Artikel erschienen am 01.06.2011
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Stiftungsgeschichte(n)

Ein ganz kurzer Ausflug in eine lange braunschweigische Tradition

Von Malte Schumacher, Braunschweig

Die Stiftungslandschaft im Braunschweiger Land ist vielfältig und traditionsreich zugleich: Zu nennen sind in diesem Zusammenhang zunächst beispielhaft das Stift Gandersheim (gestiftet von Graf Liudolf, 852), das Kloster Ringelheim (941), die Magnikirche in Braunschweig (1031), der Braunschweiger Dom (gestiftet und begonnen 1173 vom Welfenherzog Heinrich dem Löwen) und einige Braunschweiger Klosterspitäler wie das Marienhospital von 1245 (heute die älteste noch bestehende Stiftung öffentlichen Rechts in der Region). Ebenfalls im 13. Jahrhundert entstand die älteste heute noch wirkende rechtsfähige privatrechtliche Stiftung im Braunschweiger Land, genauer in Bad Gandersheim (Frauenhaus zum Heiligen Geist, gestiftet 1238).


Im Laufe der Geschichte hat das Stiftungswesen in unserer Region verschiedene Boom- und Krisenzeiten erlebt, die eng mit der jeweiligen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung zusammenhingen. So entwickelte sich im 13. und 14. Jahrhundert in der Handelsstadt Braunschweig ein sichtbarer Wohlstand von Kaufleuten und Gewerbetreibenden. Diese waren bereit dazu, Armen, Leidenden und Hungernden zu helfen: Durch mildtätige Stiftungen entstanden Hospitäler und Armenanstalten (Stiftungsmotiv: „christliche Nächstenliebe“). Eine weitere signifikante Stiftungsphase bilden das 19. und das frühe 20. Jahrhundert, befeuert von der auch im Braunschweigischen ökonomischen Wohlstand bringenden Industrialisierung. Bedeutende Braunschweigische Unternehmerpersönlichkeiten wie Vieweg, Schimmel und Jüdel übernahmen soziale Verantwortung und begründeten Stiftungen, die teilweise bis heute wirken (Jüdel-Stiftung) oder unterstützten existierende Stiftungen und soziale Einrichtungen.

Das 20. Jahrhundert brachte mit Inflation, Erstem Weltkrieg, Nazidiktatur, Zweitem Weltkrieg und Währungsreform jedoch in der Folge Entwicklungen hervor, die das Stiftungswesen nicht nur quantitativ weit zurückwarfen. Für die 1980er und 1990er Jahre konstatiert der Historiker Professor Dr. Gerd Biegel, auf dessen Ausführungen dieser kurze Beitrag ganz erheblich basiert, einen erneuten Stiftungsboom im Braunschweiger Land insbesondere in den Themenfeldern Naturschutz, Kunst und Kultur sowie Wissenschaft und Forschung. Insgesamt ist die Stiftungsdichte in unserer Region erfreulich hoch, die Stadt Braunschweig belegt in der Rangliste „Stiftungsdichte in deutschen Großstädten über 100 000 Einwohnern“ stets einen Platz unter den ersten 25 (Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen).

Aktuell sind im Bereich der Regierungsvertretung Braunschweig, der im Braunschweiger Land zuständigen Stiftungsaufsichtsbehörde, über 300 rechtsfähige privatrechtliche Stiftungen verzeichnet, die sehr lebendig vom stetigen Einsatz der Bürger des Braunschweiger Landes für das Allgemeinwohl zeugen. Hinzu kommen die zahlreichen weiteren Stiftungsformen: öffentlich-rechtliche Stiftungen, kirchliche Stiftungen, Unternehmensträgerstiftungen, Familienstiftungen sowie unselbstständige Stiftungen – sie alle mit ganz unterschiedlichen historischen Entwicklungsläufen. So geht z. B. auch die heutige Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz – eine öffentlich-rechtliche Stiftung – zurück auf das Jahr 1569 und den von Herzog Julius seinerzeit gegründeten Braunschweigischen Klosterfonds.

Bislang fehlt eine umfassende Darstellung der gesamten braunschweigischen Stiftungslandschaft; die Träger des Kooperationsprojektes „Haus der Braunschweigischen Stiftungen“ (siehe Seite 30) prüfen gerade, wie dieses Desiderat bewältigt werden kann. Vorerst ist auf den auch für diesen Beitrag grundlegenden Aufsatz von Professor Dr. Gerd Biegel zu verweisen: „Stiftungsgeschichte des Braunschweiger Landes – ein historischer Streifzug“. Dieser wurde publiziert in „Ihr Einsatz bitte. Stiftungen – aktiv in der Region. Dokumentation zum 1. Braunschweigischen Stiftungstag“, die Sie zum Download auf den Internetseiten der STIFTUNG NORD/LB • ÖFFENTLICHE finden, (Untermenü Service/Download/Dokumentation).

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