Grundvermögen im Erbschaftsteuerrecht
Steuerliche Bewertungsmethoden in Anlehnung an die für die Verkehrswertermittlung üblichen Verfahren
Von Dipl.-oec. Marco Reimann, SalzgitterDie Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts aus dem Jahre 2009 hat bedeutende Änderungen mit sich gebracht, die vielen bisher noch nicht bekannt sind. Besonders betroffen sind Erwerber von Grundvermögen, da bei der Bewertung von Grundvermögen die Steuerwerte über den tatsächlichen Verkehrswerten liegen können.
Im Steuerrecht stellt das Grundvermögen neben dem land- und forstwirtschaftlichen und dem Betriebsvermögen eine eigene Vermögensart dar, die bei Vermögensübertragungen nach den Grundsätzen des Bewertungsrechts wertmäßig festzustellen ist. Zum Grundvermögen gehören:
- der Grund und Boden,
- die Gebäude,
- die sonstigen Bestandteile und das Zubehör,
- das Erbbaurecht,
- das Wohnungseigentum, Teileigentum, die verschiedenen Erbbaurechte nach dem Wohnungseigentumsgesetz, soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder um Betriebsgrundstücke handelt.
Bewertung unbebauter Grundstücke
Der Steuerwert unbebauter Grundstücke ermittelt sich nach der Grundstücksfläche und den jeweils aktuellen Bodenrichtwerten. Der Bodenrichtwert ist ein Quadratmeterpreis, der auf Basis von Kaufpreissammlungen der Gemeinden gebildet wird und einen für jedes Gemeindegebiet durchschnittlichen Lagewert für Beitragspflicht und beitragsfreies Bauland darstellt. Bodenrichtwerte werden maßgeblich von der sogenannten Geschossflächenzahl, der Nutzungsart und Grundstückstiefe geprägt. Sind keine Bodenrichtwerte verfügbar, muss der Bodenwert aus den Werten vergleichbarer Flächen abgeleitet werden. Abweichungen und Besonderheiten – wie z. B. Lage, Lärm usw. – finden keine Berücksichtigung. Die Folge ist, dass die neuen Steuerwerte teilweise über dem tatsächlichen Verkehrswert liegen können.
Bewertung bebauter Grundstücke
Je nach Art der Bebauung gelten für die Berechnung der Steuerwerte für bebaute Grundstücke das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren.
Die Anwendung dieser Bewertungsverfahren erfordert eine hohe Kompetenz im Bereich der Immobilienbewertung. Der Gesetzgeber hat jedoch durch fehlende Definitionen – u. a. bei der Anwendung des Ertragswertverfahrens (z. B., wann bei der Schätzung der üblichen Miete ein Vergleichsobjekt ähnlicher Art, Lage und Ausstattung vorliegt) – „Spielräume“ geschaffen, die zu unterschiedlichen Bewertungsergebnissen führen können.
Die einzelnen Bewertungsverfahren im Überblick
- Vergleichswertverfahren
Das Vergleichswertverfahren kommt für Grundstücke in Betracht, die mit weitgehend gleichartigen Gebäuden bebaut sind und bei denen sich der Grundstücksmarkt an Vergleichswerten orientiert. Das Bewertungsrecht sieht das Vergleichswertverfahren für die Bewertung von Wohnungseigentum, Teileigentum sowie für Ein- und Zweifamilienhäuser vor. Beim Vergleichswertverfahren wird der Marktwert eines Grundstücks aus tatsächlich realisierten Kaufpreisen von anderen Grundstücken abgeleitet. - Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren findet Anwendung bei bebauten Grundstücken, bei denen der nachhaltig erzielbare Ertrag für die Wertschätzung am Grundstücksmarkt im Vordergrund steht, sog. typische Renditeobjekte. Das Ertragswertverfahren kommt daher zur Anwendung bei Mietwohngrundstücken, Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt. - Sachwertverfahren
Das Sachwertverfahren kommt für bebaute Grundstücke in Betracht, bei denen es für die Werteinschätzung am Grundstücksmarkt nicht in erster Linie auf den Ertrag ankommt, sondern die Herstellungskosten im gewöhnlichen Geschäftsverkehr wertbestimmend sind. Im Sachwertverfahren sind daher Wohnungseigentum, Teileigentum sowie Ein- und Zweifamilienhäuser, soweit ein Vergleichswert nicht vorliegt, Geschäftsgrundstücke und gemischt genutzte Grundstücke, für die sich auf dem örtlichen Grundstücksmarkt keine übliche Miete ermitteln lässt, sowie sonstige Grundstücke zu bewerten. Beim Sachwertverfahren wird der Wert von bebauten Grundstücken auf der Grundlage des Substanzwertes – Summe aus Herstellungskosten der auf dem Grundstück vorhandenen baulichen sowie nicht baulichen Anlagen und Bodenwert – ermittelt.
Grundstücksart | Maßgeblicher Steuerwert |
---|---|
Grundsätzlicher Wert für alle Grundstücksarten | → Gemeiner Wert (Verkehrswert) |
Unbebaute Grundstücke | → Bodenrichtwert |
Bebaute Grundstücke als Ein- und Zweifamilienhäuser als Mietwohngrundstück als Wohnungs- und Teileigentum als Geschäftsgrundstück |
→ Ertragswert
|
Gemischt genutzte Grundstücke • wenn übliche Miete ermittelbar • wenn übliche Miete nicht ermittelbar |
→ Ertragswert → Sachwert |
Sonstige bebaute Grundstücke | → Sachwert |
Grundstücke im Zustand der Bebauung | → Bodenrichtwert zzgl. bisher angefallener Bau(herstell)kosten |
Fazit
Die einzelnen Bewertungsmethoden zur Ermittlung des Steuerwerts sind komplex und entsprechen im Wesentlichen den Methoden für die bei der Verkehrswertermittlung üblichen Verfahren.
Bei der Bewertung von Grundvermögen können die Steuerwerte über dem tatsächlichen Verkehrswert liegen. Den Betroffenen ist anzuraten, von der Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren Verkehrswertes mittels eines Sachverständigengutachtens Gebrauch zu machen, um den von der Finanzverwaltung festgestellten Steuerwerten entgegentreten zu können.
Zur Feststellung des für die Besteuerung beim Grundvermögen „tatsächlichen Wertes“ ist der Basar eröffnet, da objektive Maßstäbe nicht mehr zugrunde gelegt werden.
Foto: Panthermedia
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