Artikel erschienen am 02.05.2016
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Die „Legal Due Diligence“ beim Kauf von Wohnimmobilien

Von Jan Haupt, Braunschweig | Andreas Jahr, Braunschweig

1. Einleitung

Der Wohnungsmarkt in Niedersachsen differenziert sich immer weiter aus. In ländlichen Regionen stehen zahlreiche Wohnungen und Häuser zur Verfügung. Leerstand in den urbanen Gebieten kommt hingegen selten vor.

Die Region Braunschweig-Wolfsburg regis­trierte in den letzten Jahren stetige Einwohnerzuwächse und infolgedessen eine steigende Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt. Die Investitions- und Förderbank Niedersachsens (NBank) bezeichnet die Wohnungsmarktlage in Braunschweig und Wolfsburg in dem aktuellen Wohnungsmarktbericht 2014/2015 als angespannt.

Zugleich nimmt die Nachfrage nach Wohnimmobilien als Wertanlage insbesondere seit der Finanzmarktkrise stark zu. Als besonders sicher geltende Kapitalanlageform erfreuen sie sich bei Investoren einer ständig wachsenden Beliebtheit. Bei der Kaufentscheidung steht wie bei anderen Kapitalanlagen regelmäßig die zu erwartende Rendite im Vordergrund.

2. Immobilien-Due-Diligence

Die Investition in eine Wohnimmobilie zeichnet sich typischerweise durch eine hohe Kapitalbindung, erhebliche Übertragungskosten und ggf. eine lange Produktionsdauer aus. Diese Charakteristik bedingt das Erfordernis einer genauen Ankaufsprüfung des Investi­tionsobjektes, der sog. „Due Diligence“.

Der Begriff „Due Diligence“ kommt aus dem US-amerikanischen Kapitalmarkt- und Anlegerschutzrecht und bedeutet sinngemäß „die im Verkehr erforderliche Sorgfalt“. Bei der Immobilien-Due-Diligence geht es um eine verkehrsübliche Sorgfaltsprüfung einer Immobilie im Rahmen des geplanten Erwerbs.

Die Immobilien-Due-Diligence gliedert sich grundsätzlich in die fünf Bereiche Markt, Recht, Steuern, Technik und Umwelt. Der rechtlichen Due Diligence („Legal Due Diligence“) kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Verwertbarkeit einer Wohnimmobilie und die zu erzielende Rendite hängen wesentlich von der Einschätzung rechtlicher Risiken und Rahmenbedingungen ab.

Die anwaltliche Ankaufsprüfung sollte idealerweise vor den eigentlichen Vertragsverhandlungen erfolgen. Erkannte Risiken können die eigene Verhandlungsposition erheblich stärken. Gelegentlich beauftragt bereits der Verkäufer die Durchführung einer Due Diligence, wenn ihm umfassende Informationen über die rechtlichen Details der Bestandsimmobilie fehlen. Die Ergebnisse einer solchen Verkäuferprüfung ermöglichen eine angemessene Kaufpreisfindung und können dem potenziellen Erwerber zur Verfügung gestellt werden.

3. Relevante Bereiche einer Due Diligence bei Wohnimmobilien

Eine umfassende Prüfung der gewählten Renditeimmobilie beginnt i. d. R. bei den eigentumsrechtlichen Umständen und Belastungen eines Grundstücks. Dabei werden Grundbuch- und Katasterunterlagen gezielt nach negativen Sachverhalten („deal-breaker“) durchsucht.

Öffentlich-rechtliche Vorgaben sind ebenfalls zwingend zu prüfen. Nutzungsbeschränkungen können sich u. a. aus einem bestehenden Bebauungsplan ergeben. Nicht selten gibt es öffentlich-rechtliche Zahlungsverpflichtungen (z. B. aus städtebaulichen Verträgen). Aufmerksamkeit verlangt zudem die Beurteilung der Umwelt- und Altlastensituation. Ferner können sich aufgrund von Baulasten Beschränkungen ergeben, die der Käufer dem Grundbuch nicht entnehmen kann.

Das Kernstück des Investitionsplanes sind die Mieteinnahmen. Der Erwerber kauft eine Renditeimmobilie üblicherweise zu dem vielfachen Preis ihres Jahresertrages. Rechtssichere Mietverträge sind daher der Grundbaustein für eine hohe Rendite und ein Schwerpunkt der rechtlichen Bewertung durch Immobilienanwälte.

Bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft sind die Teilungserklärung sowie die bisherigen Beschlüsse der Gemeinschaft zu prüfen. Diese können Regelungen beinhalten, die den Erwerber binden und die er nicht mehr gerichtlich angreifen kann.

Ferner gilt es zu klären, ob Rechtsstreitigkeiten anhängig sind. Da der neue Eigentümer vom Ausgang dieser Verfahren ggf. direkt betroffen ist, sind entsprechende vertragliche Vorkehrungen zu treffen.

Steuer- und gesellschaftsrechtliche Besonderheiten sowie die bauvertragliche Abwicklung (beim Ankauf einer noch nicht fertiggestellten Immobilie) gehören ebenfalls zum Prüfungsumfang einer Immobilien-Due-Diligence.

