Artikel erschienen am 29.02.2024
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Nicht nur für den schönen Schein

Auch vermeintlich profane Produktgestaltungen lassen sich über Designs schützen

Von Stefan von Siegroth, Stuttgart, Nagold

Dass Designschutzrechte auch im gewerblich-technischen Umfeld eine wichtige Rolle für den Innovationsschutz spielen, wird leider oft verkannt. Es lohnt sich, dieses Potenzial zu nutzen.

Foto: Adobe Stock / killykoon

 

Bei dem gewerblichen Schutzrecht Design handelt es sich in aller Regel um ein Registerrecht. Die umgangssprachliche Einordnung wird dadurch erschwert, dass das heutige eingetragene Design in Deutschland lange als Geschmacksmuster bezeichnet wurde. Die begriffliche Umstellung ist nicht ganz konsequent, da im EU-Recht weiterhin von Gemeinschaftsgeschmacksmustern die Rede ist.

Design-Ikonen und das Urheberrecht

Bauhaus-Klassiker, Architekturperlen und legendäre Automobile kommen einem schnell in den Sinn, wenn es um das Thema Design geht. Der Königsweg für solche Werke ist der Schutz über das Urheberrecht mit einer erheblichen Schutzdauer. Das, was gemeinhin unter gutem Design verstanden wird, ist häufig dem Urheberrecht zugänglich. Der Schutz entsteht mit der Schaffung des Werkes, bedarf also keiner Registrierung bei einer Behörde. Voraussetzung ist eine hinreichende individuelle Schöpfungshöhe, die durch Kreativität und einen ästhetischen Überschuss erreichbar ist.

Design als Registerrecht

Gerne wird jedoch vernachlässigt, dass es diesseits des Urheberrechts registerrechtlichen Designschutz mit vergleichsweise niederschwelligen Schutzvoraussetzungen gibt. Das Designrecht spricht nämlich nicht von Schöpfungshöhe, sondern nur von Eigenart als wesentliche Schutzvoraussetzung neben der Neuheit. Bei der Beurteilung der Eigenart geht es um den beim informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck, der sich hinreichend von dem durch vorbekannte Designs hervorgerufenen Gesamteindruck zu unterscheiden hat. Wenn für bestimmte Produkte eine Mehrzahl sich hinreichend ähnlicher Designs vorbekannt ist, dann genügen relativ kleine Abwandlungen, um einem neuen Design die Eigenart zuzusprechen.

Der Schutz entsteht nicht durch die Schaffung des Designs, sondern durch Eintragung in das Register. Der Anmelder muss also aktiv werden, hat jedoch im Umkehrschluss die Möglichkeit, bei der Anmeldung den Schutzbereich zu definieren.

Der registerrechtliche Designschutz hat den weiteren Vorteil, dass die Inhaberschaft, für die Schutzdauer relevante Daten und Informationen zum Rechtsstand sowie zur Bestimmung des Schutzbereichs amtlich erfasst und einsehbar sind.

Was wird angemeldet?

Wesentlicher Inhalt einer Designanmeldung sind mehr oder weniger abstrahierte Abbildungen eines Produkts (Erzeugnis) oder eines Teils davon. Ferner ist eine Erzeugnisangabe notwendig – eine eher grobe Angabe zur Art des Produkts.

Ein Anmelder hat die Wahl, wie abstrakt oder konkret die Wiedergabe des Erzeugnisses erfolgen soll. Ein Erzeugnis kann durch eine Mehrzahl von Ansichten detailliert beschrieben werden, sodass grundsätzlich von einer gesteigerten Schutzfähigkeit auszugehen ist. Jedoch ist im Umkehrschluss bei einer Wiedergabe mit nur einer Ansicht der Schutzbereich größer, weil die nur in anderen Ansichten sichtbare Gestaltung etwaiger angegriffener Erzeugnisse dann unerheblich ist.

Kanten, Schattierungen, Renderings: Auch die Darstellungsart ist von hoher Bedeutung. Allgemein gilt, dass eine konkretere Darstellung positive Auswirkungen auf die Schutzfähigkeit und gleichzeitig negative Auswirkungen auf den Schutzbereich haben dürfte. Bei einer abstrakteren Darstellung ist es umgekehrt.

Best Practice bei Designanmeldungen?

