Hindernisse erkennen und überwinden: Unternehmensnachfolge in neun Schritten
Von Sven Schmidtmann, Magdeburg | Dipl.-Kfm. (FH) Andreas Tieftrunk, Braunschweig„Ist man denn im eigenen Haus nicht mehr Herr?“, fragt sich Kannalles. Schließlich hat er selbst ein Unternehmen von der Treuhand ohne jegliche Vorbereitung übernommen. Er verabredet sich mit seinem Freund Siegmund, der sein Unternehmen bereits erfolgreich übergeben hat. „Karl-Heinz, das Wichtigste ist, dass der Fiskus nicht alles bekommt. Hol deinen Sohn rein, ist ein guter Mann, der Uwe“, rät ihm dieser.
Noch am gleichen Abend ruft der Unternehmer seinen Sohn an, der als Marketingleiter in einem Konzern arbeitet. Uwe Kannalles ist zunächst wenig angetan, lässt sich jedoch wenige Tage später von seinem Vater überzeugen. Bank und Mitarbeiter werden informiert. Uwe Kannalles tritt zwei Monate später als Prokurist ins väterliche Unternehmen ein und erhält die Verantwortung für den größten Kunden, die M8 AG, mit der 30 % des Deckungsbeitrages erzielt werden.
Da der „Junge“ jedoch andere Arbeitszeiten, eine neue Strategie und modifizierte Prozesse einführen möchte, lässt der Ärger zwischen Vater und Sohn nicht lange auf sich warten. Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verbessert sich nicht. Die Löhne der Mitarbeiter werden zunehmend verspätet überwiesen. Als Uwe Kannalles schließlich sogar die Stechuhr für die Mitarbeiter abschaffen will, eskaliert der Konflikt zwischen Senior und Junior. Uwe verlässt das Unternehmen enttäuscht. „Opfer zum Wohle des Allgemeinen müssen sein“, erklärt der Senior schweren Herzens und erläutert seine Entscheidung der verunsicherten Belegschaft. Er werde sich fortan wieder selbst kümmern müssen.
Herr Kannalles senior ist aufgelöst. Der Bankvorstand zitiert ihn ungehalten zum Rapport. Als dann noch der Vorstand der M8 AG wenig später ein Kaufinteresse zur Sicherstellung der Teileversorgung für seine Firma offenbart, resigniert er. „Dann muss ich mein Lebenswerk eben verkaufen.“
An einem Donnerstag erhält Karl-Heinz Kannalles ein Fax seines Topkunden: Der Rahmenauftrag über jährlich 2,5 Mio. Euro ist mit sofortiger Wirkung gekündigt. Und den Chefentwickler haben sie auch abgeworben …
Schritte zur erfolgreichen Unternehmensnachfolge
Die Fallstudie zeigt, wie dünn das Eis sein kann, auf dem sich viele Unternehmer im Rahmen ihrer Nachfolgekonzeption bewegen. Ein Unternehmen über Generationen hinweg erfolgreich am Markt zu etablieren, bedarf eigentlich „nur“ zweier Voraussetzungen: Zeit für ausreichende Handlungsspielräume und wohlstrukturiertes Vorgehen. Doch Übergaben scheitern immer wieder. Aus zahlreichen Gesprächen mit Unternehmern (Übergebern wie Nachfolgern) wurden daher praxiserprobte Instrumente entwickelt, mit denen sich Unternehmensübergaben strukturiert vorbereiten und umsetzen lassen.
Die Nachfolge kann sich in neun Phasen vollziehen. Ein Zeitraum von fünf Jahren – vom ersten konzeptionellen Gedanken bis zur tatsächlichen Übergabe – ist sinnvoll, um über einen zeitlichen Puffer für die Korrektur möglicher Fehlentscheidungen oder für die Suche geeigneter Partner zu verfügen.
Neun Phasen zur erfolgreichen Unternehmensnachfolge
1. Auslöser- oder Vorphase
Dem Erstellen eines Nachfolgekonzeptes können verschiedene Auslöser vorausgehen. Im günstigsten Fall stellt sich der Beginn solcher Überlegungen ohne fremdes Zutun ein. Leider unterscheiden sich oftmals Selbst- und Fremdbild von Unternehmern. Der erste Impuls, sich dem Thema Nachfolge anzunehmen, stammt daher vielfach von Finanzierungspartnern, Mitarbeitern oder der Familie.
- Beinhaltet das Testament geeignete Regelungen in Bezug auf die Unternehmensführung?
- Gibt es im Management, in der Familie oder bei den Banken in Bezug auf die Nachfolge erste mahnende Stimmen?
2. Phase: Reflexion der persönlichen Wünsche
Im Vorfeld jeder Planung steht die Frage: „Was will ich eigentlich?“ Sie betrifft private Bedürfnisse, z. B. den Wunsch, das Unternehmen irgendwann an die eigenen Kinder zu übergeben oder die Gewissheit, auch im Ruhestand auf eine positive Unternehmenszukunft vertrauen zu können. Neben den finanziellen Aspekten geht es vor allem um die persönliche Verbundenheit mit dem Unternehmen und die Frage nach den Lebensinhalten außerhalb der Unternehmenswelt.