4. Beispiele

Die folgenden Beispiele aus der Anwaltspraxis zeigen typische Risiken beim Ankauf von Wohnimmobilien. Häufig erfolgt die Beauftragung des jeweiligen Beraters erst nach der Transaktion, wenn nur noch Schadensbegrenzung möglich ist.

4.1 Mietvertragsklauseln

Hat der Investor auf eine anwaltliche Überprüfung der Mietverträge verzichtet, kann es für ihn ein böses Erwachen geben.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind etliche mietvertragliche Vereinbarungen, die von der gesetzlichen Rechtslage abweichen, unwirksam. Dies gilt insbesondere für sog. „Schönheitsreparaturklauseln“. Ob sich unwirksame Klauseln im Mietvertrag befinden, hängt von den genauen Formulierungen ab und ist für den Laien häufig schwer zu erkennen. Erlegt der Vermieter dem Mieter bspw. auf, die Wohnung alle drei Jahre zu renovieren oder bei Beendigung des Mietverhältnisses frisch renoviert zu übergeben, führt dies zur Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung. Letztlich können den Erwerber der Wohnimmobilie Kosten treffen, die er beim Ankauf nicht einkalkuliert hat.

4.2 Mieterhöhung

Im Rahmen einer Due Diligence gilt es außerdem zu überprüfen, unter welchen Voraussetzungen der Erwerber die Miete erhöhen kann.

Möglicherweise gibt es besondere vertragliche Vereinbarungen (Staffelmiete, Indexmiete). Anderenfalls kann der Vermieter die Zustimmung zu einer Erhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete verlangen. Voraussetzung ist eine seit 15 Monaten unveränderte Miete. Zudem muss das letzte Mieterhöhungsverlangen mindestens ein Jahr zurückliegen und die Miete darf sich innerhalb von drei Jahren um nicht mehr als 20 % erhöhen (sog. Kappungsgrenze).

Aktuell plant das Land Niedersachsen auf der Grundlage des Mietrechtsnovellierungsgesetzes vom 01.06.2015 den Erlass weiterer Rechtsverordnungen, um die Wohnraumversorgung in Gebieten mit angespannter Wohnungsmarktlage zu verbessern. Danach gilt für die Städte Braunschweig und Wolfsburg eine abgesenkte Kappungsgrenze von 15 % (Kappungsgrenzenverordnung).

Auswirkungen auf den Abschluss neuer Mietverträge hat die sog. „Mietpreisbremse“. Die Miete darf bei Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete um höchstens 10 % übersteigen. Ausgenommen hiervon sind lediglich Wohnungen, die erstmals ab dem 01.10.2014 vermietet werden und Neuvermietungen nach umfassender Modernisierung.

4.3 Fehlende Identität von Eigentümer/Veräußerer und Vermieter

Grundsätzlich tritt der Erwerber einer Wohn­immobilie anstelle des Vermieters in die Rechte und Pflichten des Mietverhältnisses/der Mietverhältnisse ein. Dies folgt aus der gesetzlichen Regelung des § 566 BGB („Kauf bricht nicht Miete“).

Zu Problemen kann es kommen, wenn zwischen der Person des Vermieters und des Eigentümers keine Identität vorliegt, z. B. wenn ein Mietverhältnis mit einer rechtsfähigen Personengesellschaft (GbR, GmbH, AG) besteht, aber nur einer der Gesellschafter Eigentümer des Grundstücks ist.

Unter Umständen erlangt der Erwerber das Eigentum an der Wohnimmobilie, ohne in die Vermieterstellung einzutreten. Die Frage, ob der Eintritt des Erwerbers in das bestehende Mietverhältnis zwingend die Identität zwischen Eigentümer und Vermieter voraussetzt, ist sowohl in der Instanz- als auch der BGH-Rechtsprechung geprägt von zahlreichen Einzelfallentscheidungen.

Hier muss eine entsprechende Beratung und Vertragsgestaltung dafür Sorge tragen, dass nach der Veräußerung einer vermieteten Wohnimmobilie keine bösen Überraschungen auftreten.

4.4 Öffentliche Fördermittel

Die Refinanzierung von Wohnimmobilien erfolgt nicht selten unter Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel. Eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus ist aufgrund der notwendigen Unterbringung von Flüchtlingen absehbar. Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, die Mittel des sozialen Wohnungsbaus auf 1 Mrd. Euro zu verdoppeln.
Es stellt sich die Frage, ob die zugrunde liegenden Förderbescheide bestandskräftig sind. Möglicherweise sind nicht alle Nebenbestimmungen erfüllt oder können in der Zukunft nicht weiter eingehalten werden. Zu prüfen ist ferner, ob sich ein Widerruf des Fördermittelbescheides und ggf. die Inanspruchnahme dinglicher Sicherungen ausschließen lassen. Fördermittelbescheide sind personenbezogen. Es ist daher darauf zu achten, dass die Übertragung auf den Endinvestor gesichert ist.

5. Zusammenfassung

Weitsichtige Investoren lassen vor dem Ankauf einer Wohnimmobilie eine umfassende Überprüfung durch erfahrene Immobilienanwälte vornehmen. Die Ergebnisse der Ankaufsprüfung fließen in den Kaufvertrag ein und wirken sich ggf. auf den Kaufpreis aus.

Die Kosten für eine „Legal Due Diligence“ sind aufgrund der Einsparungen bei den Folgekosten in jedem Fall gut angelegt.

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