Artikel erschienen am 01.04.2013
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Erneuerbare Energien – was rechnet sich wirklich?

Ein Systemvergleich hat alle Kosten zu berücksichtigen. Auch die Nutzungskosten.

Von Dipl.-Ing. Jan Laubach, Braunschweig

Seit dem 01.01.2009 ist das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) durch Bauherren einzuhalten. Das Wärmegesetz soll den Anteil erneuerbarer Energien im Wärmebereich bis 2020 von derzeit ca. 6 auf dann hoffentlich 14 % erhöhen. Zusätzlich stehen den Bauherren verlockende zinsverbilligte Darlehen oder Zuschüsse bei Einhaltung maximaler Energiereduzierungen zur Verfügung. Zum Erreichen dieser Ziele stehen dem Bauherren viele technische Möglichkeiten zur Auswahl. Die Systemlösungen der Hersteller werden immer komplexer. Wie aber ist eine wirtschaftliche Entscheidung zu fällen?

Im Sinne des Gesetzes stehen prinzipiell folgende erneuerbare Energien zur Verfügung:

  • Geothermie (dem Erdboden entnommene Wärme)
  • Umweltwärme (Luft oder Wasser entnommene
  • Wärme, z. B. Luftkollektoren)
  • Solarstrahlung
  • Biomasse (fest, flüssig, gasförmig)

In der Praxis kommen meist Mischsysteme mit zusätzlichen technischen Systemerweiterungen (kontrollierte Be- und Entlüftungen mit Wärmerückgewinnungen, Eisheizungen etc.) zur Anwendung. Durch maximale Energieverbrauchssenkungen sollen oftmals ergänzende Förderprogramme genutzt werden.

Die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung dieser gegenüber einer normalen Wärmegewinnung mittels fossiler Brennstoffe technisch aufwendigerer Versorgungssysteme erfolgt meist nach dem gleichen Muster: Den höheren Investitionskosten der Erneuerbaren-Energien-Systeme werden die reduzierten Energiebezugskosten über eine mittlere bis langfristige Nutzungsdauer gegenübergestellt. Meist werden die künftigen Energiebezugskosten dabei mit kräftigen Steigerungsraten indexiert. Auf dieser Basis ergeben sich oft erstaunlich kurze Amortisationszeiten für die komplexen Anlagensysteme der erneuerbaren Energien mit reduziertem Energiestandard.

Eine seriöse Vollkostenberechnung muss jedoch bei einem Systemvergleich verschiedener Wärmeerzeugungssysteme und Energiestandards umfassendere Daten für die Investitions- und gerade für die Nutzungsphase miteinander vergleichen.

Investitionskosten:

Der Einsatz regenerativer Energien oder aber die Einhaltung niedriger Energieverbrauchswerte fordert oftmals ergänzende technische Investitionen. Beispielhaft seien hier durch die geringeren Vorlauftemperaturen z. B. die Notwendigkeit zum Einbau von Flächenheizungen, wie z. B. Fußbodenheizungen oder aber der Einbau kontrollierter Be- und Entlüftungsanlagen mit jeweils entsprechender Regelungstechnik genannt. Beide Systeme haben gegenüber einer konventionellen Beheizung höhere und zusätzliche Investitionskosten und müssen in einer Vergleichsrechnung gegenüber einem konventionellen Wärmeerzeugungssystem und gesetzlichem Energiestandard separat ausgewiesen werden.

Objektmanagementkosten:

Je größer der Technikanteil und der Zusammenschluss unterschiedlicher Systemkomponenten, umso höher ist der künftige Bedarf des technischen Managements zu kalkulieren. Die fachspezifische dezidierte Kontrolle der Einregulierung und die optimale Betriebsführung dieser Anlagen ist oftmals Aufgabe spezieller Fachfirmen oder gut ausgebildeter „Energiemanager“ und wird nicht mehr vom „normalen Hausmeister“ nebenbei erbracht. Ebenfalls zu berücksichtigen sind erhöhte Fehlbedienungen durch die Nutzer im Objekt.

Betriebskosten:

In der Vollkostenberechnung müssen alle verschiedenen Betriebskosten über die angesetzte Nutzungsdauer genau analysiert, bewertet und für die unterschiedlichen Systeme angepasst gegenüber gestellt werden. Natürlich verringert der Einsatz regenerativer Energien den Verbrauch üblicher fossiler Brennstoffe. Aber vergessen Sie bei der Betrachtung nicht zusätzliche Energiebezugskosten für Strom (z. B. für Wärmepumpen oder aber Lüftungsanlagen). Außerdem müssen auch für komplexere technische Anlagen erhöhte Kosten für Inspektion und Wartung angesetzt werden. Kontrollierte Be- und Entlüftungen benötigen beispielsweise den regelmäßigen Austausch von Filtern oder bei dezentralen Systemen müssen gegebenfalls Brandschutzklappen regelmäßig gewartet werden.

Instandsetzung:

Auch hier gilt: Je komplizierter die Technik und je vielfältiger die Systemkomponenten, umso höher sind die kalkulatorischen Ansätze für die Instandsetzung zu wählen. Beachten Sie auch die ggf. erhöhten Kosten für Demontage und Entsorgung komplexer Installationen nach Ablauf der – oftmals reduzierten – Lebensdauer.

Eine seriöse Entscheidung für oder wider eines technischen Energieversorgungssystems und eines erhöhten Energiesparstandards kann nur erfolgen, wenn alle Kostenarten – für eine mittelfristige Nutzungsdauer (15 bis 20 Jahre) betrachtet – gegenübergestellt werden. Hierzu werden alle Kosten aus Investitions- und Nutzungsphase ermittelt und den jeweiligen Jahreszyklen zugeordnet. Über eine Barwertmethode wird dann der Vergleichswert aller Kosten abgezinst auf einen Stichtag ermittelt. Auf dieser Basis – auch als Lebenszyklusansatz (LCC) bezeichnet – erhält der Bauherr frühzeitig einen umfassenden Überblick, welche Variante sich am Ende der Nutzung tatsächlich am besten gerechnet haben wird. Alle anderen Berechnungsmethoden blenden wesentliche Kostenanteile gerade in der Nutzungszeit aus und können zu bösen Investitionsüberraschungen führen! Allen Varianten gemeinsam ist das gute Gefühl, einen sinnvollen Beitrag für die Umwelt geleistet zu haben.

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