Artikel erschienen am 06.06.2018
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Der Sachverständige als Berater bei der Veräußerung

Mit Marktkenntnis und Sachverstand den optimalen Preis erzielen

Von Dipl.-Ing. Stephan Lechelt, Braunschweig

Der Verkauf ist immer das Finale einer jeden Immobilieninvestition. Nur durch ihn können Werterhöhungen der Immobilie realisiert werden, die zuvor lediglich als rechnerische Buchgewinne vorhanden oder zumeist gar nicht bekannt waren. Unter Umständen muss aber auch akzeptiert werden, dass der Markt die Wertigkeit der Immobilie deutlich geringer einschätzt, als der Eigentümer bis dahin annahm. Die Gründe für die Veräußerung einer Immobilie sind sehr vielfältig und von der Motivation des Verkäufers abhängig. Was die allermeisten Eigentümer aber eint, ist der Wunsch, die Immobilie zu einem guten, marktgerechten Preis zu verkaufen. Doch wie hoch ist dieser Preis und welche Umstände beeinflussen die Käufer regelmäßig bei ihrer Preisfindung? Bei gängigen Wohnimmobilien sind diese Fragen oft recht einfach zu beantworten. Handelt es sich aber um Renditeobjekte, fällt dies schon deutlich schwerer. Im folgenden Artikel werden daher die unterschiedlichen Aspekte beleuchtet und eine sinnvolle Vorgehensweise beschrieben. Denn eins gilt grundsätzlich: Den Preis macht der Markt!

Die einfachen Immobilien

Zunächst muss geklärt werden, um welche Art von Immobilie es sich bei der Veräußerung handelt. Jede Immobilienart ist einem eigenen Marktsegment zu-
zuordnen, in dem regelmäßig andere Bedingungen herrschen. Da bei Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Reihenhäusern und Doppelhäusern fast ausschließlich die Eigennutzung im Vordergrund steht, handeln die Käufer oftmals mehr aus emotionalen als aus rationalen Motiven. Da findet bei der Kaufentscheidung der schöne Blick in einen gepflegten Garten oder die Einbau-küche mehr Beachtung als die kostenintensive Instandsetzung von diversen Bauteilen zu einem späteren Zeitpunkt, die für den Laien nicht sofort erkennbar ist, dem Immobilienfachmann aber aufgrund des Baualters sofort ins Auge fällt. Für den Verkäufer ist es daher wichtig zu wissen, zu welchen Preisen vergleichbare Objekte tatsächlich veräußert wurden. Da hilft es, wenn ein Sachverständiger einen Auszug aus der Kaufpreissammlung des örtlichen Gutachterausschusses für Grundstückswerte zu Vergleichspreisen anfordert und aufbereitet. Da die Gutachterausschüsse alle notariell beglaubigten Kaufverträge für Immobilien erhalten, kennen sie den jeweiligen Immobilienmarkt sehr genau. Gegenüber diversen anderen Anbietern von Marktinformationen handelt es sich bei den Vergleichspreisen des Gutachterausschusses um tatsächlich realisierte Kaufpreise, also um den realen Markt und nicht um Angebotspreise oder anderweitig abgeleitete Werte. Der Sachverständige analysiert die Kaufpreise und unterbreitet dem Eigentümer eine belegbare Einschätzung für einen marktgerechten Preis. Da allein der Auszug aus der Kaufpreissammlung über 100 Euro kostet, ist dies mit einem gewissen finanziellen Aufwand verbunden, der sich aber bei einem positiven Verkauf zu einem guten Preis schnell amortisiert. Darüber hinaus hat der Verkäufer mit den tatsächlichen Vergleichs­preisen ein starkes Verkaufsargument in der Hand, um auf eventuelle Preisminderungen seitens potenzieller Käufer zu reagieren. Wenn der Eigentümer dann noch alle notwendigen Unterlagen und Informationen vorliegen hat, die der Käufer für die Bankfinanzierung und den Notar benötigt, steht einer erfolgreichen Veräußerung nichts mehr im Wege. Auch in diesem Bereich kann der Sachverständige durch seine Marktkenntnisse und Erfahrungen dem Verkäufer beratend zur Seite stehen.

