Artikel erschienen am 09.01.2025
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Proktologie

Worüber man nicht spricht

Von Dr. med. Ekkehard Möbius, Braunschweig | Dr. med. Magda Herrmann, Braunschweig

Foto: Adobe Stock / staras

Die psychische Belastung ist nicht zu unterschätzen; viele Betroffene leiden unter Angstzuständen, Depressionen oder einem reduzierten Lebensstil, da sie alltägliche Aktivitäten wie Sport oder Reisen meiden, um peinliche Situationen zu vermeiden. Darüber hinaus kann die ständige Auseinandersetzung mit den Beschwerden zu Schlafstörungen und allgemeinem Unwohlsein führen, was die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt.

Die Proktologie ist das medizinische Fachgebiet, das sich mit Erkrankungen des Enddarms und des Analkanals befasst. Das Fachgebiet ist sehr vielfältig und fordert eine ganzheitliche Herangehensweise. Die Schnittstellen zu anderen medizinischen Fachrichtungen sind zahlreich und ein breites Netzwerk ist unersetzlich.

Zu den häufigsten Symptomen zählen Schmerzen, Juckreiz, Blutungen und Veränderungen beim Stuhlgang. Diese können auf eine Vielzahl von Erkrankungen hinweisen, darunter Hämorrhoiden, Analfissuren, Entzündungen oder Tumoren. Auch funktionelle Störungen im Bereich des Enddarmes und des Analkanals, wie z. B. der Mastdarmvorfall oder Störungen der Kontinenz für Stuhl bzw. Urin zählen dazu.

Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist gerade bei proktologischen Erkrankungen eine kontinuierliche Betreuung dieser Patienten mit Fachkompetenz bei Diagnostik und Therapie.

Es werden seit langem proktologische Erkrankungen erfolgreich operativ behandelt. Neu ist, dass die Patienten in einer proktologischen Spezialsprechstunde auch im ambulanten Bereich diagnostiziert und nach operativen Eingriffen längerfristig fachkompetent weiter betreut werden können.

Diagnostik und mögliche Behandlungsformen: Ambulant oder stationär?

Um eine proktologische Verdachtsdiagnose zu bestätigen, liegt der Schwerpunkt der Diagnostik in der ausführlichen Anamnese der Beschwerden. Oft kann durch gezieltes Nachfragen die Diagnose schon gestellt werden. Grundpfeiler ist jedoch die proktologische Untersuchung auf einem speziellen Stuhl, wobei die PatientInnen sich nicht völlig entkleiden müssen. Eine Prokto-/und oder Rektoskopie kann dabei meist unkompliziert und ohne viel Vorbereitung durchgeführt werden. Teilweise sind ergänzende Untersuchungen wie Sonographie, Coloskopie oder MRT-Untersuchungen ergänzend notwendig.

Ob eine proktologische Erkrankung ambulant oder stationär behandelt werden kann, ist abhängig von der Diagnose. Viele Erkrankungen können durch Umstellung der Lebensgewohnheiten, lokaler Behandlung mit Salben, stuhlregulierende Maßnahmen oder Übungsbehandlungen unter krankengymnastischer Anleitung erfolgreich therapiert werden. Z.B. können Übungen für den Beckenboden leichtere Störung der Kontinenz für Stuhl und Urin deutlich bessern.

Proktologische Erkrankungen, welche in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden, bedürfen einer umfangreichen Diagnostik und häufig operativen Therapie. Aufgrund der sehr empfindlichen Region des Afters ist diese operative Therapie fast immer in Vollnarkose durchzuführen. Anhand von drei Beispielen proktologischer Erkrankungen soll aufgezeigt werden, wie diagnostiziert und therapiert wird.

