Webbasierte Energieausschreibung
Von Dipl.-Ing. (FH) Denny Karwath, HannoverDie dafür vorgesehenen Plattformen sind spezialisiert auf Energieeinkauf, wodurch ein großes Maß an Professionalität garantiert werden kann und der Nutzer direkt einen Ausschreibungsprozess startet, ohne Zeit für vorherige Recherchearbeiten (z. B. Adressen und Ansprechpartner für Versorger eruieren) aufwenden zu müssen. Bei den Ausschreibungsverfahren sind in der Praxis zwei Varianten üblich. Zum einen ist das das klassische Ausschreibungsverfahren, in dem die Bieter auf ein prognostiziertes Verbrauchsprofil (z. B. Stromverbrauch pro Jahr, Stromverbrauch pro Monat, ggf. differenziert nach HT oder NT [Hoch- oder Niedertarif] Verbrauch, Leistungswerte usw.) ein Angebot zu einem festgelegten Zeitpunkt kalkulieren und beim Auftraggeber (AG) einreichen. Übliche Angebotsbindefristen betragen zwischen 2 und 14 Tagen, je nach Entscheidungsbereitschaft und Entscheidungsgeschwindigkeit des AG. Das Problem ist hier die lange Angebotsbindefrist, da bei diesem Verfahren der Energieanbieter das Risiko von Energiepreisschwankungen an der Börse für den Zeitraum der Angebotsbindefrist übernimmt. Es gilt also, je länger ein Ausschreiber die Bindefirst wählt, umso höhere Risikoaufschläge muss ein Anbieter einpreisen und umso unwirtschaftlicher wird das Energiepreisangebot.
Eine Alternative bietet hierbei die sog. strukturierte Beschaffung. Dieses ursprünglich nur für Großabnehmer konzipierte Einkaufsverfahren kann nun auch für kleinere und mittlere Abnahmemengen (mehr als ca. 10 000 KWh pro Jahr pro Unternehmen) nutzbar gemacht werden. Bei diesen Ausschreibungsverfahren handelt es sich um sog. Formelauktionen/-ausschreibungen. Das bedeutet, dass mithilfe einer festgeschriebenen Energieformel die anbieterspezifischen Verwaltungs- und Gewinnaufschläge in den Wettbewerb gestellt und miteinander verglichen werden. In die Formel fließt die bestehende Energiebezugssituation des ausschreibenden Unternehmens ein. Handelt es sich beispielsweise um eine Stromausschreibung wird das Base-Peak-Verhältnis der bestehenden Energiebezugssituation in die Formel integriert (Lastgangzerlegung).
Grafik: Prinzipdarstellung Lastgangzerlegung in Base und Peak
Der eigentliche Energiepreis und die gesetzlich festgeschriebenen Aufschläge (z. B. KWK, EEG, Stromsteuer usw.) werden zum Auswertungsstichtag vom Ausschreiber in die angebotene Energieformel eingesetzt (stichtagsabhängiger Energiepreis, der an der Börse gehandelt wird „Börsenpreis der EEX“ [European Energy Exchange]) und für die gewählte Vertragslaufzeit fixiert. Das günstigste Energiepreisangebot wird somit ausschließlich durch den anbieterspezifischen Verwaltungs- und Gewinnaufschlag bestimmt und der Anbieter kann sein Angebot ohne zusätzliche Marktschwankungsrisiken bepreisen. Die Bindefristen der Angebote können somit auf bis zu 4 Wochen ausgedehnt werden, wodurch dem Ausschreiber ein längerer Entscheidungszeitraum eingeräumt wird, ohne dass dies zu Risikoaufschlägen beim Anbieter führt. Am Entscheidungstag des Anbieters fließt dann der tagesaktuelle Börsenpreis für den Lieferzeitraum in die Formel ein und die Rohenergiepreise werden für den Lieferzeitraum (1 bis 3 Jahre) fixiert. Es wird quasi zum Entscheidungsstichtag das kundenspezifische Energieverbrauchsvolumen vom Stromanbieter auf Basis der Börsenkonditionen eingekauft. Der Stromeinkäufer hat somit ab dem Entscheidungsstichtag Planungssicherheit über die Konditionen seiner Energiekosten über den Vertragszeitraum und kann zusätzlich von sehr geringen Risikoaufschlägen des Energieanbieters profitieren.
Dieses Verfahren führt nachweislich zu sehr viel besseren Konditionen als bei der herkömmlichen Ausschreibungsvariante.
Die EEX ist eine Leipziger Aktiengesellschaft für Energie und energienahe Produkte und unterliegt als Energiemarktplatz dem deutschen Börsengesetz.
Um dem ausschreibenden Unternehmen ein größeres Portfolio an Versorgern aufzuzeigen und um den Wettbewerb zu erhöhen, können sich nicht nur vorausgewählte Bieter an der Ausschreibung beteiligen, sondern alle Energieversorger die auf der Plattform registriert sind.
Sofern es noch keine Erfahrungen mit dem strukturierten Stromeinkauf gibt, empfiehlt es sich, ein Beratungsunternehmen hinzuzuziehen. Der Berater bereitet für den Auftraggeber die aktuellen Bezugsdaten auf, entwickelt aus diesen die webbasierte Ausschreibung und wertet sämtliche Angebote aus, um für den Kunden am Ende das beste Preis-Leistungsangebot sicherzustellen.
Da insbesondere die Rohenergiepreise (Strom und Gas) in den letzten ca. 6 Jahren tendenziell gefallen sind, können sehr oft erhebliche Einsparungen für den Auftraggeber erzielt werden. Die ggf. anfallenden Beraterkosten sowie die Softwarekosten für die Internetplattform amortisieren sich somit bereits bei vielen Unternehmen nach wenigen Monaten Laufzeit des „neuen“ Energieliefervertrages. Auch Einsparbeteiligungsmodelle werden von vielen Beratern angeboten und eliminieren somit das finanzielle Risiko des Ausschreibers/Einkäufers/Auftraggebers, ein entsprechendes Projekt zu initiieren.
Die unten dargestellte Grafik zeigt die fallende Tendenz des Stromenergiepreises seit Mitte 2011 (Rohenergiepreis ohne Zuschläge und Abgaben als rote Linie) und die im Gegensatz dazu gestiegenen Endenergiepreise (Rohenergiepreis zzgl. aller gesetzlichen und nicht zu beeinflussenden Zuschläge als blaue Linie). Hieraus lässt sich grob abschätzen, welches Kosteneinsparvolumen theoretisch im Verhältnis zur letzten Strompreisfixierung (Wann wurde der letzte Stromvertrag geschlossen?) von Energieeinkäufern möglich ist (prozentuales Verhältnis von Basisindex zum Zeitpunkt des letzten Stromvertragsabschlusses zum Basispreis Januar 2017).
Grafik: Gaspreisentwicklung seit 2011
Grafik: Entwicklung „reiner Strompreis“ (rote Linie) in den letzten Jahren
Es lohnt sich somit für viele Energieeinkäufer genauer hinzuschauen!
Bild: Fotolia/Panimoni
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