Artikel erschienen am 01.01.2012
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Schutzrechte vorbenutzen erlaubt?

Von Dipl.-Ing. Thomas Ostermann, Paderborn

Schutzrechte, wie Patente und Marken, ermöglichen den Inhabern durch Eintragung in das Register von Patent- und Markenämtern ein zeitlich beschränktes Monopolrecht zur Benutzung dieser Schutzrechte. Die absolute Sperrwirkung durch die registrierten Schutzrechte gegenüber dritten Wettbewerbern kann allerdings im Einzelfall zu Härten führen. Zur Abmilderung dieser Härten können sich Dritte auf ein sogenanntes Vorbenutzungsrecht berufen, das allerdings nicht für alle Schutzrechtsarten in gleichem Maße greift.

1. Vorbenutzung von Patenten

Hat jemand bereits vor dem Anmeldetag des Patents Kenntnis von der patentgeschützten Erfindung erhalten und hat er diese vor dem Anmeldetag benutzt oder für die Benutzung ernsthafte Vorbereitungen getroffen, so hat er einen Besitzstand erworben, der zur Weiterbenutzung der Erfindung berechtigt. Das Patent entfaltet ihm gegenüber keine Wirkung.

Dieses Vorbenutzungsrecht ist allerdings an den Betrieb des Vorbenutzers gebunden. Es darf somit nur in diesem Betrieb ausgeübt werden und kann nicht auf eine Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft übertragen werden. Es erlischt durch Verzicht oder durch endgültige Einstellung des Betriebs.

2. Vorbenutzung von Marken

Das Markenrecht kennt grundsätzlich kein Vorbenutzungsrecht. Ein benutztes Zeichen hat deshalb gegenüber einer später angemeldeten Marke das Nachsehen. Eine Weiterbenutzung kann durch den Markeninhaber untersagt werden, was für den Vorbenutzer in der Regel mit erheblichen Kosten (Verwarnungskosten, Vernichtung von Katalogen etc.) verbunden ist.

Ein zulässiges Benutzungs- bzw. Weiterbenutzungsrecht für ein Zeichen liegt aber dann vor, wenn mit dem Zeichen gekennzeichnete Produkte intensiv beworben und damit das Zeichen bekannt ist – man denke beispielsweise an „Nivea“. Dieses bekannte Zeichen kann dann mitunter auch als Marke eingetragen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass durch Angabe von Umsätzen, Marktanteilen, Werbeaufwendungen oder durch Meinungsumfragen die Bekanntheit des Zeichens nachgewiesen werden kann. Entscheidend ist hier aber, dass diese intensive Benutzung vor dem Anmeldetag der anderen Marke stattgefunden haben muss.

Ein zulässiges Benutzungs- bzw. Weiterbenutzungsrecht für ein Zeichen liegt auch dann vor, wenn die andere Marke bösgläubig angemeldet worden ist. Dies ist bei einer Sperrmarke der Fall, wenn der Markeninhaber in Behinderungsabsicht einem Dritten die Aufnahme oder die Fortführung der Benutzung dieses Zeichens verbieten will.

In vielen Fällen ergibt sich die Behinderungsabsicht daraus, dass der Markeninhaber die Benutzung des Zeichnens durch den Dritten bereits kannte. Auch kann eine Behinderungsabsicht angenommen werden, wenn es dem Markeninhaber darum geht, finanzielle Vorteile aus seiner Marke zu erzielen, beispielsweise durch Veräußerung der von ihm angemeldeten Marke an den Vorbenutzer. Eine Bösgläubigkeit wird häufig auch dann vorliegen, wenn ein Dritter eine bekannte Marke, die bisher nur auf einem bestimmten Warengebiet verwendet wurde, für ein anderes Warengebiet als Marke schützen lässt. Die Behinderungsabsicht besteht dann darin, dass der Markeninhaber Dritte daran hindern will, seine Marke auch auf dem anderen Warengebiet einzusetzen bzw. auf dem Wege des Imagetransfers durch Lizenzvergabe zu verwerten. Dies trifft beispielsweise für namhafte Bekleidungshersteller oder Modeschöpfer zu, die ihre Namen oder Marken zur Verwendung in der Kosmetikbranche einsetzen oder lizenzieren.

Auch kann eine Bösgläubigkeit vorliegen, wenn es zum Zeitpunkt der Markenanmeldung noch gar keinen Vorbenutzer gibt, sondern die Bezeichnung erst nach der Markenanmeldung durch einen Dritten in Benutzung genommen wird. So ist es der Daimler AG ergangen, als sie Mitte des Jahres 1993 ihre mittlere Baureihe in die Bezeichnung „E-Klasse“ umbenannte und erst dann eine entsprechende Marke anmeldete. Allerdings wurde die gleiche Marke von einem Dritten bereits Ende 1992 zur Marke angemeldet, der sich mit Lizenzforderungen an die Daimler AG wandte. Für das Schutzland Frankreich war die Daimler AG bereit, 150 000 DM zu zahlen, aber nicht für das Schutzland Deutschland. Die Streitsache landete vor dem BGH, der der Daimler AG recht gab und entschied, dass die ältere Markeneintragung bösgläubig erfolgte, weil beim Inhaber der älteren Marke kein ernsthafter Wille zur Benutzung der Marke vorlag, sondern er es darauf anlegte, gleiche Marken von dritten Unternehmen aufzuspüren, um diese dann mit Unterlassungs- oder Geldforderungen zu überziehen.

3. Fazit

Ein Vorbenutzungsrecht existiert faktisch nur bei Patenten, nicht bei Marken. Aber es gibt bekanntlich keine Regel ohne Ausnahmen. Die Ausnahmen beschränken sich bei Marken aber nur auf die Fälle, bei denen Tatbestände vorliegen, die aus anderen Gründen eine Weiterbenutzung der Marke als gerechtfertigt erscheinen lassen.

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