Artikel erschienen am 08.08.2023
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Praxis für Mundschleimhauterkrankungen

Im Gespräch mit Christian Klemme-Naske und Professor Gerhard Grospietsch zu Schleimhauterkrankungen

Von Christian Klemme-Naske, Braunschweig, Wolfsburg | Prof. Dr. med. Gerhard Grospietsch, Braunschweig

Im Herbst wird der Mediziner und Zahnmediziner Christian Klemme-Naske in Braunschweig eine Praxis eröffnen, die sich dieses so speziellen wie seltenen Problemfelds annimmt. Klemme-Naske arbeitet interdisziplinär mit dem Gynäkologen Prof. Dr. med. Gerhard Grospietsch zusammen, der denn auch bei unserem Gespräch in Braunschweig in der Wolfenbütteler Straße dabei war.

Herr Klemme-Naske, würden Sie sich bitte vorstellen?
Mein Name ist Christian Klemme-Naske. Ich habe in Frankfurt, Göttingen und Krems an der Donau Zahnmedizin und Medizin studiert und arbeite zur Zeit als Oralchirurg in eigenen Praxen für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Braunschweig und Wolfsburg.

Neben der klassischen Oralchirurgie, wie Implantatchirurgie, Parodontalchirurgie und allgemeiner zahnärztlicher Chirurgie, gilt mein besonderes fachliches Interesse der oralen Medizin, weshalb ich mich auf die Behandlung von chronischen Mundschleimhauterkrankungen, insbesondere der Knötchenflechte, dem oralen Lichen planus, spezialisiert habe.

Sie beabsichtigen im Herbst eine neue Praxis zu
eröffnen. Was können Sie darüber sagen?
Ich hatte die Idee, in Braunschweig ein Zentrum für Mundschleimhauterkrankungen zu gründen, nachdem es mir gelungen war, durch Autoimmunerkrankungen ausgelöste Veränderungen der Schleimhaut effizient zu behandeln. Ein solches Angebot existiert bis dato nicht in dieser Form, allenfalls an Universitätskliniken. Aber dort werden die Patienten nach wie vor mit starken Medikamenten therapiert. Hier wollte ich einen Unterschied machen.

Wir werden mit dem Zentrum für Mundschleimhauterkrankungen nicht nur eine Praxisform einführen, die in dieser Art noch nicht existiert, sondern auch eine neue Therapieform. Unser Antrieb ist es, neue Standards zu setzen und die Patienten adäquat und unter Nutzung modernster Techniken erfolgreich zu behandeln. Mundschleimhauterkrankungen sind innerhalb der Medizin leider ein vernachlässigtes Thema, obwohl ein hoher Anteil der Bevölkerung betroffen ist. In erster Linie sind es die lichenoiden Schleimhauterkrankungen, wie der orale Lichen planus, der bei uns im Fokus steht.

Herr Prof. Grospietsch, welche Rolle spielen Lichenerkankungen der Schleimhaut denn in der Gynäkologie?
Lichenerkrankungen spielen eine wichtige, oft schwierige diagnostische und therapeutische Rolle. Man unterscheidet im Genitalbereich den Lichen sclerosus vom Lichen planus.

Beide haben eine „ungeklärte Ätiologie“, das heißt, ihr Ursprung ist bis heute nicht geklärt. Man nimmt an, dass es sich um Autoimmunerkrankungen handelt. Der Hauptunterschied zwischen beiden Formen ist, dass der Lichen planus die Schleimhaut sowie die Haut betreffen kann. Insofern tritt der Lichen planus häufig sowohl in der Mundschleimhaut, als auch in der Vagina auf. Aber auch ein Befall der Haut des äußeren Genitales gehört zu diesem Krankheitsbild. Insgesamt kann man sagen, dass Lichen-Erkrankungen seltene Erkrankungen sind, die vorzugsweise Frauen trifft.

Herr Prof. Grospietsch, welche  Auswirkungen haben Lichen-Erkrankungen auf die Lebensqualität?
Beide Formen der Erkrankungen sind mit einer hohen Beeinträchtigung der Lebensqualität für Frauen verbunden. Hauptsymptome sind Juckreiz, Brennen und Schmerzen. Eine Differenzierung im Bereich des äußeren Genitales kann schwierig sein, insbesondere weil sich die Symptome beider Erkrankungen sehr ähneln. Beide Erkrankungen sind assoziiert mit Schmerzen beim Verkehr, der in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung, häufig gar nicht mehr möglich ist. Die Diagnosestellung ist besonders am Anfang der Erkrankung schwierig und kann sich gelegentlich über Jahre hinziehen, was natürlich mit der Seltenheit des Befundes zu tun hat. Die häufigsten Fehldiagnosen sind Pilz- und bakterielle Infektionen, deren Behandlungen dann aber zu keinem Erfolg führen.

Herr Klemme-Naske, welchen Therapieansatz haben Sie? Was unterscheidet diesen Ansatz von herkömmlichen Therapien?
Erkrankungen wie der orale Lichen planus sind Autoimmungeschehen, die man bisher nicht heilen kann. Der Goldstandard der Therapie ist die Behandlung mittels Glukokortikoiden. Diese Medikamente zeigen erhebliche lokale und systemische Nebenwirkungen und können nur die Symptomatik lindern. Unser Ansatz ist es hierbei auch nicht, die Erkrankungen zu heilen, denn das können wir nicht.

