Artikel erschienen am 28.04.2023
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Volkserkrankung Schwindel – ein Symptom, viele Ursachen

Von Dr. med. Marc Holzgraefe, Gifhorn

Jeder zehnte Patient beim Hausarzt klagt über Schwindelgefühle, die wenige Sekunden bis zu viele Monate anhalten. Bei älteren Menschen treten Störungen im Gleichgewichtssystem noch häufiger auf und resultieren in einem Verlust der Bewegungssicherheit im Alltag.

Schwindel äußert sich in Scheinbewegungen, die sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Unterschieden werden Dreh-, Schwank-, Lift-, Bewegungs-und unsystematischer Schwindel. Nach dem Ort der Entstehung wird zwischen „peripherem Schwindel“ – Beeinträchtigung von Gleichgewichtsorgan oder Gleichgewichtsnerv – und „zentralem Schwindel“ – fehlerhafte Informationsverarbeitung des Gehirns – unterschieden. Generell entsteht Schwindel häufig aus widersprüchlichen Informationen der am Gleichgewichtsempfinden beteiligten Sinnesorgane wie Augen, Gleichgewichtsorgane des Innenohres sowie Muskel- und Gelenkrezeptoren. An sich harmlose Reize (z. B. Karussellfahrt) können das System kurzfristig irritieren. Unterschiedliche Erkrankungen von Gleichgewichtsorgan und -zentrum, Herz-Kreislauf, Stoffwechsel, Wirbelsäule, Nervenentzündung oder psychische Leiden können seine Funktion nachhaltig beeinträchtigen.

Für Erkrankungen des peripheren Gleichgewichtssystems (Innenohr und Gleichgewichtsnerv) ist primär der HNO-Arzt zuständig. Diese Erkrankungen sind oft von vegetativen Reaktionen des Körpers wie Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbruch, Herzbeschleunigung und Kollaps begleitet. Zunächst werden Art, Dauer, Auftreten bzw. Verstärkung des Schwindels erfasst. Gehör- und Gleichgewichtsprüfung, Sturzrisikobestimmung sowie die computergestützte Video-Okulographie ergänzen die Diagnostik. Häufige Krankheiten sind:

  • Gutartiger (benigner) paroxysmaler Lagerungsschwindel, ein sekunden- bis minutenlanger Lagerungsschwindel. Die Anfälle ereignen sich typischerweise, wenn die Lage des Kopfes verändert wird (z. B. Drehungen, Aufstehen). Diese vor allem im höheren Lebensalter sehr häufige Schwindelform hat ihren Ursprung in kleinen Steinchen im Gleichgewichtsorgan, die sich an untypischen Stellen abgelagert haben und damit zu Irritationen führen. Spezifische Lagerungsmanöver führen oft schnell zur Besserung.
  • Erkrankungen des Innenohres (Vestibulopathie bis maximal Ausfall des Gleichgewichtsorgans) oder die Entzündung des Gleichgewichtsnerven (Neuritis vestibularis) führen zu akut auftretenden und teilweise bis 6 Monate anhaltenden Dauerschwindelzuständen.
  • Menièresche Erkrankung ist eine attackenartig ablaufende, mit Schwindel, Ohrgeräusch und Hörminderung einhergehende, über Stunden bis Tage anhaltende Störung des Elektrolythaushaltes des Innenohrs und Gleichgewichtsorgans.
  • Durchblutungsstörungen, Tumoren (Akustikusneurinom), mechanische Schädigungen (traumatischer Labyrinthausfall bei Schädelbrüchen) usw. mit Beteiligung des Gleichgewichtssystems.

Die Behandlung folgt dem Krankheitsbild. Bei Entzündungen können Antibiotika, durchblutungsfördernde Mittel oder Kortison angezeigt sein. Starke Schwindelbeschwerden werden mit speziellen Arzneimitteln (Antivertiginosa), teilweise stationär, behandelt. Bei Tumoren oder Gefäßproblemen kann eine Operation erforderlich sein.

Das Gleichgewichtssystem im Gehirn ist lernfähig. Gleichgewichtstraining unterstützt notwendige Heilungsprozesse und fördert Kompensationsmechanismen. Computergestützte Trainingsverfahren werden diesbezüglich von modernen HNO-Ambulanzen angeboten.

Wer sich zusätzlich regelmäßig bewegt, ausgewogen ernährt, Alkohol und Nikotin meidet sowie Stress abbaut, fördert die Gesunderhaltung von Gefäßen, Stoffwechsel und Psyche und schafft wichtige Voraussetzungen für ein gesundes Gleichgewicht.

 

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