In Deutschland und der EU empfiehlt sich ein gestaffelter Ansatz, bei dem ein Erzeugnis mittels mehrerer Designs geschützt wird, deren Wiedergabe unterschiedliche Abstraktionsgrade aufgreift. Sammelanmeldungen, die eine Mehrzahl von Designs enthalten, sind mit Blick auf Verwaltungsaufwand und Kosten empfehlenswert.

Wer prüft die Schutzvoraussetzungen?

Sowohl DE-Anmeldungen als auch EU-Anmeldungen werden von den zuständigen Behörden nicht auf die wesentlichen Schutzvoraussetzungen Neuheit und Eigenart geprüft.

Der Anmelder steht also in der Verantwortung. Recherchen zu vorbekannten Designs empfehlen sich, um allzu offensichtliche Überschneidungen zu vermeiden. Im Streitfall spielt die Schutzfähigkeit oft eine nicht unerhebliche Rolle.

Für den Wettbewerb gilt: Die bloße Existenz eines eingetragenen Designs heißt mangels amtlicher Prüfung nicht notwendigerweise, dass Neuheit und Eigenart vorliegen.

Neuheitsschonfrist

Das Designrecht sieht eine Neuheitsschonfrist von zwölf Monaten vor, im Gegensatz zum hiesigen Patentrecht. Die Vorstellung einer neuen Maschine auf einer Messe und erst im Nachgang die Einreichung einer Designanmeldung ist ein mögliches Szenario. Natürlich besteht das Risiko, dass in der Zwischenzeit Trittbrettfahrer aktiv werden.

Harmonie in Europa – und in der Welt?

Das Designrecht ist in der EU weithin harmonisiert, im Gegensatz zum Patentrecht. Anmelder haben die Wahl zwischen nationalen und EU-Schutzrechten. Eingetragene Designs genießen eine Schutzdauer von maximal 25 Jahren.

Außerhalb der EU unterscheiden sich die Vorschriften teils erheblich. Für Kernmärkte lohnt sich daher in der Regel eine individuelle Betrachtung.

Ein bissel was geht immer

Das EU-Recht gewährt im Übrigen einen drei Jahre währenden Schutz durch das sogenannte „nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster“. Dieses erlaubt ein Vorgehen gegen Nachahmungen. Der Schutz entsteht mit der – nachweisbaren – Veröffentlichung des Designs. Im Streitfall ist dann von Bedeutung, ob der potenzielle Nachahmer sein Erzeugnis in Kenntnis des geltend gemachten Geschmacksmusters gestaltet hat oder nicht. Wenn anderweitig kein Schutz besteht, kann das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster der sprichwörtliche Notnagel, im Falle kurzlebiger Produkte mit überschaubarer wirtschaftlicher Bedeutung sogar der Standard sein.

Aftermarket – Ersatzteile

Seit 2020 enthält das deutsche Designgesetz eine Reparaturklausel. Schutz wird solchen Elementen versagt, deren Zweck die Reparatur eines komplexen Erzeugnisses ist, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu verleihen. Typische Fälle sind sichtbare Teile von Automobilen. Es gibt Übergangsvorschriften, die ältere Schutzrechte vorerst ausklammern. Die Regelung ist nicht auf Fahrzeuge begrenzt, sodass mit Relevanz auch für andere Branchen zu rechnen ist.

Recht haben und Recht bekommen

Das eingetragene Design hat gegenüber anderen gewerblichen Schutzrechten den großen Vorteil, dass die Verletzung oft „auf einen Blick“ beurteilt werden kann. Dies erleichtert die Durchsetzung im Wege der Grenzbeschlagnahme sowie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Zuständig für die gerichtliche Durchsetzung sind Landgerichte – sowohl für deutsche Designs als auch für EU-Geschmacksmuster.

Ein unterschätztes Schutzrecht

Produkte verkaufen sich auch über ihre Gestaltung. Auch Erzeugnisse, die sich nicht für das Museum of Modern Art qualifizieren, sind dem Designschutz zugänglich, solange ihre Gestaltung nicht ausschließlich technisch bedingt ist. Designrechte können ein scharfes Schwert im Wettbewerb sein. Umgekehrt tun Marktteilnehmer gut daran, im Vorfeld einer Markteinführung relevante Schutzreche zu ermitteln und Abstand zu rechtsbeständigen Designs zu wahren.

 

 

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