Artikel erschienen am 18.05.2016
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Neue Perspektiven für Quartierssanierung in Kommunen

Von Dr. iur. Rüdiger Scheller, Braunschweig

1. Business Improvement Districts (BIDs)

BIDs sind eine Alternative, um den möglichen Funktionsverlust der Innenstädte aufzuhalten. Der weltweit erste BID wurde in Kanada in einem Stadtteil von Toronto durchgeführt. Grundidee der gesamten Maßnahme ist die Erhebung einer zweckgebundenen Abgabe aller Grundstückseigentümer, Gewerbetreibenden und sonstigen Betroffenen dieses Gebietes zur Verbesserung der Gesamtstruktur in diesem Gebiet. Um Trittbrettfahrer zu vermeiden, die zwar an den Vorteilen durch die Belebung der Innenstadt teilhaben, sich aber an den Kosten nicht beteiligen, ist es erforderlich, dass die gesetzlichen Grundlagen durch ein Landesgesetz geschaffen werden. Aufgrund dieses Landesgesetzes ist es dann möglich, von allen ortsansässigen Beteiligten diese Abgabe zu verlangen. Diese BID-Projekte können nur dann zum Erfolg geführt werden, wenn im Vorfeld alle Beteiligte darüber abgestimmt haben. Ist das Ergebnis für die Durchführung positiv ausgegangen, kann das Gebiet festgesetzt werden und die Betroffenen sind dann verpflichtet, die Kosten auch zu tragen. Vorteil dieser Projekte ist, dass der Kreis der Nutznießer derjenigen, die über die Durchführung des Projektes entscheiden und derjenigen, die die Kosten zu tragen haben, identisch ist. Der Vorteil ergibt sich somit aus drei Punkten:

  • Über Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen entscheiden die Betroffenen selbst und gemeinsam.
  • Die Kosten der erbrachten Leistungen werden auf alle Anlieger mittels einer verpflichtenden BID-Abgabe umgelegt.
  • Die erbrachten Leistungen sind für alle Anlieger vorteilhaft und können von allen Betroffenen genutzt werden. Durch die mit dieser BID-Abgabe finanzierten Maßnahmen ist es möglich, dass sowohl die Grundeigentümer als auch die Geschäftsleute aus dem Areal die Attraktivität des Geschäftsbetriebs und des Grundeigentums aufwerten können.

Die Abgabe dient somit zum Vorteil des gesamten Gebiets. Durch die von allen Betroffenen zu zahlende Abgabe ist es nicht möglich, dass Trittbrettfahrer auftreten. Die Gebietsentwicklung wird durch alle gemeinsam getragen. Möglich erscheint auch, dass die jeweilige Kommune zusätzlich zu den Anrainern eigene Mittel zur Verfügung stellt. Dies könnte vor allem dann infrage kommen, wenn die Gemeinde auch sonst Investitionen hätte tätigen müssen.

Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass durch die BID-Lösung und die gemeinsame Zusammenarbeit zwischen Gewerbetreibenden, Grundstückseigentümern, sonstigen Betroffenen und der Gemeinde die Verbesserung des jeweiligen Gebiets erreicht werden kann. Eine BID-Lösung ist somit zum Vorteil aller Betroffenen.

Beispiel
Die Freie und Hansestadt Hamburg ist deutschlandweit das erste Bundesland gewesen, in dem auf Initiative der ansässigen Händler im Bereich Bergedorf und Neuer Wall ein BID umgesetzt wurde. Aktuellstes Projekt ist das Nikolai-Quartier.

2. Housing Improvement District (HIDs)

Ausgehend von den positiven Erfahrungen bei BIDs in Hamburg hat Hamburg im Jahre 2013 sog. Housing-Improvement-District-Modelle gestartet: Ansatz ist nicht die Verbesserung von notleidenden Geschäftsvierteln, sondern von Wohnungsvierteln mit sozialen Spannungsfeldern, verkommener Wohninfrastruktur und starken Abwärtstrends (hohe Leerstände, Kriminalitätsrate, Vandalismus). Bei entsprechender Akzeptanz der beteiligten Eigentümer wird über eine Verordnung ein Pflichtprogramm festgeschrieben mit entsprechendem Beteiligungsdruck auf die Eigentümer. Die erstmalige Umsetzung erfolgte in Hamburg-Steilshoop im Rahmen einer ÖPP-Variante an einen Hamburger Bauträger, der schon BID-Erfahrung vorweisen konnte. Das Projekt ist fertiggestellt.

3. Neighborhood Improvement District (NIDs)

Dies ist die neueste bisher noch nicht erprobte Variante für ein Urban-Improvement-District-Modell und soll bei gemischt genutzten Quartieren eingesetzt werden.

4. Fazit und Ausblick

Die Situation in Niedersachsen war bisher dadurch gekennzeichnet, dass für die Durchführung die notwendige gesetzliche Grundlage fehlt, während diese in verschiedenen anderen Bundesländern bereits seit Langem besteht und positive Erfahrungen gemeldet werden. Die derzeitige Niedersächsische Landesregierung hat erst im Frühjahr 2015 einen ersten Arbeitsentwurf zur Einführung für BIDs und Co. in Niedersachsen präsentiert. Es ist damit zu rechnen, dass die Entscheidung über ein BID-Gesetz durch den Niedersächsischen Landtag noch in dieser Legislaturperiode erfolgt. Damit würde die bisherige Praxis der Quartierssanierung in Niedersachsen, die im Rahmen der sog. Quartiersinitiative Niedersachsen (QuiN) auch in Braunschweig praktiziert wurde, durch ein schlagkräftiges Instrument ersetzt. Die Erfahrungen bei den beiden QuiN-Projekten im Friedrich-Wilhelm-Viertel (Kultviertel) und Altstadtviertel in Braunschweig sind leider gedämpft, da die Beteiligung der Eigentümer, der Geschäftsinhaber und der Bewohner auf freiwilliger Basis zu wünschen übrig ließ und darunter auch die Umsetzung leidet.

Mit der Einführung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für Stadtortinitiativen sowohl für Einkaufsviertel, kritische Wohnquartiere und Mischgebiete ist ein Instrument bereitgestellt, dass rechtzeitig die Entwicklung eines Standortes steuern und den Niedergang verhindern kann. Die mit Einführung eines solchen Urban-Improvement-Districts eintretenden Kooperationseffekte verbessern die Zusammenarbeit zwischen den Privaten und der öffentlichen Hand. Dies ist ein weiteres Beispiel für einen erfolgreichen Einsatz von Öffentlich-privaten Partnerschaften und sollte insbesondere den Kritikern dieser Modelle vor Augen führen, dass kein Weg daran vorbeigeht, wenn Kommunen die zukünftigen Herausforderungen der Verbesserung und den Erhalt der Lebensqualität der Bürger bewältigen wollen. Dies ist angesichts der bevorstehenden Schuldenbremse und der enormen Aufgaben zur Energiewende nicht die einzige, aber doch eine wesentliche Lösungsvariante zur Bewältigung der Probleme.

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