Schutz von KI-Erfindungen

Von Dipl.-Phys. Dr.-Ing. Jan Plöger, LL.M., Braunschweig

Foto: Adobe Stock / .shock

KI sind Programme, die eine Vielzahl an Parametern enthalten, die in Reaktion auf Eingaben (das sogenannte Training) verändert werden. Ein bekanntes Beispiel für KI sind neuronale Netze, die – der Name sagt es schon – das Gehirn nachahmen. Solche Programme enthalten in der Regel mehr als 500.000 Zahlenwerte, die durch das Training verändert werden.

Künstliche Intelligenz ist keine neue Technologie, aber durch das exponentielle Wachstum an Rechenleistung und Speicherplatz wird sie in immer mehr Bereichen eingesetzt. Und seit ChatGPT ist Künstliche Intelligenz fast jedem bekannt. Wie lassen sich KI-Lösungen schützen und sollte man das tun?

Die erste Frage bei Schutzrechten

Wie bei jeder Erfindung sollte die erste Frage sein, ob eine Schutzrechtsanmeldung die Erfindung am besten schützt. Wenn die Erfindung effektiv geheim gehalten werden kann, kann Geheimhaltung die beste Strategie sein. Wenn für das Trainieren einer künstlichen Intelligenz Daten notwendig sind, auf die Dritte keinen Zugriff haben, kann eine Schutzrechtsanmeldung ebenfalls entbehrlich oder gar kontraproduktiv sein.

Welches Schutzrecht?

KI-Programme sind Software und damit zudem als Text durch das Urheberrecht geschützt. Der Vorteil daran ist, dass der Schutz automatisch entsteht, also keine Anmeldung erfordert. Das Urheberrecht schützt aber nur gegen Kopieren und nicht gegen ein Nachbauen oder Übernehmen des Konzepts. Wenn daher eine KI-Lösung gegen Nachbau geschützt werden soll, ist ein Patent das Schutzrecht der Wahl. Im Patentprüfungsverfahren werden unter anderem die im Folgenden genannten Fragen geprüft.

Ist die KI etwas Technisches?

Künstliche Intelligenz sind Programme und damit gelten die dafür entwickelten Maßstäbe. Software ist patentierbar, wenn sie ein technisches Problem mit technischen Mitteln löst. Die Rechtsprechung tut sich schwer damit, eine klare Definition von Technizität zu geben, der bekannteste Versuch ist: Technizität ist die planmäßige Benutzung beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges. Als Daumenregel gilt: Wenn man für die Lösung der Aufgabe einen Ingenieur fragen würde, ist es technisch.

Beispiele für technische Probleme sind die Effizienzsteigerung von Herstellungsprozessen, mathematische Verfahren zur Verifikation, ob die Logik eines Chips wirklich das tut, für was sie geplant wurde, das Identifizieren unregelmäßiger Herzschläge mittels eines Herzüberwachungsgeräts, aber auch die Klassifizierung von digitalen Bildern, Videos, Audio- und Sprachsignalen auf der Grundlage von Kanten oder Pixelattributen.

Beispiele für nicht technische Probleme sind das Erleichtern der Bedienung von technischen Geräten durch bessere Bedienoberflächen oder das intuitive Darstellen von Konstruktionsdaten.

Entsprechend ist eine KI, die einen technischen Prozess steuert, beispielsweise die Herstellung von Zement, technisch. Ein Programm zum Erstellen von Texten, wie ChatGPT, löst kein technisches Problem, weil ein Text nicht technisch ist.

Ein interessantes Beispiel zur Technizität von KI war eine Patentanmeldung zum Simulieren von Bewegungen von Personen in einem Gebäude. Das dient dem Zweck zu überprüfen, ob ein geplantes Gebäude angenehm zu nutzen ist und schnell genug evakuiert werden kann. Anders als bei bekannten Modellen wurden die Personen nicht als Flüssigkeitsvolumen abstrahiert, sondern als Kreise, die ein Interesse und eine bevorzugte Art des Gehens haben (wie Schrittlänge und -geschwindigkeit und Abstand zu Hindernissen und anderen Personen).

