manchen Fällen können auch andere Körperstellen betroffen sein.
Ein typisches Merkmal des Lichen ruber ist dabei sein schubweiser Verlauf. Die Intensität der Beschwerden kann dabei stark schwanken. Viele Betroffene berichten, dass ihre Symptome durch bestimmte Faktoren verstärkt werden – etwa durch Stress, den Verzehr scharfer Speisen oder durch mechanische Reizungen. Diese Beobachtung ist wichtig für die spätere Behandlung, da das Vermeiden solcher auslösenden Faktoren oft zu einer deutlichen Besserung der Beschwerden führen kann.
Ursachen
Die genauen Ursachen des Lichen ruber beschäftigen die Wissenschaft bis heute. Fest steht: Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der körpereigene T-Lymphozyten – also spezielle Zellen des Immunsystems – die Mundschleimhaut angreifen. Doch was löst diese fehlgeleitete Immunreaktion aus?
Mediziner haben verschiedene Faktoren identifiziert, die einen Lichen ruber auslösen oder verschlimmern können. Eine wichtige Rolle spielen dabei bestimmte Medikamente: Rheumamittel wie Goldsalze oder Penicillamin, Blutdrucksenker (besonders ACE-Hemmer wie Captopril), Medikamente gegen Diabetes, verschiedene Psychopharmaka und auch Wassertabletten (Diuretika) stehen im Verdacht, die Erkrankung zu begünstigen.
Auch zahnmedizinische Faktoren können eine Rolle spielen. Besonders Zahnersatzmaterialien, vor allem solche, die Methacrylate enthalten, können Auslöser sein. Schlecht sitzende Prothesen, die zu ständigen Reizungen führen, oder Amalgamfüllungen werden ebenfalls als mögliche Trigger diskutiert.
Ein weiterer bedeutender Kofaktor ist chronischer Stress. Viele Betroffene berichten von einer Verschlechterung ihrer Symptome in besonders belastenden Lebensphasen.
Interessanterweise lässt sich bei vielen Betroffenen trotz sorgfältiger Untersuchung kein eindeutiger Auslöser finden. Häufig scheint es das Zusammenspiel mehrerer Einflüsse zu sein, das zur Erkrankung führt. Diese Erkenntnis ist für die Behandlung von großer Bedeutung: Manchmal reicht es bereits aus, einen einzelnen auslösenden Grund zu identifizieren und auszuschalten – etwa eine schlecht sitzende Prothese anzupassen oder ein Medikament umzustellen –, um eine deutliche Besserung zu erreichen. Solche Änderungen sollten jedoch niemals eigenmächtig, sondern immer in enger Abstimmung mit den behandelnden Ärzten erfolgen.
Diagnostik
Die sichere Diagnose eines Lichen ruber erfordert eine sorgfältige medizinische Untersuchung. Erfahrene Zahnärzte und Mundschleimhautspezialisten können die Erkrankung oft schon anhand ihres charakteristischen Erscheinungsbildes vermuten. Doch für eine zuverlässige Beurteilung ist mehr nötig.
Im ersten Schritt erfolgt eine gründliche klinische Untersuchung der Mundschleimhaut. Dabei dokumentiert der Behandler die typischen weißlichen Wickham-Streifen, ihre genaue Lokalisation und Ausdehnung. Auch die übrige Haut wird sorgfältig untersucht, da sich bei vielen Patienten zusätzliche Hautveränderungen finden. Zur Absicherung der Diagnose und zum Ausschluss anderer Erkrankungen ist in der Regel eine Gewebeprobe (Biopsie) erforderlich. Diese wird unter örtlicher Betäubung entnommen und anschließend unter dem Mikroskop untersucht. Die Gewebeprobe liefert wichtige Informationen über die Art der Veränderungen und ermöglicht es, andere Erkrankungen mit ähnlichem Erscheinungsbild auszuschließen. Besonders wichtig ist dabei die Beurteilung möglicher Zellatypien, da diese Hinweise auf ein erhöhtes Entartungsrisiko geben können.
Die gründliche Analyse umfasst auch die Überprüfung der Medikamenteneinnahme und gegebenenfalls Allergietests, wenn der Verdacht auf auslösende Substanzen besteht. In manchen Fällen sind auch Blutuntersuchungen sinnvoll.
Diese umfassende Diagnostik ist aus mehreren Gründen wichtig: Sie bildet die Grundlage für eine gezielte Therapie, schließt andere Erkrankungen sicher aus und ermöglicht die Festlegung geeigneter Kontrollintervalle. Die regelmäßige Überwachung ist dabei besonders wichtig, da sich aus einem Lichen ruber in etwa 1-4% der Fälle ein Plattenepithelkarzinom entwickeln kann, also eine lebensbedrohliche Krebserkrankung.
