Entwicklungen im Gemeinnützigkeitsrecht – und ihre Tücken
Von Rainer Cech, MagdeburgSeptember 2007: Der Bundesrat stimmt dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements zu. Darin wurden die Höchstgrenzen für den Spendenabzug und die Ausstattung von Stiftungen angehoben, der sog. Ehrenamtsfreibetrag eingeführt und der Übungsleiterfreibetrag angehoben.
März 2013: Der Bundesrat stimmt dem Ehrenamtsstärkungsgesetz zu. Damit wurden u.a. die Mittelverwendungsfrist um ein Jahr verlängert, die Regelungen zur Rücklagenbildung überarbeitet und erweitert sowie der Übungsleiterfreibetrag und der Ehrenamtsfreibetrag erhöht.
Neben dem Gesetzgeber wird auch die Finanzverwaltung durch Anpassung der Verwaltungsrichtlinien (Anwendungserlass zur Abgabenordnung, AEAO) regelmäßig tätig.
Die Änderungen haben durchaus den Handlungsspielraum für gemeinnützige Körperschaften erweitert, aber die zu beachtenden Vorschriften haben weiterhin ihre Tücken, was an folgenden Beispielen sichtbar wird:
Beispiel: Bezahlung von „Ehrenamtlichen“
Mit den o. g. Gesetzesänderungen wurde der sog. Ehrenamtsfreibetrag eingeführt und der Übungsleiterfreibetrag angehoben. Die Freibeträge bewirken, dass bestimmte Einnahmen einkommensteuerfrei sind bzw. Gehälter lohnsteuer- und sozialversicherungsfrei ausbezahlt werden dürfen. Ab dem 01.01.2013 besteht ein Ehrenamtsfreibetrag von jährlich 720 Euro und ein Übungsleiterfreibetrag von jährlich 2 400 Euro.
Die Bezeichnungen Ehrenamts- und Übungsleiterfreibetrag sind irreführend. Der Ehrenamtsfreibetrag betrifft nämlich nicht das Ehrenamt, sondern das Nebenamt für eine gemeinnützige Körperschaft. Und der Übungsleiterfreibetrag umfasst viel mehr als nur die Tätigkeiten der Übungsleiter.
Beide Freibeträge gelten für Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer steuerbegünstigten Körperschaft. Nebenberuflich heißt dabei, dass die Arbeitszeit maximal ein Drittel der Arbeitszeit eines vergleichbaren Vollzeiterwerbs beträgt. Es ist nicht erforderlich, dass tatsächlich ein Hauptberuf ausgeübt wird.
Der Übungsleiterfreibetrag ist dabei beschränkt auf:
- die Tätigkeiten der Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder
- die vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten,
- nebenberufliche künstlerische Tätigkeiten oder
- nebenberufliche Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen.
Für den Ehrenamtsfreibetrag existiert keine Beschränkung auf bestimmte Tätigkeiten. Für beide Freibeträge gilt: Die Tätigkeiten müssen im steuerbegünstigten Bereich (ideeller Bereich oder Zweckbetrieb) ausgeübt werden, also nicht z. B. für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Eine gleichzeitige Inanspruchnahme beider Freibeträge für dieselbe Tätigkeit ist ausgeschlossen. Bei verschiedenen Tätigkeiten derselben Person können aber beide Freibeträge beansprucht werden, wenn die genannten Voraussetzungen jeweils erfüllt werden.
Achtung bei Stiftungs- und Vereinsvorständen: Sollte den Mitgliedern dieser Vorstände eine Vergütung für ihre Tätigkeit im Vorstand gezahlt werden, muss geprüft werden, ob diese Vergütung lt. Satzung überhaupt zulässig ist. Sollte das nicht der Fall sein, weil in der Satzung z. B. entweder gar keine Vergütung oder lediglich Auslagenersatz in tatsächlich nachgewiesener Höhe vorgesehen ist, ist eine Satzungsänderung erforderlich, wenn eine Vergütung gezahlt werden soll. Ansonsten weicht die tatsächliche Geschäftsführung von den Satzungsbestimmungen ab, was zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen kann.
