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Geriatrische Rehabilitation

Von PD. Dr. med. habil. Caroline Renner, Bad Harzburg

Erkrankungen des höheren Lebensalters sind beherrschbar geworden. Wirksame und gut verträgliche pharmakologische und nicht-pharmakologische Behandlungsmethoden wurden entwickelt, die zusammen mit modernen multiprofessionellen und interdisziplinären Therapien die Basis einer Rehabilitation älterer und alter Menschen bilden. Das Ziel einer Geriatrischen Rehabilitation ist es, den Rehabilitanden nachhaltig und selbstbestimmt in sein soziales Umfeld zu (re)integrieren, einer Chronifizierung seiner Erkrankung und/oder seiner funktionellen Beeinträchtigung entgegenzuwirken und den Hilfe- und Pflegebedarf zu mindern.

Ältere Menschen leben heute gesünder und erreichen höhere Lebensalter bei relativ guter Gesundheit. Dennoch wird die bisherige Ausrichtung der indikationsspezifischen Rehabilitation, z. B. in den Gebieten der Orthopädischen oder Neurologischen Rehabilitation, den älteren Patienten nicht gerecht. Die älteren Menschen haben häufig im Rahmen einer Operation oder einer akuten Erkrankung eine verminderte körperliche, psychische und geistige Belastbarkeit sowie auch eine erhöhte Hilfebedürftigkeit. Zusätzlich sind die aus der Erkrankung bzw. der alterstypischen Multimorbidität resultierenden Störungen vielfach komplex und heterogen, indem sie verschiedene Domänen (z. B. Mobilität, Kommunikation, Selbstversorgungskompetenz, seelisches Befinden) gleichzeitig betreffen. Für die meisten Patienten braucht es daher einen komplexen interprofessionellen therapeutischen Ansatz.

Für die medizinische Versorgung ergeben sich daher deutliche und anhaltende Veränderungen. Wir benötigen altersmedizinisch ausgebildete Ärzte und Therapeuten, die Geriatrische Rehabilitation als Querschnittsaufgabe betrachten, die verschiedene medizinische Disziplinen, therapeutische Berufsgruppen, Pflege und Sozialarbeit in einem bio-psycho-sozialen Behandlungs- und Rehabilitationskonzept integrieren mit dem Ziel, dem alten Menschen unter Nutzung seiner individuellen Ressourcen und unter Berücksichtigung der Gegebenheiten seiner bisherigen Lebensgestaltung nachhaltig ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Eine wirksame Rehabilitation ist ausschlaggebend für Lebensqualität und Lebensperspektive des betroffenen älteren Menschen. Geriatrische Rehabilitation zielt auf die Wiederherstellung und Verbesserung körperlicher, sprachlicher, neuropsychologisch-kognitiver und seelisch-emotionaler Funktionen. Bewähren muss sie sich schließlich bei der Wiederherstellung beeinträchtigter Fähigkeiten, wie z. B. der Mobilität, der Kommunikation, der Selbständigkeit bei den Verrichtungen des täglichen Lebens und bei der sozialen Teilhabe und Integration.

Typische Erkrankungen, die von einer Behandlung in der geriatrischen Rehabilitation profitieren

Grundsätzlich ist die Zuordnung eines Patienten zu einer Geriatrischen Rehabilitation eine individuelle Entscheidung, die sich am biologischen Alter, an der Einschränkung von Alltagsfunktionen, an bestehender (ggf. chronischer) Multimorbidität, aber auch an der Motivation des älteren Menschen gegenüber der Rehabilitation orientieren muss.

Zur geriatrietypischen Multimorbidität gehören u. a.

  • Zustand nach Implantation oder Implantatwechsel an großen Gelenken,
  • Zustand nach Frakturen von Extremitäten oder Wirbelsäule,
  • degenerative Wirbelsäulen- und Bandscheibenerkrankungen,
  • (schwere) Herzinsuffizienz,
  • (schwere ) chronische Lungenerkrankungen,
  • Spätfolgen von Stoffwechselerkrankungen (Diabetes mellitus u. a.),
  • Periphere arterielle Durchblutungsstörungen und deren Folgen,
  • gefäßabhängige Erkrankungen von Gehirn und Rückenmark (z. B. Hirninfarkt und Hirnblutung),
  • Zustand nach Schädel-Hirn-Verletzung,
  • Polyneuropathien,
  • beginnende Demenz und Demenz,
  • Parkinson-Syndrome,
  • Altersepilepsie.

