Artikel erschienen am 08.08.2023
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Fast alle Makulaerkrankungen sind behandelbar

Neue Medikamente helfen bei einigen Patienten, die Abstände zwischen den Injektionen in den Glaskörper (intravitreal) zu verlängern.

Von Dr. med. Juliane Leiser, Wolfenbüttel | Dr. med. Iris Nachbar, Helmstedt | PD Dr. med. Tobias Hudde, Wolfsburg-Fallersleben | Olena Karabyts, Helmstedt/Wolfsburg

Die häufigen Makulaerkrankungen „feuchte“ AMD, DMÖ (zuckerbedingtes Makulaödem), Netzhautvenenverschlüsse mit Makulaödem (s. Abb. 1) und Gefäßneubildungen (choroidale Neovaskularisation) bei krankhafter Kurzsichtigkeit sowie bei Erbkrankheiten wie Pseudoxanthoma elasticum können schon lange mit zugelassenen Medikamenten behandelt werden.

Oft bleibt dadurch über viele Jahre eine gute Sehschärfe erhalten. Der demografische Wandel sowie Ernährungsgewohnheiten (Zuckerkrankheit) bewirken, dass laufend neue Patienten mit Makulaerkrankungen dazukommen. Ziel ist es, mit so wenig Untersuchungen und Behandlungen wie möglich, die Sehschärfe dauerhaft zu erhalten. Während jüngere Patienten meist regelmäßig zur Untersuchung und Behandlung kommen können, haben ältere Menschen häufig ein Transportproblem. Neben den etablierten Augenarztpraxen verbessern größere Gemeinschaftspraxen und Augenkliniken durch Zweigpraxen (s. Abb. 2) die Versorgung vor Ort. Jede weitere Verbesserung der Erreichbarkeit durch private Initiativen wie Hilfe durch Verwandte, Nachbarn und Bekannte sind sehr willkommen. Denn wie Studien der Versorgungsforschung zeigen, führen ein später Behandlungsbeginn sowie eine zu geringe Behandlungshäufigkeit zu schlechterer Sehschärfe und damit noch größerer Abhängigkeit von Hilfe bei den Betroffenen.

Anamnese

Je plötzlicher und ausgeprägter eine Sehstörung ist, desto schneller muss eine augenärztliche Untersuchung erfolgen. Eine schleichende Verschlechterung über Jahre liegt meist an einer Linsentrübung (grauer Star) oder an einer sog. „trockenen“ AMD. Typisch für Makulaerkrankungen ist neben der nachlassenden Sehschärfe ein Verzerrtsehen: Linien z. B. auf einem Rechenblatt erscheinen nicht mehr gerade. Bei allen sog. feuchten Makulaerkrankungen mit Schwellung des Netzhautgewebes liegt ein Notfall vor, der schnellstmöglich behandelt werden sollte.

Diagnostik

Seit dem 01.10.2019 wird die wichtigste diagnostische Untersuchung, die optische Kohärenztomographie (OCT), bei der fAMD und dem DMÖ von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt. Hierbei werden mit Licht ähnlich wie beim Ultraschall hochauflösende Schnittbilder der Netzhaut angefertigt. Mit Computeralgorithmen kann im Verlauf jede Stelle der zentralen Netzhaut exakt wieder aufgesucht und Veränderungen berechnet werden. Ein Beispiel für eine weitere häufige Augenerkrankung (Netzhautvenenverschluss mit Makulaödem ist in Abb. 1 dargestellt. Weiter ist die Fluoreszenzangiografie, bei der entweder mit einem gelben (Fluoreszein) oder grünen Farbstoff (Indozyaningrün, selten gebraucht) Farbstoff die Netzhaut- und Aderhautgefäße dargestellt werden, in der Diagnostik hilfreich.

Therapie und Therapieschemata

Am häufigsten werden Anti-VEGF-Medikamente (Vascular endothelial growth factor) eingesetzt. Diese sogenannten Biologica sind abgewandelte Antikörper und müssen direkt in den Glaskörper eingegeben werden. Seit 2006 wird Avastin® (Bevacizumab) zur Behandlung von Makulaerkrankungen eingesetzt. Obwohl die Wirksamkeit in sehr vielen großen Studien belegt ist, erfolgte bisher keine Beantragung zu einer Zulassungserweiterung der für die Krebstherapie zugelassenen Substanz. Das erste für die Behandlung von Makulaerkrankungen zugelassene Medikament ist Lucentis® (Ranibizumab) gefolgt von Eylea® (Aflibercept). Alle diese Substanzen sind hochwirksam, haben jedoch den Nachteil, dass sie meist im Abstand von 4 bis 8 Wochen erneut verabreicht werden müssen. Um die Wirkdauer zu verlängern wurde mit Beovue® (Brolucizumab) ein kleineres Molekül erschaffen, das in höherer Konzentration injiziert werden kann. Vabysmo® (Faricimab) erreicht eine längere Wirkdauer durch die zusätzliche Blockade von Angiopoietin 2. Dadurch kann die Anzahl der Injektionen pro Jahr bei einigen Patienten vermindert werden. Weiter sind Implantate in Entwicklung, die als wiederauffüllbarer Speicher langsam über lange Zeiträume einen Wirkstoff in den Glaskörper des Auges abgeben können.

Für einen Therapieerfolg ist weniger die Wahl des Medikamentes als die frühe und konsequente Behandlung entscheidend. Weltweit durchgesetzt hat sich das Therapieschema „Treat-and-extend“. Nach drei bis fünf monatlichen Spritzen in den Glaskörper des Auges (Aufsättigungsphase) wird auch bei verschwundenem Makulaödem in größer werdenden Abständen behandelt. Dabei finden die Kontrolluntersuchung und die Behandlung möglichst am gleichen Tag statt, sodass die Anzahl der Arztbesuche reduziert werden kann. Erst bei erneut auftretenden Krankheitszeichen wird das Intervall wieder verkürzt.

In der Vergangenheit musste laut Zulassungstext nach einer dreimaligen Behandlung mit einem Anti-VEGF-Medikament eine Therapiepause eingelegt werden, bis erneut Krankheitszeichen auftraten. Die Folge war, dass insgesamt zu wenige Behandlungen durchgeführt wurden. Glücklicherweise können Augenärzte heute nach einem festen Schema (monatlich bzw. zweimonatlich), in größer werdenden Abständen („Treat-and-extend“-Schema) oder an Krankheitszeichen angepasst („Pro-Re-Nata“-Schema) behandeln. So gelingt es immer besser als noch vor wenigen Jahren, nicht zu selten, aber auch nicht zu häufig zu behandeln.

Fazit

Weitere Medikamente auf Kortison- bzw. Enzymbasis (Dexamethason bzw. Ocriplasmin) bereichern das therapeutische Repertoire, zu dem auch der Argonlaser und in Einzelfällen die Photodynamische Therapie (PDT) sowie Operationen (wir berichteten) zählen. Für eine bestmögliche Behandlung jedes einzelnen Patienten sind neben der Anamnese und einer zielgerichteten Diagnostik angepasste Therapieschemata erforderlich. Eine kluge Planung ermöglicht oft dauerhaft gutes Sehen und kann zahlreiche Augenarztbesuche einsparen helfen.

Die Behandlung ist seit 2006 eine Erfolgsgeschichte.

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