Beispiel: Neuregelung zur Mittelverwendung
Gemeinnützige Körperschaften müssen ihre Mittel grundsätzlich zeitnah für ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden. Ausnahmen hiervon sind nur unter bestimmten Voraussetzungen für Rücklagenbildung und Vermögenszuführung zulässig. Mit Inkrafttreten des Ehrenamtsstärkungsgesetzes wurde die Mittelverwendungsfrist um ein Jahr verlängert und die Vorschriften zur Rücklagenbildung konkretisiert. Ab 2013 müssen gemeinnützige Körperschaften ihre Mittel spätestens in dem zweiten auf den Zufluss folgenden Kalenderjahr für die steuerbegünstigten Zwecke verwenden.
Beispiel: Ein im Kalenderjahr 2015 erwirtschafteter Mittelüberschuss ist (abgesehen von möglichen Rücklagenbildungen) bis Ende 2017 zu verwenden.
Mit dieser Gesetzesänderung können gemeinnützige Körperschaften nun ihre Mittel zeitlich flexibler verwenden. Aufgrund der zweijährigen Mittelverwendungsfrist ist eine erweiterte Darstellung in der Mittelverwendungsrechnung notwendig. Weiterhin problematisch bleibt, dass die Nachweisführung über die Mittelverwendungsrechnung zu wenig konkretisiert ist. In Zweifelsfällen kann diesbezüglich eine Abstimmung mit der Finanzverwaltung sinnvoll sein.
Beispiel: Wirtschaftliche Betätigung
Neben geänderten Gesetzen und Verwaltungsrichtlinien sind zum Gemeinnützigkeitsrecht eine Vielzahl von Gerichtsurteilen ergangen, von denen einige von praktischer Bedeutung sind. Beispiel: BFH-Urteil vom 04.04.2007 (Az. I R 76/05). Die ehemals vorherrschende Geprägetheorie wurde vom BFH gekippt. Nach der früheren Verwaltungsauffassung war zwischen der steuerbegünstigten und einer wirtschaftlichen Tätigkeit einer Körperschaft zu gewichten. Sollte bei einer Gesamtbetrachtung die wirtschaftliche Tätigkeit der Körperschaft das Gepräge geben, war nach der früheren Verwaltungsauffassung die gesamte Körperschaft nicht gemeinnützig.
Nach dem BFH-Urteil vom 04.04.2007 hat sich die Rechtslage folgendermaßen zum Vorteil der gemeinnützigen Körperschaften geändert. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist nur dann schädlich für die Gemeinnützigkeit einer Körperschaft, wenn die Unterhaltung dieses wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes zum Selbstzweck wird. Die gemeinnützige Körperschaft verfolgt dann neben dem eigentlichen gemeinnützigen Zweck einen weiteren, nicht gemeinnützigen Zweck – nämlich die Unterhaltung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist dagegen dann unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn er wegen des steuerbegünstigten Zwecks erfolgt, indem er z. B. der Beschaffung von Mitteln zur Erfüllung der steuerbegünstigten Aufgaben dient. In dem erwähnten BFH-Urteil reichte es den Richtern für die Gemeinnützigkeit der gesamten Körperschaft aus, dass diese neben einer umfangreichen Auftragsforschung (wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb) einen kleinen „echten“ Forschungsbereich (ideeller Bereich) unterhielt.
Aber weiterhin gilt: Vorsicht bei Verlusten im steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb! Ge-meinnützige Körperschaften dürfen sich wirtschaftlich betätigen (im Rahmen eines sog. steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes). Dabei entstehende Gewinne müssen versteuert werden. Was allerdings noch wichtiger ist: Bei einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sollten keine Verluste erzielt werden. Dann unterstellt das Finanzamt im Regelfall, dass der ideelle Bereich den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb finanziert (Mittelfehlverwendung). Das kann zur Folge haben, dass die Gemeinnützigkeit insgesamt aberkannt wird.
Kurz gefasst: Gewinne sind „unangenehm“ (wegen der Steuer), Verluste sind „schädlich“ (wegen des Verlusts der Gemeinnützigkeit).
Bild: Panthermedia/Venimo
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