Artikel erschienen am 09.01.2025
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Zahnerhalt ist Lebensqualität

Möglichkeiten der chirurgischen Parodontitistherapie im Überweiserverbund Zahnarzt-Parodontologe

Von Dr. Med. Dent. Conrad Raschke, Braunschweig | PD Dr. med. Dr. med. dent. Eduard Keese, Braunschweig

Foto: Adobe Stock/ Marina Demeschko

Zahnverlust ist häufig die Folge einer Entzündung des Zahnhalteapparates, der Parodontitis. Diese Volkskrankheit betrifft jeden zweiten Menschen über 40 Jahren. Bei einer Parodontitis vermehren sich Bakterien in Zahnbelägen durch unzureichende Mundhygiene. In der Folge gerät die orale Mikroflora aus dem Gleichgewicht (Dysbiose), was eine Entzündungsreaktion im Körper auslöst. Häufig bemerken Patienten blutendes Zahnfleisch; Schmerzen sind in der Regel nicht vorhanden. Unbehandelt führt die Parodontitis zum Abbau des Zahnhalteapparates und des Kieferknochens, was letztlich zu Zahnverlust führt.

Parodontitis ist jedoch mehr als nur lockere Zähne: Die chronische Belastung des Körpers durch die orale Entzündung setzt Entzündungsmediatoren frei und steht im Zusammenhang mit verschiedenen systemischen Erkrankungen, darunter kardiovaskuläre Erkrankungen, Schwangerschaftskomplikationen, Demenz und Diabetes mellitus.

Um der Entstehung einer Parodontitis vorzubeugen, überprüft Ihr Zahnarzt regelmäßig das Zahnfleisch. Falls es bereits zu einer Parodontitis gekommen ist, beginnt, abhängig vom Schweregrad der Erkrankung, eine umfassende Therapie (4-Stufentherapie), die ein hohes Maß an Mitarbeit und Geduld vom Patienten erfordert, jedoch zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität führen kann.

Die Therapiestrecke umfasst bis zu vier Stufen:

  1. Hygienisierungsphase
  2. Reinigung der Wurzeloberflächen
  3. Gegebenenfalls chirurgische Therapie
  4. Erhaltungsphase

Foto: MKG / PD Dr. med. dent. Eduard Kees

1. Hygienisierungsphase

In dieser Phase identifiziert Ihr Zahnarzt Risikofaktoren und erklärt, wie diese beseitigt werden können. Besonders wichtig ist die Verbesserung der Mundhygiene, wobei nicht die Häufigkeit, sondern die Technik und Gründlichkeit entscheidend sind. Eine Raucherentwöhnung und eine Umstellung der Ernährung können ebenfalls den Befund verbessern. Eine ausgewogene, vitaminreiche Kost und der Verzicht auf zuckerreiche Nahrungsmittel werden empfohlen. Zudem sollte der Vitamin-D-Spiegel gemessen und gegebenenfalls angepasst werden. In der Literatur wird zunehmend die positive Rolle von Omega-3-Fettsäuren hervorgehoben. Ihr Zahnarzt oder Parodontologe unterstützt Sie gerne bei der Verbesserung dieser Lebensstilfaktoren.

2. Kürettage der Zahnfleischtaschen

In der zweiten Phase reinigen Ihr Zahnarzt und eine Prophylaxeassistentin die Wurzeloberflächen. Die entzündeten Zahnfleischtaschen werden mit feinen Instrumenten gereinigt und Beläge entfernt. Zunächst ist keine Chirurgie nötig. Gegebenenfalls wird in dieser Phase auch Antibiotika verabreicht sowie regenerativ wirkende Hilfsmittel (z.B. Proteine) appliziert. Nach etwa 3-6 Monaten erfolgt eine Kontrolle des Behandlungserfolgs. Sollten noch tiefe, schwer zugängliche Zahnfleischtaschen vorhanden sein, kann eine chirurgische Therapie durch Ihren Zahnarzt oder eine Überweisung zu einem Parodontologen sinnvoll sein.

3. Chirurgische Phase

Die Parodontalchirugie kommt immer dann zur Anwendung, wenn tiefe Taschen nicht vollständig gereinigt werden konnten oder bereits umfangreicher Knochenabbau stattgefunden hat.

