Artikel erschienen am 20.06.2018
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Interview: Seniorengerechtes Wohnen im Rahmen einer Immobilienentwicklung

Bedürfnisse und Wünsche der Senioren wandeln sich stetig

Von Julius H. Junicke, Braunschweig

In einem vertrauten, eigenen Umfeld wohnen. Selbständig sein, einen sozialen und urbanen Stadtraum genießen können. Vielen Menschen ist dies immer wichtiger, verbunden mit Anforderungen etwa an neue Technologien. Julius H. Junicke sprach über aktuelle Trends und Entwicklungen im Interview.

 

Bei der Thematik Projektentwicklung im Bereich seniorengerechtes Wohnen – wie können wir uns da die Schaffenskette vorstellen?
Julius H. Junicke: Die Kunden, für die heute seniorengerechnetes Wohnen infrage kommt, sind oftmals die, die den zweiten Weltkrieg noch miterlebt haben. Sie bauten damals ein Haus, über die Jahre wurden schließlich Haus und Garten zu groß. Die Pflege konnten sie kaum noch selbst übernehmen. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Die Senioren bleiben weiterhin in dem Haus, haben mit den Herausforderungen zu leben und müssen sich sicherlich Hilfe hinzuholen. Die Alternative dazu ist im Grunde die goldene Regel: Ist das Haus zu groß, benötigt man meist professionelle Unterstützung, um die Immobile zu verkaufen. Gemeinsam werden Pläne gemacht: Was soll im Hause verbleiben? Welche Erinnerungsstücke sollen beispielsweise eingelagert werden oder kommen mit in die neue Wohnung? Dann ist der Blick für das Detail wichtig.

Aus der Erfahrung lässt sich sagen, dass es dann Wohnungen mit zwei bis drei Zimmern, mit 50 bis 120 m² werden. Eine Größe, in der sich Senioren gut aufgehoben fühlen und später bei Bedarf auch einen Pflegedienst hinzuziehen können. Die Leute wollen nicht in einem Altersheim alt werden. Viele empfinden das als Kurve nach unten: Mit vielen Menschen um einen herum, denen es schlechter geht, geht es einem selbst auch bald schlechter. Daher ist es wichtig, dass man ein Umfeld um sich hat, in dem man auch mal in lachende Kinderaugen gucken kann oder auch einfach das tägliche Alltagsleben im Blick hat.

Wie würden Sie die Situation beschreiben, wenn ein Entwickler für die gesamtheitliche Betreuung beauftragt wird?
Julius H. Junicke: Abgesehen von den Neubaumaßnahmen – bei denen neueste Standards eingesetzt werden – und allem, was damit verbunden ist: Was passiert, wenn der Senior einmal im Urlaub oder aus anderem Grund außer Haus ist? Wer kümmert sich gegebenenfalls bei einer Erkrankung um die Pflege? Der Entwickler begleitet die Immobilie gerne auch weiterhin, sorgt dafür, dass es einen bunten Strauß an Dienstleistern gibt, die die Senioren tatkräftig unterstützen, sodass man auch lange frei und unabhängig in seinen eigenen vier Wänden wohnen kann und nicht in ein Seniorenheim muss.

Wie würden Sie die aktuelle Situation beschreiben – wie haben sich die Bedürfnisse der Senioren in der letzten Zeit verändert?
Julius H. Junicke: Früher wünschten sich die Senioren oft einen großen Keller, weil sie in der früheren Kriegszeit vieles eingelagert haben – dieser wird heute nicht mehr zwingend benötigt. Grundsätzlich ist die Generation, die seniorengerechtes Wohnen in Anspruch nimmt, viel digitaler und lifestyleaffiner als man glaubt. Viele sind bereit, die neuen technischen Möglichkeiten zu nutzen.

Mit Blick auf den Standort der Immobilien ist es ferner so, dass im Gegensatz zu früher die Kinder seltener am gleichen Ort wie die Eltern leben. Das hatte früher einen ganz anderen Stellenwert. Früher war das normal – auch, dass die Kinder später die Immobilie übernommen haben und dort eingezogen sind. Das hat sich enorm verändert, der Arbeitsplatz wird heute viel häufiger gewechselt, somit auch der Wohnort.

Mit Ansprüchen wie Balkon und Garten und einer luxuriösen Ausstattung der Wohnung, vielleicht einer Garage und anderen Wünschen kommt man in einer Seniorenresidenz schnell auf mehrere tausend Euro Kosten je Monat. Darin sind meist noch nicht einmal die Verpflegung und viele Dinge des alltäglichen Lebens enthalten. Bei einer Wohnung, wie beschrieben, kommt man beispielsweise leicht auf rund 1 000 Euro. Da ist dann bereits auch alles enthalten. Weniger Wohnraum bedeutet auch weniger Last und mehr Flexibilität sowie Freiheit.

Nehmen Sie noch andere, bestimmte Wünsche wahr?
Julius H. Junicke: Viele Senioren möchten zurück ins Zentrum, also im Stadtkern wohnen oder zumindest die für den täglichen Gebrauch benötigten Läden fußläufig erreichen.

Kann man diesem Anspruch gut gerecht werden?
Julius H. Junicke: Das ist die große Herausforderung. Abgesehen davon, geeignete Flächen oder Immobilien zu finden, dauern viele Genehmigungsprozesse einfach zu lange. Hierbei ist auch die Politik gefordert, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen.

In puncto neue Technologien, was können Sie dazu sagen?
Julius H. Junicke: Im Bereich Smart Home tut sich ganz viel. Ein Praxisbeispiel ist etwa der Hausnotruf in Form eines Knopfes an einer Halskette oder an einem Armband. Dort kann der Mensch jederzeit draufdrücken, in dem Falle würde eine Notfallzentrale informiert werden und Hilfe kommen. Auch spezielle Brandmelder, die sowohl Feuerwehr, Rettungsdienst als auch die Notfallzentrale informieren. Eine große Angst ist oft: Was passiert, wenn ich falle? Für solche Fälle sind neue Technologien wie diese wirklich sinnvoll.

Wie verschafft man sich dabei ein besseres Verständnis für die Möglichkeiten der Generation etwa mit Blick auf Mobilität und Wahrnehmung?
Julius H. Junicke: Tatsächlich gibt es dafür Mittel.
Mit entsprechenden Alterssimulationsanzügen beispielsweise, mit denen man weniger sieht, schlechter laufen kann. Wie gut kommt man dann noch in die Dusche? Erreicht man die anderen Dinge in der Wohnung? Bei der Planung sollte man die Umstände – also Anforderungen – bestmöglich berücksichtigen.

Können Sie beschreiben, welche Punkte ein Projektentwickler heute zusätzlich zu beachten hat, um eine attraktive Seniorenwohnanlage zu entwickeln?
Julius H. Junicke: Es geht nicht nur darum, eine Immobilie zu entwickeln, sondern ein Gesamtpaket. Architektur, Garten, Ausstattung und die Liebe zum Detail sind sehr entscheidend. Vielleicht auch Kunst in der Wohnung oder davor? Den Blick für das Detail zu haben. Ein guter Vermieter zu sein, die Nebenkosten im Blick zu haben und sich auch Gedanken um Themen wie das Leben und die Bedürfnisse der Bewohner zu machen.

Fotos: Oliver Pohl

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