Die interessanten Immobilien

Sobald es sich beim Verkauf um Renditeimmobilien handelt, spielen in erster Linie die monetären Aspekte eine Rolle. Die Motivation der potenziellen Käufer ist das Geldverdienen mit der Immobilie. Mehrfamilien- sowie Wohn- und Geschäftshäuser sind noch relativ einfach strukturiert, wobei es sich z. T. um grundverschiedene Teilmärkte handelt. Werden bei Mehr­familienhäusern die Einnahmen komplett aus der Wohnungsvermietung erzielt, kann bei Wohn- und Geschäftshäusern, vor allem in sehr zentralen Lagen, die erdgeschossige Handelsnutzung der wesentliche Ertragsbringer sein. Doch sie haben eine Gemeinsamkeit: das deutsche Wohnmietrecht. Vielen Käufern von entsprechenden Objekten ist im Moment des Kaufes nicht klar, in welche vertraglichen Bindungen sie sich begeben und wie eng die gesetzlichen Regelungen sind. Die Kündigung eines Wohnungsmieters, weil das Verhältnis der Mieteinnahmen zu den notwendigen Investitionen unwirtschaftlich ist, ist vor deutschen Gerichten fast aussichtslos. Da der potenzielle Käufer gut beraten ist, die bestehenden Mietverträge zu prüfen, sollte der Eigentümer im Rahmen der Veräußerung die Verträge und eine eventuelle Historie aufbereitet haben und neben den üblichen Unterlagen und Informationen zur Verfügung stellen.

Bei der Preisfindung für solche Objekte steht der Ertrag im Vordergrund. Daher sollte der Eigentümer im Vorfeld der Veräußerung prüfen, inwieweit sich die Mieteinnahmen durch Anpassungen steigern lassen oder gewerbliche Verträge verlängert werden können, um den Umfang der vertraglich gesicherten Mieten zu vergrößern. Dies kann ihm mit der externen Hilfe eines marktkundigen Beraters gelingen, und er sollte die sich bietenden Möglichkeiten unbedingt vor dem Verkauf umsetzen. Denn die tatsächlichen Einnahmen werden im Rahmen der Kaufpreisfindung i. d. R. höher bewertet als die Chance auf eine eventuelle Mieterhöhung in der Zukunft, die mit Unwägbarkeiten verbunden ist. Die Relation der durch Mietverträge gesicherten Einnahmen zum Kaufpreis ist eine wichtige Kennzahl zur Beurteilung einer Investition, spiegelt sie doch das Chance-Risiko-Profil der jeweiligen Immobilie sehr gut wider.

Die spannenden Immobilien

Wirklich interessant wird es dann aber bei den gemischt genutzten Grundstücken. Dabei handelt es sich oftmals um ehemalige Betriebsgrundstücke oder aufgegebene landwirtschaftliche Hofstellen, die sich im Laufe der Jahrzehnte zu wahren „Gemischtwarenläden“ entwickelt haben. Den Eigentümern ging es zumeist darum, aus der bestehenden Bausubstanz in irgendeiner Form Erträge zu erwirtschaften, ohne übermäßige Investitionen vornehmen zu müssen. Eine professionelle Strategie unter Beachtung der jeweiligen Marktentwicklung oder höherwertigen Umnutzung wurde eher nicht verfolgt. Da mischen sich dann u. a. munter Wohn- und Gewerbemietverträge unterschiedlicher Gestaltungs­-
arten und Laufzeiten. Wenn dann auf der Eigentümerseite der Entschluss zur Veräußerung gefasst wird, sollte eine umfassende Bestandsaufnahme der tatsächlich vorhandenen Bindungen, Belastungen und Bestandteile des Grundstücks vorgenommen werden. Denn der Markt reagiert auf die vielen Unsicherheiten, die mit solchen gemischt genutzten und über Jahrzehnte organisch entwickelten Grundstücken verbunden sind, sehr oft mit erheblichen Preisabschlägen. Und das, obwohl diese Grund­-
stücke häufig erhebliche Potenziale aufweisen, vor allem, wenn sie in einem städtischen Umfeld gelegen sind. Der wesentliche Grundsatz lautet daher: Transparenz schaffen, um Risiko­abschläge bei der Preisfindung zu minimieren.

