Artikel erschienen am 21.06.2023
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Unterstützung in der Energiepreiskrise

Preisbremsen und staatliche Maßnahmen zur Abmilderung der Energiepreissteigerungen

Von Nicole Datz, Hannover | Dr. iur. Sabine Schulte - Beckhausen, Köln

Das milliardenschwere Paket soll über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) und durch einen zweiteiligen Beitrag von Unternehmen aus dem Energiesektor sowie aus der Mineralölwirtschaft finanziert werden.

Stufe 1: Soforthilfen für Dezember-Energiekosten

Die aktuellen Maßnahmen umfassten in einer ersten Stufe Soforthilfen für Dezember 2022. In einer zweiten Stufe gilt mit Wirkung ab Januar 2023 die Preisbremsengesetzgebung. Der Bundesrat hatte am 14.11.2022 das am 10.11.2022 vom Bundestag beschlossene Gesetz über eine Soforthilfe für Letztverbraucher von leitungsgebundenem Erdgas und Kunden von Wärme (Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz – EWSG) gebilligt. Dieses Gesetz enthält die Dezember-Soforthilfen (Stufe 1) für Letztverbraucher von Erdgas und Kunden von Wärme. Die sog. Stufe 1 der Soforthilfen betrifft nur Erdgas und Wärme, nicht die Stromkosten. Zielgruppe sind nur Haushalte und kleinere Unternehmen, d.h. Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von Erdgas von bis zu 1,5 GWh.

Diese Haushaltskunden und kleineren Unternehmen wurden im Dezember 2022 durch die einmalige Soforthilfe von den hohen Gaspreisen entlastet. Pflege-, Rehabilitations- und Forschungseinrichtungen, Kindertagesstätten, Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Wohnungseigentümergemeinschaften sind unabhängig von ihrem Jahresverbrauch anspruchsberechtigt. Zur Umsetzung dieser Soforthilfe wurden die Abschlagszahlungen für den Monat Dezember 2022 ausgesetzt oder ein entsprechender Betrag erstattet. Bei der Wärmeversorgung erfolgt die Entlastung durch eine pauschale Zahlung, die sich im Wesentlichen an der Höhe des gezahlten Abschlags bemisst. Basis sind die Abschläge für September 2022 mit einem „Sicherheitszuschlag“ von 20 %. Für Mieterinnen und Mieter ohne eigene Verträge mit Energielieferanten, deren Energieverbrauch über die Nebenkosten abgerechnet wird, sind differenzierte Sonderregeln je nach Ausgestaltung der Verträge mit dem Vermieter vorgesehen. Ziel ist es, auch diese Haushalte zeitnah von den Kostensteigerungen zu entlasten.

Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) erstattet den Gas- und Wärmeversorgungsunternehmen die Entlastungsbeträge.

Im Jahressteuergesetz (JStG) 2022 wurde geregelt, dass alle im EWSG benannten Entlastungen der Besteuerung unterliegen, um eine sozial ausgewogene Entlastungswirkung zu erzielen. Die Besteuerung dieser einmaligen Entlastung durch die sog. „Dezember-Hilfe“ richtet sich nach den neuen §§ 123 - 126 EStG. Fließen die Dezember-Hilfen im Privatbereich zu, so unterliegen sie nach § 123 Abs. 1 EStG grundsätzlich der Besteuerung. Eine tatsächliche Besteuerung ergibt sich allerdings erst dann, wenn die Bezieher der Pflicht zur Zahlung des Solidaritätszuschlags unterliegen, d.h. wenn das zu versteuernde Einkommen – ohne Berücksichtigung der „Dezember-Hilfe“ – die Grenze von 66.915 Euro überschreitet. Daran anschließend werden die Dezember-Hilfen innerhalb einer sog. Milderungszone (von 66.915 Euro - 104.009 Euro) entsprechend § 124 EStG nur anteilig dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet. Erst darüber hinaus erfolgt die Versteuerung in voller Höhe. Im Falle einer Zusammenveranlagung verdoppeln sich die Wertgrenzen.

Stufe 2: Energiepreisbremsen

Seit dem 01.01.2023 gelten die Regelungen für die sog. „Preisbremsen“ für Gas, Wärme und Strom (Stufe 2). Die Entlastungen wurden wegen des hohen Aufwands bei den Lieferanten erst mit den März-Abrechnungen 2023 umgesetzt, sollen aber rückwirkend zum 01.01.2023 wirken. Die Regelungen sind in einem Strompreisbremsengesetz (StromPBG) sowie in einem Gas- und Wärmepreisbremsengesetz (GasWärmePBG) normiert worden.

Hier gibt es Beihilfen in Gestalt von monatlichen Gutschriften vom Lieferanten. Gutgeschrieben wird die Differenz zwischen dem gesetzlich gedeckelten Preis für ein sog. Basiskontingent – dem sogenannten „Referenzpreis“ – und dem vereinbarten hohen Preis:
Für Erdgas wird ein Brutto-Referenzpreis von 12 Cent/kWh und für Fernwärme von 9,5 Cent/kWh für ein Grundkontingent von 80 % des historischen Verbrauchs festgelegt.