Eine solche Simulation bezieht sich nur mittelbar auf etwas Technisches, denn es ist die Simulation für ein Gebäude (das technisch ist). Zudem ist das Ergebnis der Simulation eine Zahl (beispielsweise eine mittlere Zufriedenheit der Personen oder eine Evakuationszeit) und wird rein mathematisch erhalten. Dennoch hat die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts solche Verfahren für technisch erachtet (Entscheidung G 1/19).

Für KI gilt daher nichts anderes als für andere Software: Ist sie technisch, ist sie dem Patenschutz zugänglich.

Ist die KI erfinderisch?

Um Patentschutz zu erhalten, muss die Lösung auch erfinderisch sein. Erfinderisch bedeutet, dass ein komplett unkreativer Fachmann anhand des Standes der Technik die Lösung nicht vorgeschlagen haben würde (Brillanz, Pfiffigkeit oder ein „großer Wurf“ werden zurecht nicht gefordert!). Um das zu testen, stellt man sich vor, was der Fachmann getan hätte, wenn er von dem Stand der Technik, der der Erfindung am nächsten kommt, ausgegangen wäre und versucht hätte, die Aufgabe zu lösen, die die Erfindung objektiv löst.

Wenn also in einem Prozess eine klassische Regelung (Stand der Technik) durch eine KI-Regelung ersetzt wird (Erfindung), so ist die Frage, ob der Fachmann die objektive Aufgabe („Mache die Regelung flexibler!“) durch eine KI gelöst hätte. Da KI-Regelungen allgemein als flexibel bekannt sind, hätte der Fachmann das (hypothetisch) getan. Ein bloßes Ersetzen einer klassischen Regelung durch eine KI ist daher nicht erfinderisch.

Etwas anderes gilt, wenn die KI-Prozessparameter überwacht, die mittels klassischer Regelungen nicht sinnvoll verwendbar sind, beispielsweise weil sie zu verrauscht sind, oder wenn mehr Prozessparameter verwendet werden als in klassischen Regelungen eingesetzt werden können.

Bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit werden zudem nur die technischen Aspekte der Erfindung betrachtet. Löst die KI ein nicht-technisches Problem, beispielsweise fehlerhafte Rechnungen zu finden, so wird nur gefragt, was daraus für die technische Umsetzung folgt. Im Fall der Rechnungen ist die Antwort: nichts. Diese KI wäre nicht erfinderisch.

Diese Beurteilungskriterien sind gefestigte Rechtsprechung zu Software allgemein, die unverändert auf KI-Erfindungen übertragen werden.

Ausführbarkeitsnachweis

Bei klassisch technischen Erfindungen wie Maschinen oder Herstellungsverfahren ist es meist offensichtlich, ob die beanspruchte Erfindung ausführbar ist. Das ist bei KI anders. Beispielsweise kommt es bei einem neuronalen Netzwerk entscheidend darauf an, wie es trainiert wurde. Das gleiche neuronale Netzwerk (also der gleiche Satz mathematischer Gleichungen) kann je nach Training für unterschiedlichste Zwecke eingesetzt werden; das macht KI ja so attraktiv für Ingenieure.

Aus diesem Grund muss in der Patentanmeldung angegeben werden, wie und an welchen Daten die Künstliche Intelligenz trainiert wird. Erfolgt das nicht, wird die Anmeldung zurückgewiesen, da die Trainingsdaten auch nicht nachgereicht werden können. Dieser Aspekt existiert bei klassischer Software nicht.

Zusammenfassung

Künstliche Intelligenz ist eine faszinierende Technik, die patentrechtlich nach den bewährten Regeln für Patente auf rechnerimplementierte Erfindungen behandelt wird. Nur bei Darlegung der Ausführbarkeit werden an KI-Patentanmeldungen besondere Anforderungen gestellt.

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