Artikel erschienen am 26.04.2023
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Update Corona und das Immobiliengeschäft

Von Sebastian Klie, Braunschweig | Katarzyna Chabas, Braunschweig

Gewerbemietrecht: Rechte und Pflichten

Seit Beginn des zweiten Lockdowns gelten wieder schärfere Maßnahmen und zahlreiche Beschränkungen. Viele Geschäfte und Einrichtungen mussten ihren Betrieb zwischenzeitlich erneut einstellen. Daher stellt sich die Frage, ob Vermieter wegen Zahlungsrückständen kündigen und/oder Mieter die Miete kürzen können?

Kündigung des Mietverhältnisses wegen Mietrückständen?

Im ersten Lockdown hat der Gesetzgeber zum Schutz der Mieter Kündigungsbeschränkungen gesetzlich normiert. Danach ist der Vermieter nicht berechtigt, das Mietverhältnis wegen Mietrückständen aus den Zeiträumen von April 2020 bis Juni 2020 zu kündigen. Diese Kündigungsbeschränkung gilt bis zum 30.06.2022 und nur dann, wenn die Rückstände in Zusammenhang mit der Pandemie stehen. Mieter, die im o. g. Zeitraum ihre Mieten vollständig oder teilweise nicht gezahlt haben, erhalten faktisch ein Stundungsrecht bis zum 30.06.2022.

Im zweiten Lockdown hat der Gesetzgeber auf eine gleichlautende Regelung verzichtet. Damit bleiben Mieter grundsätzlich zur Mietzahlung verpflichtet. Bei Zahlungsrückständen, die nach Juni 2020 aufgelaufen sind, kann der Vermieter das Mietverhältnis unter Umständen fristlos kündigen.

Mangel der Mietsache und/oder Störung der Geschäftsgrundlage?

Ob und inwieweit Mieter berechtigt sind, die vereinbarte Miete vollständig oder teilweise zu kürzen, war bereits im Zuge des ersten Lockdowns Gegenstand diverser erstinstanzlicher Gerichtsentscheidungen. Höchstrichterlich ist diese Frage noch nicht entschieden.

Bei Beurteilung der Sach- und Rechtslage müssen Gerichte regelmäßig zwei Grundfragen beantworten:
1. Stellt die behördlich angeordnete Schließung des Geschäftsbetriebes einen Mangel der Mietsache dar?
2. Besteht ein Anspruch auf Vertragsanpassung auf Grundlage der sog. Störung der Geschäftsgrundlage?

Bisher veröffentlichte Gerichtsentscheidungen sind uneinheitlich. Überwiegend verneinten die Gerichte jedoch das Vorliegen eines Mangels und ein damit einhergehendes Mietminderungsrecht. Dies ist unter Zugrundelegung der Gesetzessystematik – vorbehaltlich abweichender vertraglicher Vereinbarungen – richtig, weil das Verwendungsrisiko beim Mieter liegt. Das Objekt selbst eignet sich noch zum vertragsgemäßen Gebrauch. Gebäudespezifische Mängel liegen auch nicht vor. Lediglich das Landgericht München I sah in der behördlichen Schließungsanordnung einen Mietmangel und gewährte dem Mieter ein nach dem Grad der Beeinträchtigung gestaffeltes Minderungsrecht zwischen 80 % im April 2020 und 15 % im Mai und Juni 2020.
In übrigen Entscheidungen verneinten die Gerichte einen Mietmangel. Einige (wenige) Instanzgerichte haben unter Zugrundelegung der Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage jedoch ein Anpassungsrecht der Mieter dergestalt bejaht, dass für die Dauer der Schließungsanordnungen lediglich eine hälftige Miete zu zahlen sei.

Die meisten Instanzgerichte haben jedoch sowohl einen Mietmangel als auch das Recht zur Vertragsanpassung verneint (u. a. LG Lüneburg; LG Frankfurt a. M.; LG Heidelberg; LG München II).

Gesetzesänderung: Coronabedingte Schließung kann Störung der Geschäftsgrundlage sein
Der Gesetzgeber reagierte auf diese uneinheitliche Rechtsprechung. In Gewerbemiet- und Pachtverhältnissen können behördlich angeordnete Schließungen infolge der Pandemie nunmehr eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1 BGB sein. Danach kann eine Partei die Anpassung des Vertrages verlangen, wenn sich Umstände, die zur Vertragsgrundlage geworden sind, schwerwiegend verändert haben und die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Nunmehr wird vermutet, dass behördlich angeordnete Schließungen infolge der Pandemie eine solche schwerwiegende Veränderung darstellen.

