Artikel erschienen am 20.06.2023
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Steueroptimaler Verkauf einer Freiberufler-Praxis

einer Freiberufler-Praxis

Von Dr. Iur. Zacharias-Alexis Schneider, Hannover

Diese Organisationsform folgt regelmäßig nicht allein steuerrechtlichen oder haftungsrechtlichen, sondern berufsrechtlichen oder regulatorischen Erwägungen. Insbesondere das ärztliche Berufs- oder Vertragsarztrecht ist aber nicht auf das Steuerrecht abgestimmt. Die transparente Besteuerung bei Personengesellschaften mit dem persönlichen Steuersatz von bis 47% kann insbesondere im Verkaufsfall am Ende der beruflichen Karriere zum Gradmesser für die Zweckmäßigkeit eines Unternehmensverkaufs werden. Dies gilt insbesondere solange und soweit Finanzinvestoren weiterhin auch im deutschen Gesundheitssektor u.a. in den Bereichen Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und Facharztpraxen weiter auf dem Vormarsch und lukrative Kaufpreise zu zahlen bereit sind.

Die nachstehenden Überlegungen sind weitgehend auch auf gewerbliche Unternehmungen zu übertragen, wenn das Unternehmen als Einzelunternehmen oder Personengesellschaft organisiert ist.

I. Tarifermäßigung für Betriebsveräußerungsgewinn

Der Gewinn aus der Veräußerung einer Freiberufler-Praxis ist grds. mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern. Auf Antrag kommt jedoch eine Besteuerung mit einem ermäßigten Steuersatz i.H.v. etwa 26,32% in Betracht. Die Abgabenquote lässt sich daher im Einzelfall nahezu halbieren.

Die reguläre Besteuerung erfasst laufende und einmalige Einkünfte, die grundsätzlich am Ende des Veranlagungszeitraums zusammengefasst und einem einheitlichen progressiven Steuertarif unterstellt werden. Es kann aber vorkommen, dass Einkünfte nicht über ihren Entstehungsgrund periodisch, sondern aperiodisch zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum anfallen. Durch die reguläre Besteuerung können in diesem Fall Progressionsnachteile und unbillige Härten im Vergleich zu einer kontinuierlichen Besteuerung entstehen. Mithilfe der Tarifvorschrift des § 34 EStG soll diese Wirkung abgemildert werden. Die Vorschrift erfasst als außerordentliche Einkünfte u.a. Veräußerungsgewinne und Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten. Fallen die genannten Einnahmen zusammengeballt an, wird grundsätzlich die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG (Fünftelregelung) angewendet.

Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr .1 EStG (Veräußerungsgewinne aus der Veräußerung des Vermögens oder eines selbständigen Teils des Vermögens, das der selbständigen Arbeit dient) enthalten, so kann auf Antrag die auf den Teil dieser außerordentlichen Einkünfte, der den Betrag von insgesamt 5 Mio. Euro nicht übersteigt, entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz – hier im Beispiel etwa 26,32% – bemessen werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Der ermäßigte Steuersatz beträgt 56 Prozent des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich ergäbe, wenn die tarifliche Einkommensteuer nach dem gesamten zu versteuernden Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zu bemessen wäre, mindestens jedoch 14 Prozent. Diese Steuerermäßigung kann der Steuerpflichtige nur einmal im Leben und nur für ein Unternehmen in Anspruch nehmen.

Es können hierbei immer nur dann außerordentliche Einkünfte angenommen werden, wenn alle stillen Reserven in einem einheitlichen Vorgang aufgedeckt werden und dem Steuerpflichtigen die Einkünfte aus der Veräußerung oder Aufgabe – im Vergleich zu seinen normalen Einkünften – zusammengeballt zufließen. Voraussetzung ist daher insbesondere, dass alle wesentlichen Betriebsgrundlagen – zumindest Patientenstamm und Praxiswert, wobei die vertragsärztliche Zulassung als Bestandteil des Praxiswerts qualifiziert – übertragen oder ins Privatvermögen entnommen werden. Eine tarifbegünstigte Veräußerung setzt überdies voraus, dass die freiberufliche Tätigkeit in dem bisherigen örtlich begrenzten Wirkungskreis wenigstens für eine gewisse Zeit eingestellt wird.

II. Steuerfalle „Earn-out- Klausel“

Anders als bei klassischen Gewerbetreibenden kommt der Person des Freiberuflers ein besonderer nicht allein strategischer Marktwert zu. Aus diesem Grund ist der Verkäufer – unabhängig davon, ob der Erwerber ein jüngerer Berufskollege im Rahmen einer Unternehmensnachfolge oder ein institutionelles Unternehmen ist – für den Erwerber von besonderer Bedeutung und soll regelmäßig das Unternehmen noch eine Zeit begleiten.

Aus diesem Grund wird für Zwecke der Incentivierung regelmäßig ein Teil des Kaufpreises variabel ausgestaltet. Steuerrechtich ist bei variablen Kaufpreisen eine Veranlagung auf der Grundlage des vorläufigen (festen) Kaufpreises vorzunehmen, die bei endgültigem Feststehen geändert wird. Eine Ausnahme – die erst im Dezember 2022 vom Bundesfinanzhof bestätigt wurde – besteht bei einer Veräußerung eines Unternehmens bei variablen Kaufpreisen, die ausschließlich von künftigen Umsätzen oder Erträgen abhängig sind. In diesem Fällen ist nach Auffassung der Finanzverwaltung das Entgelt im Jahr des Zuflusses als laufende nachträgliche Betriebseinnahme zu versteuern. Dies schließt jedoch ein Einbezug in die Tarifermäßigung aus, so dass die Earn-out-Zahlungen nicht mit etwa 26,32%, sondern mit dem persönlichen Steuersatz von bis etwa 47% zu versteuern sind. Um die Tarifermäßigung auch für die Earn-out-Zahlungen sicherzustellen, sollte dieser Punkt frühzeitig in die Vertragsverhandlungen eingebracht werden und entsprechend im Kaufvertrag ausgestaltet werden.

III. Zusammenfassung

Die Veräußerung einer Freiberufler-Praxis kann insbesondere dann eine interessante Alternative zu einer Praxisnachfolge bilden, wenn der Kaufpreis die Alterssicherung des übergebenden Freiberuflers sichern soll. Die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen mit dem persönlichen Steuersatz von bis zu 47% können jedoch die Zweckmäßigkeit eines Verkaufs im Einzelfall beeinträchtigen. Die Tarifbegünstigung des § 34 EStG kann dem Veräußerer eine vergleichbare Besteuerung wie im Falle der Veräußerung einer Kapitalgesellschaftsbeteiligung (GmbH etc.) bieten und die Steuerlast halbieren.

  

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