3. Ist-Analyse-Phase
Ziel der Unternehmensübergabe ist es, den Betrieb auf eine erfolgreiche Zukunft am Markt vorzubereiten. Bestimmte kritische Unternehmens-, Bilanz- oder Finanzierungsstrukturen können nachhaltigen Einfluss auf den Unternehmenswert haben. Solche strukturellen Defizite können oftmals (wenn überhaupt) nur mit großem Aufwand im Rahmen einer Unternehmenstransaktion geheilt werden. Das Unternehmen von allen erkennbaren „Altlasten“ zu befreien, schafft eine optimale Ausgangssituation.
- Haben wir die richtige Unternehmensstruktur und diese auch vertraglich perfekt umgesetzt?
- Verfügen wir über ein auch ohne den Eigentümer funktionierendes Management?
- Sind unsere Prozesse transparent, auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet und wie wirkt sich das auf den Unternehmenswert aus?
4. Visions- und Zielphase
Die Vision des Nachfolgeprozesses ist eine gedankliche Konstruktion, in der die Bedürfnisse des Unternehmers und die Anforderungen an das Unternehmen erfüllt sind. Was soll am Ende des Nachfolgeprozesses in den betrachteten Facetten erreicht worden sein? Zeitgleich bildet sie aber auch Unternehmerwünsche ab, indem sie Aussagen zum gewünschten Kaufpreis, der Nachhaftungsgefahren oder der Persönlichkeit des Nachfolgers trifft.
- Was für einen Nachfolger können meine Mitarbeiter akzeptieren und welche Veränderungen möchte ich unbedingt vermeiden?
- Welche finanziellen und haftungsrechtlichen Rahmenbedingungen gibt es für die Nachfolge?
5. Detaillierungsphase
Aus den zuvor abgeleiteten Zielen werden konkrete Maßnahmen abgeleitet. Sie sind hinsichtlich ihrer Realisierungsmöglichkeit zu prüfen. Juristische und steuerliche Beratung sollte an dieser Stelle bereits hinzugezogen werden. Zeitgleich entstehen hier oft Impulse, die dem Unternehmer im Vorfeld nicht bewusst waren.
- Welche rechtlich und steuerlich motivierte Optimierung ist vor einer Transaktion umzusetzen und welche Maßnahmenalternativen gibt es?
- Welche Ziele müssen eventuell neu gesteckt werden, weil sie kaum erreichbar sind?
- Mit welchen Maßnahmen werden Mitarbeiter und Familie an das Thema herangeführt?
6. Bewertungsphase
Sind alle Optionen gesichtet, gilt es, den Wert des Unternehmens zu ermitteln. Die maßgebenden Größen sind hierbei der derzeitige und der zukünftig erwartete Cash-flow. Eine wesentliche Basis für die Ermittlung sollte eine szenarioorientierte, integrierte Finanzplanung sein. Neben der Bewertung sind Risiken zu beachten, die zum Beispiel Nachhaftung, Garantien oder Gefahren bei Zahlung in Anteilen betreffen. Ob und wie kann der Käufer den Kaufpreis gegebenenfalls nachträglich mindern?
- Welche wertbeeinflussenden Faktoren gibt es? Bewertungskorridor?
- Welche Haftungsrisiken sind zu beachten?
7. Ruhestandsplanungsphase
Vielfach wird der Frage „Was tue ich nach der Übergabe?“ zu wenig Beachtung geschenkt. Es geht um die Bestimmung einer möglichen Lücke zwischen der im Ruhestand angestrebten und der prognostizierten finanziellen Situation. Wurde im Vorfeld nicht ausreichend für den Ruhestand vorgesorgt, besteht eine hohe Abhängigkeit vom Erreichen eines bestimmten Kaufpreises.
- Wie kann ich mein Leben heute schon umstellen, um den Übergang in eine neue Lebensphase zu erleichtern?
- Welcher Transaktionspreis muss erlöst werden, um den gewünschten Lebensstandard sicherzustellen?
8. Umsetzungsphase
Nach all diesen Betrachtungen gilt es, treffende Maßnahmen in eine zeitliche Abfolge zu bringen. In diesen Zeithorizont fällt auch die Suche nach einem geeigneten Nachfolger (Familienumfeld? Mitarbei-terkreis? Von „außen“?).
- Wie setze ich die notwendigen Maßnahmen um?
- Wie finde ich den geeigneten Nachfolger?
- Wie wird ein Transaktionsprozess eingeleitet?
9. Transaktionsphase
In der Transaktionsphase wird mit dem gewählten Nachfolger der eigentliche Verkauf des Unternehmens im Rahmen der Zielparameter umgesetzt. Dabei ist zu klären, welche Form der Übergabe aus betriebswirtschaftlicher, juristischer und steuerlicher Sicht optimal und konsensfähig ist, wie der Kaufpreis strukturiert wird, welche Verpflichtungen und Haftungen sich ergeben und wie die Mitarbeiter bzw. Stakeholder über die geplante Transaktion informiert werden.
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