Artikel erschienen am 13.09.2016
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Osteoporose: Fakten und Therapie

Die unterschätzte und zunehmende Volkskrankheit

Von Dr. med. Jürgen-Andreas Schultz, Hannover

In Deutschland leben ca, 7,8 Mio. Osteoporosepatienten – somit ist jeder 10. Bürger betroffen. 21 % aller Frauen und 6 % aller Männer über 50 Jahre haben eine Osteoporose. Davon werden leider nur weniger als 25 % der Betroffenen behandelt – hiervon bricht jeder Zweite die Therapie wieder ab. Aber jede dritte Frau und jeder fünfte Mann über 50 Jahre erleiden einen osteoporosebedingten Knochenbruch.

Im Jahr 2010 hat Osteoporose Kosten im Wert von 9,1 Mrd. Euro verursacht; davon nur 2,5 % für Therapie und mehr als 75 % für Behandlung von Frakturen. Deutschland ist Schlusslicht im Europavergleich bei medikamentöser Osteoporosebehandlung. Zum Vergleich: Während in Deutschland nur 25 % der Patienten medikamentös behandelt werden, sind es in Spanien, Italien und Großbritannien 40 bis 59 % und in Spanien sogar 81 %. Jede Hüftfraktur verursacht innerhalb eines Jahres eine Krankheit (Morbidität) und erhöht die Sterblichkeit (Mortalität) – 20 % der Patienten versterben innerhalb des ersten Jahres, 30 % erleiden eine bleibende Invalidität, 40 % sind nicht mehr alleine gehfähig und 80 % sind unfähig, mindestens eine Alltagsaktivität durchzuführen.

Was ist Osteoporose eigentlich?

Im Volksmund bekannt als „Knochenschwund“ mit dem traditionellen Bild des „Witwenbuckels“ – aber leider ist vielen Patienten, vor allem im frühen Stadium der Erkrankung, die Osteoporose nicht anzusehen.

Der Knochen – ein lebendes Gewebe

Knochen sind keine festen, unveränderlichen Körperstrukturen, sondern der Körper baut die Knochen ständig um. Ältere Knochensubstanz wird abgebaut und durch neue ersetzt. Bei dauerhaft stärkerer Belastung steigt die Knochenmasse, bei geringerer Belastung nimmt sie ab. Der Knochenumbau ist ein lebenslanger Prozess – Osteoblasten bilden neue Knochensubstanz, während Osteoklasten gleichzeitig Knochen abbauen. Osteoporose verringert die Knochenmasse, wobei das Gleichgewicht zwischen Knochenbildung und Knochenabbau gestört ist. Der Knochenabbau erfolgt schneller als die Neubildung und die Knochenmasse nimmt ab. Die Knochen behalten zwar ihre äußere Form, verlieren aber ihre innere Struktur und werden brüchiger (poröser Knochen). Das menschliche Skelett besteht aus kortikalem und trabekulären Knochen – beide werden von Osteoporose betroffen.

Wie entsteht eine Osteoporose bei Frauen?

Da das weibliche Geschlechtshormon Östrogen für die Knochengesundheit sehr wichtig ist, entsteht die Postmenopause-Osteoporose durch die Minderproduktion von Östrogen nach der Menopause; dadurch geht das Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und -abbau verloren. Fazit: Jede dritte Frau über 50 Jahre erleidet einen osteoporotischen Knochenbruch!

Osteoporose ist auch Männersache!

Männer erleiden mit höherer Wahrscheinlichkeit einen osteoporotischen Bruch, als dass sie an Prostatakrebs erkranken. Auch bei Männern entsteht ein Ungleichgewicht des Knochenumbaus. Das Osteoporoserisiko bei Männern ist hier meist durch Testosterondefizite, Prostatakrebsmedikamente, Langzeitaufnahme von Cortison und den Lebensführungsstil bedingt – ebenso wie auch bei Frauen ab 70 Jahren durch die verringerte Knochenmasse und Calciumaufnahme. Jeder fünfte Mann über 50 Jahre erleidet einen osteoporotischen Knochenbruch.

Mögliche Symptome der Osteoporose

Neben einer abnehmenden Körpergröße und beginnender deutlicher Rundrückenbildung sind im Sinne einer Tannenbaumzeichnung der Hautfalten am Rücken und dem Osteoporosebauch, Rückenschmerzen und Knochenbrüche bei normaler Alltagsbelastung oder nach leichtem Sturz/Unfall deutliche Anzeichen. Die Osteoporose beginnt häufig unbemerkt.Treten Beschwerden auf, ist die Erkrankung meist bereits fortgeschritten!

