Gesetzliche Änderungen in der Umsatzsteuer ab 2024

Wichtige Hinweise zur Ist-Versteuerung und zur Umsatzsteuer in der Gastronomie

Von Dipl.-Kfm. Carsten Rullmann, Salzgitter-Bad

Gerade in der Umsatzsteuer spielt hierbei die europäische Rechtsprechung eine immer größere Rolle. In diesem Zusammenhang möchten wir auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 10.02.2022 (C.9/20) hinweisen, das sich mit dem Vorsteuer-Abzug eines Unternehmers mit IST-Versteuerung beschäftigt hat. Abschließend stellen wir noch kurz die aktuelle Entwicklung der Umsatzsteuersatzanpassung in der Gastronomie dar.

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Massive Änderungen bei der IST-Versteuerung sind zu erwarten!

Grundsatz:
Nach § 16 Abs. 1 UStG ist die Steuer nach vereinbarten Entgelten zu berechnen. Nach § 13 Abs. 1 UStG entsteht die Steuer bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (Soll-Versteuerung).

Die Steuerschuld wird also auf Beträge berechnet, die das Unternehmen ggf. noch gar nicht erhalten hat. Das kann die Liquidität bedrohen. Für kleinere Unternehmen gibt es deshalb eine Sonderregelung im § 20 UStG.

Voraussetzungen der Ist-Versteuerung:
Nach § 20 UStG kann das Finanzamt auf Antrag gestatten, dass ein Unternehmer, dessen Gesamtumsatz im vergangenen Kalenderjahr eine bestimmte Grenze nicht überschritten hat, die Steuern nach den vereinnahmten Entgelten berechnet. Voraussetzung für einen Antrag ist,
dass der Gesamtumsatz eines Unternehmers im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 600.000 Euro betragen hat, oder
der Unternehmer von der Verpflichtung, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nach § 148 der Abgabenordnung (AO) befreit ist oder
soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des EStG ausführt oder
er eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, soweit er nicht freiwillig Bücher führt und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse macht oder hierzu gesetzlich verpflichtet ist.

Hinweis: Voraussichtliche Änderung des Grenzwerts ab 2024

Der zurzeit vorliegende Entwurf des Wachstumschancengesetzes sieht ab dem 01.01.2024 eine Erhöhung des Grenzwerts von 600.000 Euro auf 800.000 Euro vor.

Bislang war die Rechtslage in Deutschland also eindeutig: Die Umsatzsteuer entsteht grundsätzlich mit Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wird. Im Gegenzug darf der Vorsteuerabzug bereits zu dem Zeitpunkt geltend gemacht werden, in dem die Leistungsempfängerin oder der Leistungsempfänger die Rechnung erhält. Auf den Zeitpunkt der Bezahlung kommt es nicht an, vorausgesetzt, die Leistung ist ausgeführt. Darf der leistende Unternehmer, z.B. als Freiberufler, auf Antrag seine Umsatzsteuer statt nach vereinbarten Entgelten (Soll-Versteuerung), nach vereinnahmten Entgelten (IST-Versteuerung), berechnen, entsteht die Umsatzsteuer ausnahmsweise erst mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist. Der Vorsteuerabzug bleibt aber nach den allgemeinen Grundsätzen auch für den IST-Versteuerer unabhängig von seiner Zahlung mit Erhalt der Rechnung bestehen, sofern die Leistung an ihn bereits ausgeführt worden ist.

Mit eingangs erwähntem Urteil hat der EuGH nunmehr entschieden, dass die Regelungen im deutschen Umsatzsteuerrecht im Hinblick auf den Vorsteuerabzug aus Leistungen eines Unternehmers mit der IST-Besteuerung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sind. Das Unionsrecht verlangt damit die Verknüpfung der Entstehung der Umsatzsteuerschuld bei Leistenden mit der Vorsteuerabzugsberechtigung beim Leistungsempfänger.

Welche Folgen ergeben sich für die Praxis?

Da der EuGH das deutsche Umsatzsteuerrecht zu diesem Thema für unionswidrig erklärt hat, muss dies an die unionsrechtlichen Vorgaben angepasst werden. Nach Art. 1 Nr. 5 Entwurf einer Richtlinie in Bezug auf die Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter soll spätestens zum 01.01.2024 die zurzeit bestehende Option für die Mitgliedsstaaten, bei IST-Versteuerung der Leistungen, auch den Vorsteuer-Abzug nur nach getätigter Zahlung vornehmen zu können, zur Verpflichtung werden.

Betroffen von einer solchen Änderung sind Sie als vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer, wenn Sie Leistungen von einem IST-Versteuerer beziehen. In Zukunft wird ein Vorsteuerabzug aus Leistungen eines Unternehmers mit Ist-Versteuerung erst bei Zahlung möglich sein. Aktuell ist für Sie als Unternehmer nicht erkennbar, ob Sie die Lieferung bzw. Leistungen von einem Unternehmer mit Ist-Versteuerung beziehen oder nicht. Hier muss der Gesetzgeber eine Regelung schaffen, wie für den Leistungsempfänger erkennbar ist, dass der leistende Unternehmer seine Umsatzsteuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (IST-Versteuerung).

Ausblick: Die Reaktion der deutschen Finanzverwaltung bleibt noch abzuwarten. Unternehmer können bis zu einer gesetzlichen Neuregelung oder einer Änderung der Verwaltungsauffassung auf die Regelung des deutschen Umsatzsteuerrechts vertrauen. Somit besteht derzeit für Sie als Unternehmer vorerst noch kein Handlungsbedarf.

Nach einer entsprechenden Umsetzung der geforderten Regelung wird es für vorsteuerabzugsberechtigte Steuerpflichtige jedoch zu einer massiven Änderung in den betriebsinternen Prozessen kommen. Neben den zusätzlichen Angaben in den Rechnungen sind betriebsinterne Vorkehrungen zu treffen, dass bei einer Leistung durch einen IST-Versteuerer der Vorsteuer-Abzug nicht bereits zum Zeitpunkt des Erhalts der Rechnung, sondern erst nach getätigter Zahlung vorgenommen werden darf.

Umsatzsteuersatz in der Gastronomie

Der bis Jahresende 2023 ermäßigte Steuersatz von 7% in der Gastronomie auf Essen im Restaurant wird nicht verlängert. Der Steuersatz hat sich zum 01.01.2024 auf 19% erhöht.

Der ermäßigte Steuersatz für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken bezog sich auf die Abgabe von zubereiteten oder nicht zubereiteten Speisen zum sofortigen Verzehr und stellte eine Reaktion auf die Corona-Pandemie und die damit einhergegangenen Einbrüche im gastronomischen Wirtschaftssektor dar.

Eingeführt wurde die Regelung mit einer Geltung zunächst vom 01.07.2020 bis 30.06.2021 durch das Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.06.2020, verlängert bis 31.12.2022 durch das 3. Corona-Steuerhilfegesetz vom 10.03.2021 sowie abermals zeitlich auf den 31.12.2023 erweitert durch das 8. Gesetz der Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 24.10.2022.

Vergeblich hatte die Branche zuletzt vehement dafür geworben, die Steuersenkung nicht auslaufen zu lassen.

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