Zur Symptomlinderung kommen insbesondere bestimmte Fettsäuren zum Einsatz, welche im Organismus ohnehin vorkommen, aber häufig nicht mehr in ausreichender Menge in den Zellen hergestellt werden. Es gibt eine Vielzahl weiterer orthomolekularer Stoffe, die unsere Therapie ergänzen und insgesamt zum Wohlbefinden der Patienten beitragen. Die positiven Effekte kommen somit im gesamten Organismus zur Entfaltung und sorgen beispielsweise für gesteigerte Vitalität, eine herabgesetzte Infektanfälligkeit und auch für einen guten Schutz vor Tumorerkrankungen.

Wann wird man Ihre Praxis besuchen können?
Wir rechnen mit einer Eröffnung bis Anfang Oktober 2022. Patienten können sich allerdings schon jetzt in unseren chirurgischen Praxen melden und werden selbstverständlich auch behandelt. Allerdings werden einige Behandlungsverfahren erst ab Oktober möglich sein.

Was treibt Sie an, „Fachmann für Mundschleim-häute“ zu sein?
Patienten mit Mundschleimhauterkrankungen haben nicht selten einen jahrelangen Leidensweg hinter sich. Es reizt mich, die seltenen Lichenerkrankungen zu erforschen und erfolgreich zu behandeln. Die klassische Therapie zielt in der Regel allein auf eine Linderung der Symptomatik ab und besteht, wie in der Gynäkologie, im Wesentlichen aus der Gabe von Kortikoiden, die aber lästige, und in manchen Fällen sogar schwerwiegende Nebenwirkungen mit sich bringen kann.

Mein Ziel war es, auf der Grundlage eigener jahrelanger Forschungen und praktischer Erfahrungen, den betroffenen Personen alternative und möglichst nebenwirkungsarme bis nebenwirkungsfreie Therapieformen anbieten zu können.

Aber noch einmal zurück zu Ihrem Spezialgebiet. Was hat sie bewogen, sich ausgerechnet mit Schleimhäuten zu beschäftigen?
Für mich persönlich hat die extrem schnelle und effiziente Regenerationsfähigkeit von Schleimhäuten etwas Faszinierendes. Schleimhäute sind ein Spiegel unserer allgemeinen Gesundheit. Ihre Veränderungen können beispielsweise auf Systemerkrankungen hindeuten, und dem Arzt wichtige Hinweise zur Identifizierung des Auslösers liefern. Der Zustand dieses Gewebes ist also ein wichtiger Indikator für verschiedene andere Krankheiten. An Schleimhäuten manifestieren sich besonders Autoimmunerkrankungen, die unbedingt behandelt werden müssen, da sie Vorläuferläsionen für Krebserkrankungen der Mundhöhle begünstigen können. Da Lichen-Erkrankungen nicht nur auf die Schleimhäute der Mundhöhle beschränkt sind, sondern insbesondere im weiblichen Genitalbereich erhebliche Beschwerden verursachen, arbeiten Prof. Grospietsch und ich sehr effektiv zusammen.

Wie sieht eine Behandlung von Mundschleimhauterkrankungen in Ihrer Praxis aus? Was erwartet den Patienten?
Wir behandeln natürlich sämtliche Mundschleimhauterkrankungen, jedoch liegt unser Schwerpunkt im Bereich lichenoider Schleimhauterkrankungen, wie besagtem oralen Lichen planus. Die Behandlung setzt voraus, dass wir den Gesundheitszustand des Patienten bis ins Detail kennen. Um diesen möglichst umfassend zu ermitteln, führen wir eine eingehende Anamnese durch und berücksichtigen hierbei sämtliche Informationen, die wir bekommen können. Umfangreiche Untersuchungen folgen. Haben wir alle relevanten Befunde gesammelt und konnten uns ein Bild machen, beginnt die Therapie. Wir stellen die Therapie optimal auf völlig nebenwirkungsfreie Substanzen um und kontrollieren den Krankheitsverlauf in regelmäßigen Abständen. Der Patient muss bei dieser Art der Therapie aktiv mitarbeiten. Er lernt dabei, besser mit der Erkrankung umzugehen und schädliche Einflüsse zu vermeiden.

Unser Ansatz lautet: Wir greifen mit unserer Therapie an mehreren Stellen in den Mechanismus der Erkrankung ein, sodass es ihr nicht mehr gelingen kann, sich zu manifestieren. Das bedeutet, dass keine Symptome mehr auftreten.

Gibt es zur Zeit Trends oder Neuerungen in der
Branche – abgesehen vom innovativen Projekt Ihrer Praxiseröffnung?
Im Bereich der Mundschleimhauterkrankungen hat sich in den letzten Jahren leider wenig bewegt. Es gibt interessante Ansätze an Unikliniken, beispielsweise der Charité in Berlin, die wir aufmerksam verfolgen. Vielleicht kann man es so sagen: Die „orale Medizin“ gewinnt langsam aber sicher an Stellenwert.

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