Die Rechtslage wird durch die Gesetzesänderung nicht übersichtlicher. Zum einen kann die Vermutungswirkung unter bestimmten Voraussetzungen widerlegt werden, zum anderen gilt sie nur begrenzt. Nach wie vor bedarf es einer umfassenden Betrachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalles.

Die Vermutungswirkung erstreckt sich auf das sog. reale Merkmal, also die schwerwiegende Veränderung eines Umstands, der zur Vertragsanpassung berechtigen kann. Erforderlich ist daneben aber auch – und hierauf erstreckt sich die Vermutungswirkung nicht –, dass die Parteien den Vertrag bei Kenntnis nicht oder nur mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten. Weiter ist auch erforderlich, dass einem der Vertragsteile das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen hat der Mieter weiterhin nachzuweisen.

Ist nach Bewertung sämtlicher Umstände eine Vertragsanpassung vorzunehmen, muss im zweiten Schritt ermittelt werden, welche konkrete Rechtsfolge hieraus abzuleiten ist. Dabei ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Ein Automatismus, wonach im Falle coronabedingter Maßnahmen immer eine Reduktion der Miete oder eine sonstige Vertragsanpassung erforderlich wäre, verbietet sich.

Der Mieter wird daher konkrete Beeinträchtigungen, die ihm durch die staatlichen Maßnahmen entstanden sind, nachzuweisen haben. Dafür wird er seine Bilanzen (auch des Online-Geschäftes) sowohl für den streitigen Zeitraum als auch für die vorherigen Zeiträume offenlegen müssen. Auch wird er darlegen müssen, welche Gegenmaßnahmen er zur Abmilderung der Folgen der Pandemie ergriffen hat (z. B. Kurzarbeit, Beihilfen, Zuschüsse etc.). Das Ersparte (bspw. Mitarbeitergehalt) wird er sich anrechnen lassen müssen.

Auch die Lage des Vermieters muss bewertet werden. Entsprechend zu berücksichtigen ist u. a., ob die Mieteinnahmen den wesentlichen Lebensunterhalt des Vermieters abdecken (sollen) und/oder, ob das Objekt fremdfinanziert ist.

Fazit: Es bleibt spannend!

Die Gesetzesänderung hat die zuvor bestehenden Probleme nicht gelöst, sondern lediglich auf eine andere Ebene verlagert. Gerichte werden sich auch in Zukunft mit den Rechtsfolgen zu befassen haben.

Privates Baurecht: Die COVID-19-Pandemie als Störung des Bauablaufs?
Die Auswirkungen des Lockdowns, Abstandsregeln, Quarantäne und insbesondere Probleme bei der Beschaffung von Baumaterial können bei Bauvorhaben zu Verzögerungen führen.

Haben die Vertragsparteien im Bauvertrag einen verbindlichen Termin für die Fertigstellung der Bauleistungen vereinbart, ist der Bauunternehmer an diesen Termin gebunden. Hält er die Fertigstellungsfrist nicht ein, stehen dem Auftraggeber gegen den Bauunternehmer regelmäßig Ansprüche auf Zahlung einer Vertragsstrafe und/oder auf Schadensersatz zu.

Die oben genannten Auswirkungen der Pandemie können aber dazu führen, dass der Bauunternehmer die Verzögerungen im Bauablauf nicht zu vertreten hat und deshalb für eine Überschreitung der Fertigstellungsfrist nicht haftet.

Der Bauunternehmer kann sich jedoch nicht pauschal auf Corona berufen und einen Freifahrtschein für jegliche Verzögerung beanspruchen. Stattdessen müssen Bauunternehmer – wie sonst auch – konkrete Behinderungen anmelden. Dies sollte stets schriftlich erfolgen. Dabei müssen Art, Ausmaß und voraussichtliche Dauer der Behinderung detailliert bezeichnet und die Auswirkung auf den Bauablauf dargestellt werden. Nur wenn der Bauunternehmer die Verzögerungen nicht anderweitig kompensieren kann, kommt eine Verlängerung der vereinbarten Bauzeit in Betracht.

Bauunternehmer sollten die Anzeige von Behinderungen deshalb nicht auf die leichte Schulter nehmen und darauf achten, sowohl die Behinderung selbst, als auch die Behinderungsanzeige sorgsam zu dokumentieren.

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