Artikel erschienen am 12.05.2017
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Bezahlbarer Wohnungsbau

Von Dr.-Ing. Kerstin Wolff, Braunschweig | Dipl.-Ing. Patrick Schmidt, Braunschweig

Immer mehr Menschen zieht es in die deutschen Städte. Das Institut der deutschen Wirtschaft schätzt, dass München bis zum Jahr 2035 um weitere 200 000 Einwohner und Berlin um weitere 500 000 Einwohner wächst. Dieser Trend wirkt sich auch auf die Region Braunschweig/Wolfsburg aus.

Eine Studie der N-Bank aus den Jahren 2014/20151 prognostiziert für Braunschweig ein Anwachsen auf bis zu 280 000 Einwohner im Jahre 2035 – dieses entspräche einem Wachstum von rund 14 %. Unstrittig ist, dass der Wohnraum in Braunschweig immer knapper wird und die Miet- und Kaufpreise von Immobilien in den letzten Jahren stetig gestiegen sind. Entlastung auf dem Wohnungsmarkt sollen neue Wohngebiete schaffen, in denen bis 2020 gemäß dem Wohnraumversorgungskonzept der Stadt Braunschweig rund 5 000 Wohneinheiten entstehen sollen. Aufgabe aller Planungsbeteiligten ist es nun, diesen Wohnraum bezahlbar zu gestalten. Im Folgenden werden einige wesentliche Kostenfaktoren beim mehrgeschossigen Mietwohnungsbau erläutert.

Nachhaltiger Wohnraum

In Zeiten einer Wohnungsknappheit besteht die Gefahr, dass kurzfristig und lokal gebündelt viel Wohnraum gleichen Standards generiert wird, der in nachfolgenden Jahrzehnten deutlich an Attraktivität verliert. Als Braunschweiger Beispiel sei hier auf die einstige Vorzeigesiedlung „Weststadt“ verwiesen. Um eine langfristige Attraktivität zu bewahren, sieht das Konzept der Stadt Braunschweig eine Verteilung der zu schaffenden Wohneinheiten auf viele einzelne Wohngebiete und eine Durchmischung der Gebiete mit unterschiedlichen Nutzungen (Wohnen, Kindertagesstätten, kleine Gewerbeeinheiten) vor. So soll in den Neubaugebieten urbanes Leben entstehen.

Komplexes Tragsystem aufgrund unterschiedlicher Nutzungen

Aus konstruktiver Sicht gewinnt durch die Nutzungsmischung die Bauaufgabe allerdings an Komplexität (z. B. große Gruppenräume in der Kindertagesstätte, mehrere kleinteilige Räume in Wohnbereichen).
Da die unterschiedlichen Nutzungen jedoch übereinander angeordnet werden und die Lasten von den oberen Geschossen nach unten in den Baugrund abgeleitet werden müssen, ist es zumeist notwendig, die Lasten aus den Wohngeschossen im Bereich des Erdgeschosses aufwendig zu transferieren. Die im Mehrfamilienhausbau fast schon standardmäßig dazugehörende Tiefgarage mit ihrem an den Stellplätzen orientierten Tragsystem erhöht die Komplexität des Tragsystems auf ein weiteres. Großes Einsparpotenzial kann hier in den frühen Planungsphasen genutzt werden – bei der architektonischen Ausarbeitung der einzelnen Grundrisse sollte parallel das Tragsystem von „unten nach oben“ entwickelt werden. Eine enge Zusammenarbeit von Architekten und Tragwerksplanern ist dabei von entscheidender Bedeutung.

Um die Grundstücksfläche optimal zu nutzen, wird zumeist die größtmögliche Fläche des Grundstücks überbaut. Der verbleibende Platz reicht dann nicht aus, ausreichend Stellplätze für die Wohneinheiten oberirdisch vorzuhalten, sodass eine Tiefgarage vorzusehen ist. Aufgrund des relativ hohen Grundwasserstands in Braunschweig ist oft eine wasserdichte Ausführung der Tiefgarage notwendig. Hieraus resultiert eine deutliche Kostensteigerung. Vereinfacht gilt, dass ein Stellplatz in einer Tiefgarage das 6-fache eines oberirdischen Stellplatzes kostet und den monatlichen Mietpreis einer Wohnung schnell um 1 Euro/m² erhöht. Spätestens hier wird klar, dass es lohnenswert ist, über alternative Mobilitätskonzepte nachzudenken und diese bei der Entwicklung neuer Wohngebiete von Anfang an zu integrieren.

Mobilitätskonzepte

Ein guter Anschluss an das Radwegenetz, angrenzender öffentlicher Nahverkehr und Carsharing-Stationen im Wohngebiet erlauben es, Mobilität ganzheitlich zu denken und eventuell die Anzahl der vorzuhaltenden Stellplätze – und damit auch die Errichtungskosten – zu reduzieren. Ist trotz Mobilitätskonzept die Tiefgarage notwendig, so können hier die Errichtungskosten maßgeblich reduziert werden, wenn die Tiefgarage oberhalb des Grundwasserstands errichtet wird. Oft reicht hierzu eine Anhebung des Erdgeschosses um 80 cm und die Ausbildung eines Sockels aus.

Planerische Randbedingungen und Nutzerempfinden

Planungsrechtliche Veränderungen wie z. B. die überarbeitete Energieeinsparverordnung tragen zu einem weiteren Anstieg der Baukosten bei. Mit einer weiteren Verschärfung ist hier vermutlich nicht zu rechnen, da Fachgremien wie z. B. das Bündnis bezahlbares Wohnen und Bauen darauf hinweisen, dass durch weitere Verschärfungen die „zu erreichenden Energieeffizienz- und Klimaschutzvorteile und damit ggf. verbundene Einsparungen im Verhältnis zur Baukostensteigerung gering seien“2. Gestiegene Nutzerwünsche, z. B. erhöhter Schallschutz, Ausstattung und Erschließung über Aufzüge, führen ebenfalls zu einer Erhöhung der Baukosten. Diese Wünsche sollten – zur Sicherung einer langfristigen Vermietbarkeit – weitestgehend berücksichtigt werden. Nichts ist teurer als eine kostengünstig errichtete Immobilie, die nach wenigen Jahren nicht mehr vermietet werden kann.

Fazit

Die Kosten im Wohnungsbau werden durch eine Vielzahl von Parametern bestimmt. Eine frühzeitige und integrale Planung, bei der alle Fachplaner zusammen mit dem Bauherrn das Projekt entwickeln, ermöglicht eine deutliche Kostenreduktion. Es gilt, den architektonischen Entwurf möglichst geschickt mit dem Tragsystem zu kombinieren: Ein guter architektonischer Entwurf und eine gute Wohnqualität sichern eine langfristige Vermietbarkeit; ein einfaches Tragsystem spart Kosten.

Fußnoten

1 NBank, Generationengerechtes Wohnen in Niedersachsen – Perspektive 2035, Wohnungsmarktbeobachtung 2014/2015, Heft 22
2 Bündnis bezahlbares Wohnen und Bauen, Kernempfehlungen und Maßnahmen, Auftraggeber: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit; Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, 25.11.2015

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