Behandlung
Da ein Lichen ruber bisher nicht heilbar ist, zielt die Behandlung vor allem darauf ab, die Beschwerden zu lindern und Komplikationen zu vermeiden. Erfahrene Mundschleimhautspezialisten sind dabei in der Lage, die Erkrankung weitestgehend zurück zu drängen.
Die Therapie wird dabei individuell auf den Schweregrad der Erkrankung und die spezifischen Beschwerden des Betroffenen abgestimmt.
Bei leichteren Verläufen stehen lokale Behandlungsmethoden im Vordergrund. Besonders durchgesetzt haben sich kortisonhaltige Haftpasten, die direkt auf die betroffenen Stellen aufgetragen werden. Diese Präparate wirken entzündungshemmend und können die Beschwerden deutlich lindern. Allerdings zeigen Kortikoide auch teils schwere Nebenwirkungen und sollten nicht über längere Zeiträume angewendet werden. Ergänzend können spezielle Mundspülungen zum Einsatz kommen, die ebenfalls entzündungshemmende Wirkstoffe enthalten. Bei akuten Schmerzen werden auch schmerzlindernde Spülungen verwendet.
Sprechen Patienten auf die lokale Behandlung nicht ausreichend an oder liegt ein schwerer Verlauf vor, kann eine systemische Therapie notwendig werden. Diese erfolgt häufig in Form einer Kortison-Stoßtherapie, die unter stationärer Überwachung durchgeführt wird. In ausgewählten Fällen kommen auch andere Medikamente zum Einsatz, die das Immunsystem beeinflussen. Bei dieser Form der Behandlung ist eine regelmäßige Kontrolle möglicher Nebenwirkungen besonders wichtig.
Einen ganz neuen Ansatz stellt die Behandlung mittels orthomolekularer Substanzen dar, der den Patienten eine sehr nebenwirkungsarme, aber auch langwierige Alternative der Behandlung bietet. Diese Ansätze scheinen hoch wirksam, sind aber noch Gegenstand von Forschung.
Eine zentrale Rolle spielt auch die begleitende zahnärztliche Betreuung. Regelmäßige professionelle Zahnreinigungen, die Anpassung von Zahnersatz und die Behandlung von Karies und Zahnfleischentzündungen sind wichtige Bausteine der Therapie. Manchmal ist auch der Austausch bestimmter Zahnmaterialien erforderlich, wenn diese als Auslöser identifiziert wurden. Ergänzend zur medizinischen Behandlung können Betroffene durch ihr Verhalten wesentlich zum Therapieerfolg beitragen. Dazu gehört die Meidung scharfer und saurer Speisen, der Verzicht auf Alkohol und Nikotin sowie die Verwendung milder Mundpflegeprodukte. Auch Stressreduktion kann sich positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken.
Der Erfolg der Behandlung hängt hierbei wesentlich von der regelmäßigen Kontrolle und der konsequenten Durchführung aller vereinbarten Maßnahmen ab. Dabei ist Geduld gefragt: Oft vergehen mehrere Wochen, bis sich eine deutliche Besserung einstellt. Die enge Zusammenarbeit zwischen Patient und Behandlungsteam ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.
Abschließend lässt sich festhalten: Lichen ruber der Mundschleimhaut ist eine komplexe chronische Erkrankung, die einer sorgfältigen medizinischen Betreuung bedarf. Die Erkrankung heilt in vielen Fällen innerhalb eines Jahres spontan ab. Die durchschnittliche Erkrankungsdauer liegt zwischen ein und zwei Jahren, wobei Rückfälle nach der Abheilung möglich sind.
Besonders wichtig ist die regelmäßige fachärztliche Kontrolle, da sich in etwa 1-4% der Fälle aus einem Lichen ruber der Mundschleimhaut ein Plattenepithelkarzinom entwickeln kann.
Trotz des chronischen Charakters der Erkrankung können die meisten Betroffenen mit der richtigen Behandlungsstrategie und konsequenter Therapiedurchführung ein weitgehend beschwerdefreies Leben führen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kombination aus fachkundiger medizinischer Betreuung und aktiver Mitarbeit der Patienten.
Die medizinische Forschung arbeitet kontinuierlich an einem besseren Verständnis der Krankheitsursachen und an der Entwicklung optimierter Behandlungsstrategien. Derzeit bilden sich neue Therapiemethoden mittels gezielt eingesetzter orthomolekularer Stoffe heraus, die offenbar eine nebenwirkungsarme Alternative zum Einsatz von Kortikoiden darstellen können. Dies gibt Betroffenen Hoffnung auf noch wirksamere Therapie-
möglichkeiten in der Zukunft.
- Schlagwörter
- Lichen ruber|
- Mundschleimhaut|
- Flechte|
- Wickham-Streifen|
- Autoimmunerkrankung|
- Plattenepithelkarzinom|
- Mindmap
- Gesundheit
- Gesundheit 2025