  1. Hämorrhoiden: Bei Hämorrhoiden handelt es sich um ein Blutpolster, welches jeder Mensch besitzt. Dieses ist für die Abdichtung des Analkanals, der sogenannten Feinkontinenz, verantwortlich. Wenn sich das Blutpolster – z.B. durch Verstopfung – dauerhaft vergrößert, sprechen wir von einem Hämorrhoidalleiden. Frühstadien können konservativ, z.B. durch Salben oder stuhlregulierende Maßnahmen behandelt werden. Fortgeschrittene Befunde bedürfen immer eine operativen Therapie: Hierbei wird ein Teil dieses Gefäßpolsters entfernt oder das versorgende Gefäß unterbunden. Diese Operationen können ambulant erfolgen. Bei ausgedehnten Befunden ist eine stationäre Behandlung aufgrund der Gefahr der Nachblutung und der postoperativen Beschwerden notwendig.
  2. Analfisteln: Finden entzündliche Veränderungen spezieller Drüsen im Analkanal statt, kann es lokal zur Ausbildung von Abszessen kommen. Als Folge dieser entzündlichen Prozesse können dann Gänge, die sogenannten Analfisteln, verbleiben, die zwischen dem Analkanal und der Haut um den After zu finden sind. Sie verlaufende häufig durch den Schließmuskel und heilen spontan nicht aus. Somit bedürfen sie immer einer operativen Therapie. Dabei gibt es verschiedene Verfahren, die je nach Verlauf der Fistel empfohlen und durchgeführt werden. Zielstellung ist immer im möglichst reizlosen Zustand ein schließmuskelschonendes Verfahren zu wählen. Oft ist die vorübergehende Einlage einer Fisteldrainage (z.B. Fadeneinlage durch den Fistelgang) notwendig. Da es sich zum Teil um komplexe chirurgische Eingriffe handelt, sollten diese Operation unter stationären Bedingungen mit entsprechender Vorbereitung des Darms geplant werden. Patienten mit solchen Diagnosen sollten immer in einer Fachsprechstunde nachuntersucht werden.
  3. Mastdarmvorfall: Hierbei kommt es beim Stuhlgang oder spontan zu einem Vorfall des unteren Anteils des Darmes (Mastdarm). Bei den häufig älteren PatientInnen besteht ein erheblicher Leidensdruck und führt neben zum Teil erheblich Beschwerden häufig zu einer Isolation im Alltag. Ursache dieses Krankheitsbildes ist eine Schwächung des Beckenbodens und/oder eine Schädigung des Halteapparates z.B. durch Entfernung der Gebärmutter. Bei immer wieder auftretenden oder dauerhaften Vorfall des Mastdarms kann dieser tumorähnlich anschwellen.

Neben der klinischen Untersuchung lokal muss hier zunächst eine Spiegelung des gesamten Dickdarmes erfolgen. Sind andere Erkrankungen ausgeschlossen, wird, durch den Bauchraum kommend, der untere Anteil des Dickdarmes und der Beckenboden angehoben und mit einem Netz in Position gehalten. Diese Operation kann minimalinvasiv, also durch die „Schlüssellochtechnik“ erfolgreich durchgeführt werden. Die Ergebnisse sind zumeist sehr gut und bedeuten für die Patienten häufig wieder eine Normalisierung des Alltags.

Besserung der Lebensqualität nach Behandlungen

Die positiven Auswirkungen von proktologischen Behandlungen auf die Lebensqualität der PatientInnen sind bemerkenswert. Viele berichten von einer signifikanten Linderung ihrer Symptome, was zu einer Wiederherstellung ihrer Lebensfreude und Aktivität führt. Alltägliche Aktivitäten wieder unbeschwert zu genießen, die Rückkehr zu sozialen Aktivitäten, Sport und Reisen werden häufig als eine der größten Verbesserungen wahrgenommen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Proktologie ein entscheidendes Feld der Medizin darstellt, über das man reden muss. Die rechtzeitige Diagnose und richtige Behandlung proktologischer Erkrankungen verhindert das Fortbestehen von Beschwerden und kann bewirken, dass die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig verbessert wird.

Reden Sie mit Ihrem Proktologen.

 

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