Dafür ist ein Prozess notwendig, der einige Zeit in Anspruch nimmt, sich aber schlussendlich über einen signifikant höheren Kaufpreis auszahlt. Dazu wird z. B. ein Konzept für die Veräußerung durch einen Immobiliensachverständigen erstellt. Im Rahmen eines solchen Konzepts werden u. a. das bestehende Planungsrecht geprüft, alle miet- und sonstigen vertraglichen Bindungen ausgewertet, Altlasten eruiert sowie die Substanz und der Zustand der baulichen Anlagen erfasst. Auf Grundlage dieser umfänglichen Prüfung wird untersucht, in welcher Form das Grundstück am Markt angeboten werden sollte. Unter Umständen ist die Teilung und vollständige Beräumung, d. h. die Lösung aller vertraglichen Bindungen und der Abriss aller Gebäude, die wirtschaftlichste Lösung, weil der Markt unbebaute Grundstücke in der Lage gerade am meisten nachfragt. Dem Eigentümer werden somit Handlungsoptionen aufgezeigt sowie alle mit dem Grundstück verbundenen Chancen und insbesondere auch Risiken offengelegt.

Im nächsten Schritt erfolgt die Ableitung eines marktüblichen Preises. Dazu kann die zuvor beschriebene Analyse von Vergleichskaufpreisen oder eine originäre Wertermittlung mittels der normierten Verfahren durch den Sachverständigen verwendet werden. Da Risiken durch potenzielle Käufer mit Preisabschlägen berücksichtigt werden, ist die sachgerechte Bewertung dieser Risiken durch entsprechende Spezialisten ein wirksames Mittel, um einen optimalen Preis zu erzielen. Der Sachverständige kann dem Eigentümer im weiteren Veräußerungsprozess daher beratend zur Seite stehen, um z. B. einen Altlastenverdacht durch eine Fachfirma untersuchen zu lassen oder die vertraglichen Bindungen durch einen entsprechenden Fachanwalt zu beenden. Zielsetzung ist die Minimierung der Unwägbarkeiten, welche einem höheren Kaufpreis im Wege stehen.

Der Sachverständige ist kein Makler

Viele Aspekte, welche gerade im ersten Teil des Artikels beschrieben wurden, werden durch einen guten Makler auch erbracht. Grundsätzlich ist aber zu beachten, dass die Intentionen von Makler und Sachverständigem verschieden sind. Der Makler ist in erster Linie am Verkauf einer Immobilie interessiert und wird nur honoriert, wenn die Transaktion tatsächlich stattgefunden hat. Dass er oftmals nicht vom Eigentümer, der ihn beauftragt hat, sondern vom Käufer bezahlt wird, ist eine deutsche Eigenart und führt zu zusätzlichen Befindlichkeiten. Bei der Beauftragung eines Sachverständigen verhält es sich i. d. R. anders. Seine Leistung wird vollkommen unabhängig vom Verkaufserfolg und ausschließlich vom beauftragenden Eigentümer honoriert. Damit kann sich dieser sicher sein, dass der Sachverständige ausschließlich auf seiner Seite steht und nur seine Interessen vertritt. Die Leistungen des Sachverständigen sind mit einem erheblichen Aufwand verbunden, der zwar zunächst vergütet werden muss, aber über den optimierten Kaufpreis wieder eingespielt werden kann. Ob der Eigentümer mit den gewonnenen Erkenntnissen das Objekt dann selber vermarktet oder einen Makler mit guten Verbindungen zu potenziellen Käufern einschaltet, kann er dann immer noch entscheiden.

Transparenz bringt Geld

Vor jedem Verkauf einer Immobilie sollte das jeweilige Marktumfeld eingehend geprüft und alle mit dem Objekt verbundenen Aspekte erhoben, analysiert und auf ihre Preisrelevanz hin bewertet werden. Je komplexer die Immobilie bzw. das Grundstück, desto umfassender muss der Veräußerungsprozess vorbereitet werden. Denn eins ist klar: Risiken und Unwägbarkeiten kosten Geld!

Foto: Andreas Rudoplh

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