Die Knochenbrüche treten typischerweise meist an bestimmten Stellen auf – vornehmlich an der Wirbelsäule, am Oberschenkelhals, der Hüfte und an den Handgelenken. Sie heilen oft langsamer und schlechter als Knochenbrüche von jungen Menschen und haben dadurch starke Konsequenzen. Bei verminderter Mobilität mit resultierender ungünstiger Osteoporoseentwicklung kommt es zu einer Verminderung der Lebensqualität. Wirbelkörperbrüche führen oft zu starken und anhaltenden Rückenschmerzen. Jede fünfte Frau erleidet binnen eines Jahres einen weiteren Wirbelbruch. Ca. 39 % aller osteoporotischen Brüche treten bei Männern über 50 Jahren auf – bei denen anschließend auch die Sterblichkeit deutlich gegenüber Frauen erhöht ist. Bei 50 % der Patienten mit einer Hüftfraktur wird die ursprüngliche Beweglichkeit nicht mehr zurückerlangt. Oft reicht bereits ein Sturz aus geringer Höhe, um einen Hüftbruch auszulösen.

Risikofakoren für eine Osteoporose

Neben Vererbung, Alter und Geschlecht sind die Lebensführung mit Bewegungsmangel, Rauchen und übermäßigem Alkoholgenuss ausschlaggebend. Aber auch Krankheiten mit Gebrauch von Corticoiden, Hormonentzugstherapien etc. sind Risikofaktoren. Risikofaktoren verstärken die Osteoporose und erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer Fraktur.

Was können Patienten tun, um ihre Knochengesundheit zu erhalten?

Aktiv sein, Walken, Wandern, Tanzen. Gesunde Ernährung mit Fisch, Milchprodukten, Hartkäse, grünem Gemüse und Nüssen, aber wenig Alkohol und kein Rauchen! Das Sturzrisiko senken, Sehtest durchführen, Geländer/Griffe im Wohn- und Sanitärbereich anbringen, dabei lose Kabel, Teppiche und Unordnung auf dem Boden vermeiden. Zusätzlich unterstützt eine tägliche Zufuhr von Calcium und Vitamin D. Bewegung und Sport sind ein unentbehrlicher Teil der Osteoporosepräventation und -behandlung. Über die Bewegung werden Knochen und Muskeln aufgebaut. Neben der verbesserten Koordination und Vitalitätssteigerung sind ausreichende Calcium- und Vitamin-D-Aufnahme wichtig für einen positiven Knochenstoffwechsel.

Verschiedene Diagnosemöglichkeiten

Bei Osteoporoseverdacht stehen unterschiedliche ärztliche Diagnosemöglichkeiten zur Verfügung:

  • Befragung (Anamnese) über Risikofaktoren, weitere Krankheiten und Medikamenteneinnahme
  • Körperliche Untersuchung, auch zur Bestimmung von Muskelkraft/Koordination und Erkennen von Schmerzen
  • Messung der Knochendichte (DXA, ggf QCT), Messung an Wirbelsäule und/oder Hüftknochen bei minimaler Strahlenbelastung (schnell durchgeführt und gut reproduzierbar)
  • Röntgen (Wirbelsäule)
  • Beurteilung der Knochendichte

Die mit der DXA gemessenen Knochendichtewerte werden mit den Werten junger Erwachsener verglichen und es wird ein sogenannter T-Wert berechnet. Eine niedrige Knochendichte führt nicht zwangsläufig zu einem Knochenbruch. Die Kosten werden dann von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, wenn aufgrund konkreter anamnestischer und klinischer Befunde eine gezielte Behandlungsabsicht einer Osteoporose besteht.

Behandlung der Osteoporose

Neben Ernährung, Lebensstil, Bewegung und körperlicher Aktivität ist eine medikamentöse Behandlung der Osteoporose oftmals unerlässlich. Es gibt eine aktuelle leitliniengerechte Osteoporosetherapie, die man beim Dachverband Osteologie nachlesen kann. Hier wird neben einer Basistherapie mit Calcium und Vitamin D eine antiresorptive Therapie (mit einer Reduktion des Abbaus von Knochensubstanz), eine anabole Therapie (mit Förderung der Bildung neuer Knochensubstanz) sowie sonstiges, was eine Beeinflussung von Knochenumbau und Knochenmasse herbeiführt, beschrieben. Bei den Osteoporosemedikamenten gibt es verschiedene Darreichungsformen, sodass orale, subcutane und intravenöse Verabreichungen möglich sind. Diese werden dann abhängig vom Medikament täglich, wöchentlich oder monatlich oral eingenommen. Subcutan werden sie entweder täglich für einen bestimmten Zeitraum oder halbjährlich gegeben. Die intravenöse Verabreichung erfolgt quartalsweise per Injektion oder einmal jährlich per Infusion. Der Behandlungserfolg wird dabei entscheidend durch die Therapietreue des Patienten beeinflusst.

Bild: Fotolia/VideoDoctor

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