Sachverständiger ist nicht gleich Sachverständiger
Von Dipl.-Betriebswirt (FH) Tim Petereit, BraunschweigVerschiedene Gerichte haben sich mit der Definition eines Sachverständigen auseinandergesetzt. Als Grundlage werden für diese Tätigkeit durch die Rechtssprechung und die Sachverständigenordnungen von Körperschaften, die Sachverständige öffentlich bestellen (unsere Kammern wie die IHK oder die Architektenkammer) sowie der großen Bundesverbände und Vereine (bspw. BDSF e. V.), sehr hohe Anforderungen an den Gutachter/Sachverständigen gestellt. Das soll den Auftraggebern eine gewisse Sicherheit bieten, dass sich nicht jeder vermeintliche Fachmann als Sachverständiger ausgeben kann.
Ein Sachverständiger muss
- nachweisbar über ein überdurchschnittliches Fachwissen auf einem eng begrenzten Fachgebiet verfügen;
- praktische Erfahrungen und die Fähigkeit, Gutachten zu erstellen, mitbringen;
- unparteiisch und unabhängig sein;
- in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen leben;
- darüber hinaus sollte er in der Lage sein, fachlich komplizierte Sachverhalte für den Laien verständlich und nachvollziehbar darzustellen und so als Mittler zwischen Fachwelt und Laien zu fungieren.
Sachverständige können nach Tätigkeitsfeldern und Befugnissen unterschieden werden:
1. Öffentlich bestellte und vereidigte (ö.b.u.v.) Sachverständige
Die ö. b. u. v. Sachverständigen sind speziell in § 36 GewO geregelt und wahrscheinlich dem Titel nach am bekanntesten. Ihre Ernennung ist an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft. Sie müssen vor allem ihre besondere (d. h. überdurchschnittliche) Sachkunde i. d. R. im Rahmen einer mündlichen, schriftlichen, teilweise auch praktischen Fachkundeüberprüfung durch ein unabhängiges Gremium und ihre persönliche Integrität nachweisen. Sie werden nur von bestimmten staatlichen/öffentlich-rechtlichen Stellen (z. B. Behörde, Kammern, in Braunschweig beispielsweise die IHK) ernannt.
2. Amtlich oder staatlich anerkannte Sachverständige
Die amtlich anerkannten Sachverständigen werden aufgrund besonderer, oftmals landesgesetzlicher Bestimmungen in bestimmten Bereichen hoheitlich tätig, indem sie z. B. periodische Sicherheitsprüfungen durchführen. Auch deren Ernennung ist an strenge Voraussetzungen – verbunden mit teils aufwendigen Prüfungsverfahren – geknüpft und erfolgt ebenfalls über staatliche/öffentlich-rechtliche Stellen. Ein typisches Beispiel dafür ist die Kfz-Branche und dort insbesondere die Hauptuntersuchung nach § 29 der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO).
3. Sachverständige einer akkreditierten oder anderweitig zertifizierten Stelle
Eine zu beobachtende Entwicklung im Bereich der Anerkennung von Sachverständigen, die immer mehr an Bedeutung gewinnt, ist die Zertifizierung von Sachverständigen. Die Europäische Normeninstitution hat einheitlich für alle EU-Staaten die Normenreihe 45 000 beschlossen, die inzwischen in Deutschland als DIN-Norm übernommen wurde. Durch die DIN EN ISO/IEC 17024 wird geregelt, dass bestimmte, akkreditierte Stellen ebenfalls Personen zertifizieren können, die dann als Prüfer oder Sachverständige unter bestimmten Voraussetzungen tätig werden dürfen. Diese Personen können dann entweder auf gesetzlicher Grundlage im hoheitlichen Prüfbereich, dem sogenannten regulierten Prüfbereich, oder ohne gesetzliche Grundlage im privaten Bereich, dem sogenannten nichtregulierten Bereich, tätig sein.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat nach der EG-Verordnung Nr. 765/2008 im Jahr 2010 einen Akkreditierungsbeirat eingerichtet. Dieser ist nach dem Akkreditierungsgesetz (AkkG) erforderlich. Das Gesetz über die Akkreditierungsstelle (AkkStelleG) trat im August 2009 in Kraft. Der Akkreditierungsbeirat hat in einfachen Worten gesagt die Aufgabe, die Qualität der akkreditierten Zertifizierungsstellen und somit auch der dort geprüften Sachverständigen zu überwachen.
Ziel ist die Rechtsangleichung und damit die Vermeidung von Mehrfachprüfungen in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und der Abbau technischer Handelshemmnisse durch die gegenseitige Anerkennungen von Prüfungen.
Beispiel: Eine Immobilie wird verkauft. Der Käufer nimmt ein Bankdarlehen. Um über den Wert des Hauses sicher zu sein, fordert die Bank ein Wertgutachten an und bevorzugt bei der Wahl der Sachverständigen immer öfter solche, die nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifiziert sind.
4. Selbsternannte oder verbandsanerkannte Sachverständige
Wie bereits oben schon erwähnt, ist der Begriff „Sachverständiger“ lediglich eine einfache Berufs- bzw. Tätigkeitsbezeichnung, die nicht gesetzlich geschützt ist. Somit kann sich leider jeder, der meint, er verfüge auf einem bestimmten Gebiet über besondere Sachkunde, als Sachverständiger bezeichnen und tätig werden. An besondere Voraussetzungen ist dies nicht geknüpft. Selbstverständlich unterliegen aber auch diese Sachverständigen den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, wie dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Wer also als Sachverständiger auf dem Markt wirbt, tatsächlich aber nicht über eine besondere und herausragende Sachkunde verfügt, handelt im Zweifel wettbewerbswidrig.
5. Behörden als Sachverständige
Viele gesetzliche Bestimmungen enthalten Vorschriften, nach denen Behörden und andere öffentliche Stellen zur Erstattung von Gutachten aus ihrem Fachbereich für andere Behörden verpflichtet sind. Dabei sind die gutachtenerstellenden Mitarbeiter zur Objetkivität und Neutralität verpflichtet. Ein aktuelles Beispiel: In Zeiten der schulischen Inklusion stellen die Klassenlehrer für verhaltensauffällige Kinder einen Antrag auf eine Überprüfung derselben. Ein Förderschullehrer muss die Kinder begutachten und einen Bericht mit einer Empfehlung, ob und wie diese gefördert werden können, erstellen.
Aufgrund dieser unterschiedlichen Ausprägungen und der beträchtlichen Anzahl von Sachverständigen empfiehlt es sich für den Laien bei Einbestellung eines Sachverständigen genau hinzuschauen und dessen Qualifizierung, bzw. Zertifizierung zu hinterfragen (z. B. mit Hilfe der regionalen IHK/Sachverständigenverzeichnis).
Denn wird ein Sachverständiger im privaten Auftrag tätig, so wird das Honorar zwischen ihm und dem Auftraggeber frei vereinbart. Eine Honorarordnung oder ähnliches dafür gibt es nicht. Stundensätze zwischen 50 und 150 Euro sind durchaus üblich. So können schnell einmal mehrere Hundert Euro zusammenkommen und das Ergebnis, nämlich das Gutachten, bzw. die qualifizierte Beratung sollten den finanziellen Einsatz auch tatsächlich wert sein.