Insolvenzrecht – Sanierung
Insolvenzrechtsreform – Wege zur erleichterten Sanierung von Unternehmen
Von Guido Kutscher, Halle (SalleStand des Gesetzgebungsverfahrens
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung lag bereits dem Bundesrat und in erster Lesung dem Deutschen Bundestag vor. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollen nach Abschluss der Beratungen im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages die zweite und dritte Lesung im Parlament erfolgen. Geplant ist, das ESUG dem Bundesrat am 04.11.2011 erneut vorzulegen, sodass es zum 01.01.2012 bereits in Kraft treten könnte. Ob dieser Zeitplan einzuhalten ist, bleibt abzuwarten. Sicher scheint, dass das ESUG in jedem Fall kommt.
Schwerpunkte der Reform
Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) soll Änderungen mit folgenden Schwerpunkten bewirken: Die Gläubigerbeteiligung im Insolvenzantragsverfahren soll deutlich erweitert werden, die Regelungen zur Auswahl des Insolvenzverwalters werden modifiziert, das Insolvenzplanverfahren wird weiter ausgebaut und gestrafft, die Einbeziehung der Anteilseigner/Gesellschafter wird ermöglicht, der Zugang zum Verfahren der Eigenverwaltung wird vereinfacht, ein vorbereitendes Sanierungsverfahren, das sogenannte „Schutzschirmverfahren“ wird eingeführt.
Vorläufiger Gläubigerausschuss im Eröffnungsverfahren
Der Gesetzentwurf sieht eine stärkere Gläubigerbeteiligung im Insolvenzeröffnungsverfahren durch die Einsetzung eines obligatorischen Gläubigerausschusses bereits in diesem Verfahrensstadium vor. Voraussetzungen sind eine Bilanzsumme von mind. 2 Mio. Euro, Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag von mindestens 2 Mio. Euro und die Beschäftigung von mindestens zehn Arbeitnehmern im Jahresdurchschnitt sowie ein noch nicht eingestellter Geschäftsbetrieb. Für den vorläufigen Gläubigerausschuss im Eröffnungsverfahren gelten die Regelungen des eröffneten Verfahrens entsprechend. In Betracht kommende Personen hat das schuldnerische Unternehmen auf Aufforderung des Gerichts zu benennen. Die Auswahl liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
Nach der Gesetzesbegründung soll die Beteiligung des vorläufigen Gläubigerausschusses einen frühzeitigen Einfluss der Gläubiger auf Entscheidungen des Gerichts (etwa die Auswahl des Insolvenzverwalters) sicherstellen.
Der Regierungsentwurf sieht die verpflichtende Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses bereits ab geringen Schwellenwerten vor. Dies scheint wenig praxistauglich. Es dürfte bereits schwierig sein, eine ausreichende Anzahl geeigneter Mitglieder zu finden. Der Bearbeitungsaufwand auf der Gläubigerseite erhöht sich erheblich. Da auch die Einsetzung eines solchen vorläufigen Gläubigerausschusses einige Zeit erfordert, könnten hiermit auch Verzögerungen bei der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen einhergehen. Mit Blick auf die im Anhörungsverfahren geäußerten Bedenken ist im weiteren Gesetzgebungsverfahren mit einer deutlichen Erhöhung der Schwellenwerte zu rechnen.
Bestellung des Insolvenzverwalters
Dem vorläufigen Gläubigerausschuss soll zukünftig ein bestimmendes Vorschlagsrecht für die Person des zu bestellenden Insolvenzverwalters zustehen. Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf weniger starke Restriktionen bezogen auf die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters vor. Eine Bestellung ist danach nicht ausgeschlossen, nur weil die Person durch Schuldner oder Gläubiger vorgeschlagen wurde, eine allgemeine Beratung des Schuldners über den Ablauf eines Insolvenzverfahrens und dessen Folgen erfolgt war oder eine Einbindung bei der Erstellung eines Insolvenzplans vorlag.
Durch die geplante Änderung scheint die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters gefährdet. So ist auch bei Großgläubigern vermehrt die Vorsprache von Insolvenzverwaltern festzustellen. Um entsprechenden Gefahren vorzubeugen, bleibt zu hoffen, dass im weiteren Gesetzgebungsverfahren deutliche Änderungen erfolgen.
Debt-Equity-Swap
Die bisherige Sanierungspraxis hat gezeigt, dass eine erfolgreiche Unternehmenssanierung in einer Vielzahl von Fällen einen Eingriff in die Rechte der Anteilsinhaber/Gesellschafter erfordert. Bisher sind solche Änderungen nur mit Zustimmung der Betroffenen und auf gesellschaftsrechtlicher Ebene möglich. Zur Förderung von Sanierungsmöglichkeiten soll künftig die Regelung von Kapitalmaßnahmen im Insolvenzplan zulässig sein. Im Insolvenzplan kann danach die Umwandlung von Gläubigerforderungen in Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte am schuldnerischen Unternehmen (sog. Debt-Equity-Swap) geregelt werden. Der Plan kann insbesondere eine Kapitalherabsetzung oder -erhöhung, die Leistung von Sacheinlagen, den Ausschluss von Bezugsrechten oder die Zahlung von Abfindungen an ausscheidende Anteilsinhaber vorsehen.