In der Regel liegt mehr als eine Erkrankung vor. Die Geriatrische Rehabilitation möchte u.a.

  • körperliches und seelisches Wohlbefinden, Gesundheit und Lebensqualität fördern,
  • möglichst große Unabhängigkeit und das Verbleiben im gewohnten häuslichen Umfeld erreichen,
  • durch (sekundär-)präventive Maßnahmen den Eintritt weiterer Erkrankungen verhindern oder verzögern,
  • soziale Bindungen erhalten,
  • institutionalisierte Dauerpflege vermeiden,
  • die medizinische Weiterversorgung am Wohnort des Rehabilitanden unterstützen.

Befindet sich der ältere Mensch im Krankenhaus, so ist zur nachhaltigen Sicherung des akutmedizinischen Behandlungserfolges und zur Erreichung der im folgenden beschriebenen Ziele eine Weiterbetreuung in einer Geriatrischen Rehabilitation sinnvoll.

Beispiele für typische Therapie- und Rehabilitationsziele:

  • Verbesserung der allgemeinen körperlichen Belastbarkeit, Kraft und des Leistungsvermögens
  • Fortführung, ggf. Anpassung medizinischer (v. a. pharmakologischer) Behandlungen
  • Aufbau eines sicheren Schluckvorganges und einer selbständigen Nahrungsaufnahme
  • ausgewogene Ernährung und Vorbeugen gegenüber Mangelernährung
  • Abwendung drohender bzw. Behandlung eingetretener Komplikationen (z. B. Dekubitalulzera, Kontrakturen)
  • Schmerzbefreiung, -verminderung und/oder -bewältigung bei Vorliegen chronischer Schmerzen
  • selbstständige (Rollstuhl-)Mobilität
  • selbstständiges An- und Auskleiden
  • selbstständiger Toilettengang
  • Verbesserung der Orientierung
  • Verbesserung der Sprech- und Sprachfunktionen, mit dem Ziel, die Kommunikationsfähigkeit so weit wie möglich wiederherzustellen
  • Einleitung einer adäquaten Hilfsmittel-, Prothesen- und Orthesenversorgung, Anleitung und Training im Umgang mit dem Hilfsmittel bzw. der Prothese oder Orthese
  • adäquate Reintegration in Familie und soziales Umfeld, einschließlich Beratung (und ggf. praktische Anleitung) von Bezugspersonen hinsichtlich des Umgangs mit dem Patienten und seinen Erkrankungen
  • Anregung und Beratung hinsichtlich der behindertengerechten Umgestaltung der Wohnung.

Der bei Aufnahme in die Geriatrische Rehabilitation gemeinsam mit dem Patienten und seinen Angehörigen erstellte individuelle Rehabilitationsplan zielt auf die Beseitigung bzw. Minderung der Krankheitsfolgen im Alltag und hilft zugleich bei der seelischen Bewältigung der Erkrankung. Die psychologischen und psychosomatischen Aspekte von Krankheit und Behinderung sind ebenso wie die Betreuung von Angehörigen selbstverständlicher Bestandteil der Rehabilitation. Die spezifischen Bedürfnisse von Demenzkranken werden dabei berücksichtigt.

Für eine umfassende und auch nachhaltige stationäre und nachstationäre (d. h. nach Entlassung) Betreuung stellt die Geriatrische Rehabilitation ein regionales Netzwerk zur Verfügung, das die haus- und fachärztliche Versorgung, Heil- und Hilfsmittelerbringer, ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen, Wohnraumanbieter, und Akutkrankenhäuser mit Abteilungen verschiedener Fachrichtungen umfasst und bedarfsgerecht vermittelt.

Foto: Panthermedia/Andriy Popov

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