In der Parodontalchrirugie unterscheidet man zwischen resektiver, regenerativer und plastisch-ästhetischer Chirurgie.

Regenerativ:

Durch vorsichtiges Aufklappen des Zahnfleisches wird die Wurzeloberfläche dargestellt und so der Reinigung zugänglich gemacht (Abb. 1). Es kann zum Einsatz unterstützender Hilfsmittel wie Proteinen kommen. Zunehmend finden auch Eigenblutkonzentrate Anwendung. Dabei handelt es sich um ein biologisches Material, das aus dem eigenen Blut des Patienten gewonnen wird und eine hohe Konzentration an Wachstumsfaktoren enthält (Abb. 2).

Foto: MKG / PD Dr. med. dent. Eduard Keese

Abb. 1 (links):
Chirurgische Darstellung des parodontal bedingten, knöchernen Defektes. Es zeigt sich ein erheblicher Knochenabbau der hinteren Wurzel.

Abb. 2 (rechts):
Nach Zentrifugation ist das patienteneigene Blut in einer festen Konsistenz und mit Wachstumsfaktoren angereichert. Es wird in den Knochendefekt eingelagert, regt dort die Regeneration an und bildet eine physische Barriere als Schutz vor schnell wachsendem unerwünschten Narbengewebe.

Resektiv:

Durch das Abtragen von überschüssigem Gewebe werden tiefe Zahnfleischtaschen für die Reinigung durch den Patienten zugänglich gemacht. Bei stark ausgeprägten Knochendefekten kann auch die Entfernung einer Wurzel eines mehrwurzligen Zahnes sinnvoll sein.

Foto: MKG / PD Dr. med. dent. Eduard Keese

Abb. 3 (oben): Zu erkennen ist ein ausgeprägter parodontal bedingter Knochendefekt

Abb. 4 (unten): Ein Zahn wurde entfernt. Die vordere Wurzel eines Zahnes konnte durch einen chirurgisch einfachen Eingriff erhalten bleiben. Der Zahn bekommt später eine Zahnkrone.

Plastisch-ästhetisch:

Auch Eingriffe zur Verbesserung der Ästhetik gehören zur chirurgischen Parodontaltherapie.

Foto: MKG / PD Dr. med. dent. Eduard Keese

Abb. 5 (oben links): Zu erkennen ist die Bedeckung des gräulich durchschimmernden Implantates durch eine Weichgewebsplastik im Rahmen der Parodontalchirurgie.

Abb. 6 (unten links): Nach parodontalchirurgischer Weichgewebsdeckung zeigt sich eine deutlich verbesserte Ästhetik

Abb. 7 (oben rechts): Zu erkennen ist ein deutlicher Zahnfleischrückgang an einem unteren Frontzahn

Abb. 8 (unten rechts): Erkennbar ist die Deckung der Wurzel nach einem weichgewebschirurgischem Eingriff.

4. Erhaltungsphase

Die im Anschluss an die erfolgreiche Therapie fortzuführende unterstützende Parodontaltherapie (UPT) hat das Ziel, das Behandlungsergebnis zu konservieren. Sie muss lebenslang fortgeführt werden und umfasst regelmäßige Recalltermine, um ein Wiederkehren der Erkrankung zu verhindern.

Zusammenfassung

Parodontitis ist der häufigste Grund für Zahnverlust. Fast jeder zweite Erwachsene über 40 Jahren ist betroffen.

Im Rahmen einer Parodontitistherapie können durch chirurgische Verfahren auch vermeintlich hoffnungslose Zähne gerettet werden. Es bedarf jedoch einer guten Vorbehandlung durch den Zahnarzt, die sehr viel Mitarbeit und Geduld des Patienten erfordert. Nur so kann der Prozess des Gewebeabbaus (Zahnfleisch, Knochen, Faserapparat) umgestoßen werden und eine echte Regeneration mit dem Ergebnis des Zahnerhalts erreicht werden. Auch zur Verbesserung der Ästhetik können parodontalchirurgische Eingriffe durchgeführt werden.

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