Mit diesen Regelungen sollen die notwendigen Gesellschafterbeschlüsse in den Insolvenzplan integriert werden. Der Beschluss des Gerichts, der diesen Plan bestätigt, ersetzt dann die notwendigen Gesellschafterbeschlüsse. Künftig werden die Anteilseigner/Gesellschafter im Verfahren über den Insolvenzplan beteiligt. Allerdings kann deren Zustimmung ersetzt werden, wenn eine Verweigerung rechtsmissbräuchlich ist und sie nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne den Insolvenzplan stünden.
Eigenverwaltung
Der Gesetzgeber hat zur Kenntnis genommen, dass vom Institut der Eigenverwaltung in der bisherigen Praxis wenig Gebrauch gemacht wurde. Er hat aber auch festgestellt, dass sich dieses Instrument bei Durchführung bewährt hat. Mit dem ESUG werden deshalb Änderungen bei der Anordnung der Eigenverwaltung vorgenommen. Einem vorläufigen Gläubigerausschuss ist nach dem Gesetzentwurf Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Die Eigenverwaltung ist anzuordnen, wenn der Antrag nicht offensichtlich aussichtslos ist und die bekannten Umstände Nachteile für die Gläubiger nicht erwarten lassen. Der Gesetzentwurf sieht weiter vor, dass dem antragstellenden Schuldner Bedenken mitgeteilt werden sollen, wenn die Voraussetzungen der Eigenverwaltung nicht gegeben sind und der Insolvenzantrag mit Antrag auf Eigenverwaltung bei drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt wurde.
Nach den vorgesehenen Änderungen hat das Gericht lediglich die offensichtliche Aussichtslosigkeit zu prüfen. Damit werden insgesamt Anreize für frühzeitige Insolvenzanträge wegen drohender Zahlungsunfähigkeit geschaffen, die eine Sanierung in Eigenverwaltung begünstigen.
„Schutzschirmverfahren“
Die Konzeption des Schutzschirmverfahrens im Gesetzentwurf bildet den Rahmen zur Vorbereitung einer Sanierung bei Nutzung der Instrumente der Eigenverwaltung und des Insolvenzplans. Ist ein Unternehmen drohend zahlungsunfähig oder überschuldet, kann ein Insolvenzantrag und ein Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung gestellt werden. Eine Zahlungsunfähigkeit darf nicht eingetreten sein. Ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, bestimmt das Gericht auf Antrag des Unternehmens eine höchstens dreimonatige Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans.
Mit dem Gesetzentwurf wird so die Möglichkeit geschaffen, in der Phase zwischen Eröffnungsantrag und Eröffnung einen Insolvenzplan auszuarbeiten. Dem Unternehmen wird ein von ihm selbst vorgeschlagener vorläufiger Sachwalter zur Seite gestellt. Diese Konzeption bietet Unternehmen, die sich in einer Krisensituation befinden, aber nicht zahlungsunfähig sind, die Möglichkeit, einen Insolvenzplan im Eröffnungsverfahren zu erarbeiten. Häufig führt bei derzeitiger Rechtslage die Stellung des Insolvenzantrags – auch bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit – zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, da insbesondere Banken bestehende Kreditlinien kündigen. Mit der geplanten Neuregelung besteht die Aussicht, dass durch Absprachen mit Banken zur Vorbereitung des Insolvenzplans der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit vermieden werden kann.
Voraussetzung für das Schutzschirmverfahren ist die Vorlage einer Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Steuerberaters, Wirtschaftsprüfers oder Rechtsanwalts oder einer Person mit vergleichbarer Qualifikation, aus der sich ergibt, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. In dieser Anforderung könnte ein praktisches Problem liegen, da der Aussteller einer solchen Bescheinigung für darin enthaltene Fehler haftet. Allerdings ist die vorzulegende Bescheinigung auch bewusst abgegrenzt vom Standard der Wirtschaftsprüfer für Sanierungsgutachten. Ein solches Gutachten ist nicht gefordert.
Tritt vor Ablauf der Frist zur Vorlage des Insolvenzplans Zahlungsunfähigkeit ein, hebt das Gericht die Anordnung zur Vorlage eines Plans auf. Das Gericht entscheidet dann über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (wie bisher).
Fazit
Es bleibt abzuwarten, welche Ausgestaltung das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen schlussendlich erfährt. Zu begrüßen ist in jedem Fall die Bestrebung, weitere Anreize zur Unternehmenssanierung im Insolvenzverfahren zu schaffen. Aber auch das ESUG wird nicht die letzte Insolvenzrechtsreform bleiben.
- Schlagwörter
- Insolvenz|
- Unternehmenssanierung|
- ESUG|
- Mindmap
- Finanzen Steuern Recht
- Halle (Saale) 2011/2012