Artikel erschienen am 06.06.2018
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Wie baut Deutschland Wohnungen?

Von Dipl.-Ing. Hinrich Schulze, Wendeburg

Die Wohnungsknappheit und ihre Folgen stehen seit Jahren im Fokus des öffentlichen Interesses. Zwischen Bedarf und Angebot klafft gerade in Ballungsräumen – dazu gehört auch der Raum Braunschweig – eine große Lücke.

Bundesweit müssten pro Jahr mindestens 350 000 bis 400 000 Wohnungseinheiten erstellt werden und dies über Jahre, damit sich wieder ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage in den Ballungsräumen einstellt. Davon sind wir zur Zeit weit entfernt. So wurden in den Jahren 2014 und 2015 nur 250 000 Wohnungseinheiten und im Jahr 2016 knapp 300 000 erstellt. Durch die Wohnungsknappheit kann das Grundbedürfnis der Menschen auf bezahlbaren Wohnraum nicht umfänglich sichergestellt werden. Dies kann zu Ausgrenzungen und zu sozialen Spannungen führen. Somit steht schon seit Jahren der Wohnungsbau bei Planern und Ausführenden ganz oben auf der Liste und hat sich wieder zum wichtigsten Segment im Bauwesen entwickelt.

Der Wohnungsbau wird traditionell – besonders in Norddeutschland – mit Mauerwerk erstellt. Bundesweit werden 73 % aller Wohnungen aus Stein und Mörtel errichtet. Es folgen dann die Baustoffe Stahlbeton (14 %) und Holz (11 %). Dies hat natürlich auch seine Gründe. Mauerwerkskonstruktionen bieten sowohl bei technischen Anforderungen (z. B. Tragfähigkeit, Schallschutz)als auch bei der Ökologie mit den Aspekten der Nachhaltigkeit sowie bei ökonomischen Ansprüchen, Vorteile gegenüber anderen Konstruktionsarten.

Bautechnisch muss eine Konstruktion im Wohnungsbau Standsicherheit gewährleisten und die Anforderungen der Bauphysik – Brandschutz, Schallschutz und Wärmeschutz – erfüllen. Die Ansprüche an die Standsicherheit und den Brandschutz sind durch gesetzliche Vorgaben festgelegt. Beim Schallschutz und Wärmeschutz werden die gesetzlichen Vorgaben durch weiterreichende privatrechtliche Regelwerke ergänzt bzw. die Anforderungen deutlich erhöht. Dies gilt z. B. für den Schallschutz, bei dem sich ein erhöhtes Schallschutzniveau einer Neubauwohnung sich heute zum Standard entwickelt hat. Beim Wärmeschutz stellen die KFW-Förderprogramme entsprechende höhere Niveaus dar. Wichtig ist, dass alle Bereiche der Statik nach den Vorgaben möglichst einfach und sicher erfüllt werden sollten. Mauerwerkskonstruktionen erfüllen all diese Forderungen ohne erhöhten technischen oder finan­ziellen Aufwand. Hohe Tragfähigkeit mit gleichzeitigem exzellenten Schallschutz und Brandschutz zeichnen die Massivbauweise mit Mauerwerk aus.

Baustoffe bzw. Baukonstruktionen werden heute häufig auch nach Aspekten der Ökologie und der Nachhaltigkeit beurteilt. Dabei werden u. a. die Ressourcenschonung bei den Ausgangsstoffen, der Energieeinsatz bei Herstellung und dem Transport, die Langzeit-CO²-Bilanz des Gebäudes während der Nutzungsphase und das Recycling nach der Nutzungsphase verglichen. Alle Steine bestehen aus natürlichen Rohstoffen. Bei den für die Erstellung notwendigen Rohstoffen – Kies, Sand, Bims, Blähton oder Ton, die in Deutschland regional gut verteilt und praktisch unbegrenzt verfügbar sind – muss nicht auf Importe zurückgegriffen werden, wie das im Bereich Stahl und Holz z. T. der Fall ist. Durch die regionale Produktion von Steinen liegen die Transportentfernungen zu den Baustellen bei durchschnittlich 50 km und sind somit deutlich kürzer als für Holz aus heimischen Wäldern mit durchschnittlich 170 km. Während im Bereich von geschnittenem Nadelholz der Bedarf aus heimischen Wäldern gedeckt werden kann, sieht es bei dem für den Baubereich und für die Möbelindustrie wichtigen Nadelrohholz anders aus. Das dort benötigte Nadelholz wird z. T. über tausende Kilometer aus dem Ausland herangeschafft, während deutsches geschnittenes Nadelholz ins Ausland exportiert wird. Somit kann der Stein als ein regionales Produkt angesehen werden, was auf Holz nicht immer zutrifft.
Für die Nutzung einer Wohnung bzw. eines Hauses spielt die Langzeit-CO²-Bilanz eine wichtige Rolle. Hier schneiden, auf 50 Jahre bezogen, Steinhäuser genauso gut oder schlecht wie Häuser aus Holz ab. Bei 80 Jahren Betrachtungszeitraum schneiden massive Häuser erkennbar besser ab. Dies belegen aktuelle Nachhaltigkeitsuntersuchungen mit Bewertungs­-kriterien anerkannter Zertifizierungssysteme.

Nach der Nutzungsphase ist der Stein ein Recycling-Stoff: Alle Steine werden nach dem Abriss von Häusern als mineralische Baustoffe zu über 90 % wiederverwertet. Für sie beginnt ein „zweites Baustoff-Leben“. Das sind harte Recycle-Öko-Fakten aus dem Monitoring-Bericht der Initiative Kreislaufwirtschaft Bau. Eine Wiederverwendung von Holz im Kreislauf des Bauens ist nur untergeordnet möglich.

Bei Mehrfamilienhäusern liegt der Kostenvorteil gegenüber dem Holzbau bei bis zu 6 % oder anders ausgedrückt: Die Erstellungskosten sind bei Holzkonstruktionen ungefähr 67 Euro pro Quadratmeter höher als beim Massivbau aus Mauerwerk. Dies wird belegt durch Langzeituntersuchungen der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. in Kiel.
Bei Betrachtung unter Berücksichtigung des Lebenszyklus eines Gebäudes von 80 Jahren ergeben sich bei Mauerwerksgebäuden Kosten von 300 – 370 Euro/m² für eine Außenwandkonstruktion. Beim Stahlbeton liegen diese bei 330 – 385 Euro/m² und bei Holzaußenwandkonstruktionen bei 385 – 490 Euro/m². Der Wohnungsneubau mit Mauerwerk ist eine der wirtschaftlich günstigsten Varianten. Dies gilt auch bei der Versicherung von Wohngebäuden. Die Versicherung gegen Brand ist bei Massivhäusern kein Problem. Im Gegensatz dazu ist dies aber bei Holzhäusern der Fall. Dort sind deutliche höhere Prämien zu entrichten, da das Schadens­risiko auch deutlich höher ist.

Fazit

Das gemauerte Haus wird preisgünstig gebaut und es bleibt auch noch günstig, wenn es steinalt wird.

Foto: Fotolia/Gundolf Renze | Grafik: „Die Steins – Pocket-Fakten“/ Deutsche Gesellschaft für Mauerwerksbau, Berlin

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