Bei der Gaspreisbremse sollen Kunden mit einem Gasverbrauch unter 1,5 Mio. kWh im Jahr sowie Pflege-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen eine Begrenzung des Brutto-Gaspreises für 80 % des Verbrauchs auf 12 Cent/kWh erhalten; für Fernwärme liegt der garantierte Bruttopreis bei 9,5 Cent. Die Industrie soll für 70 % ihres Erdgasverbrauchs nur 7 Cent/kWh bzw. für 80 % ihres Wärmeverbrauchs nur 7,5 Cent/kWh bzw. für Dampf 9 Cent/kWh bezahlen.

Für Strom wird mit Blick auf den Preisdeckel zwischen Haushalten/Gewerbe (bis 30.000 kWh Jahresverbrauch) und größeren Unternehmen differenziert: Für Verbraucher bis zu einem Stromverbrauch von 30.000 kWh pro Jahr wird der Referenz-Strompreis auf 40 Cent/kWh inklusive staatlicher Preisbestandteile (Netzentgelte, Steuern, Abgaben etc.) gedeckelt, und zwar für ein „Entlastungskontingent“ von 80 % des Vorjahresverbrauchs 2021, oder ggf. einer Verbrauchsprognose des Netzbetreibers. Für Verbraucher über 30.000 kWh wird der Strompreis für ein Entlastungskontingent von 80 % auf 13 Cent/kWh gedeckelt, d.h. Netzentgelte, Steuern, Abgaben und Umlagen bleiben in dieser Zielgruppe unberührt. Begünstigt ist nur der Netzbezug, unabhängig davon, ob das Unternehmen von einem Lieferanten bezieht oder selbst am Stromgroßhandelsmarkt einkauft.


Für die verbleibenden 20 % bzw. 30 % des Verbrauchs muss jeweils der (teure) Vertragspreis gezahlt werden. Dies soll einen Anreiz für Bemühungen der Haushalte und Unternehmen zur Energieeinsparung schaffen. Die Preisbremsen sind zunächst bis Ende 2023 befristet. Durch die Preisbremsengesetze wurde die Bundesregierung ermächtigt, die Maßnahmen per Verordnung bis April 2024 zu verlängern. Zudem soll sie bis Ende 2023 prüfen, ob eine Verlängerung darüber hinaus möglich ist.

Auf Grundlage des beihilferechtlichen „Temporary Crisis Frameworks“ der EU legen die Gesetzentwürfe über ein hochdifferenziertes System Höchstgrenzen für die Entlastungen fest. Bei bestimmten energieintensiven Unternehmen (vgl. Anl. 2 zum Gesetzesentwurf) beträgt die Höchstgrenze der Entlastungen 150 Mio. Euro pro Jahr. Die Entlastungen aus der Strom- und Gaspreisbremse sowie aller Netzentnahmestellen aller verbundener Unternehmen sind zusammenzurechnen. Wird der Betrag überschritten, ist eine Einzelfallprüfung bei der EU-Kommission vorgesehen. Im Fall von Entlastungen von bis zu 50 Mio. Euro müssen die Unternehmen einen Plan vorlegen, wie sie ihre Anstrengungen zur Erhöhung der Energieeffizienz und der Nutzung erneuerbarer Energien steigern wollen.

Darüber hinaus gibt es für große Verbraucher Grenzen für die Entlastungshöhe abhängig von der Höhe der sog. „krisenbedingten Energiemehrkosten“ sowie von der EBITDA-Entwicklung im Vergleich 2021 zu 2023. Unternehmen, die über 2 Mio. Euro erhalten, trifft eine „Arbeitsplatzerhaltungspflicht“ bis zum 30.04.2025 für 90 % ihrer Stellen (Vollzeitäquivalente).

Die bisherigen Regelungen, die im Rahmen des JStG 2022 zur Besteuerung der Entlastungen nach dem Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz in das Einkommensteuergesetz aufgenommen wurden, beziehen sich nur auf die unter dem EWSG gezahlten Entlastungen im Privatbereich. Eine Ausweitung auf die Leistungen nach den Preisbremsengesetzen fehlt noch. Es bleibt abzuwarten, ob die darin vorgesehenen Entlastungen ab dem 01.01.2023 steuerpflichtig sein werden.

Finanzierung: Überschusserlösabschöpfung und Solidaritätsbeitrag (Übergewinnsteuer)

Die Energieversorger erhalten von den Übertragungsnetzbetreibern die Kosten für die vergünstigten Verbrauchsanteile erstattet. Gleichzeitig ziehen die Übertragungsnetzbetreiber bei den sog. „inframarginalen Stromerzeugern“ für Anlagen mit einer installierten Leistung von über 1 MW „Übererlöse“ ein. Dies betrifft erneuerbare Energien, Atomenergie, Mineralöl, Abfall und Braunkohle. Das ebenfalls im Strompreisbremsengesetz geregelte Abschöpfungsverfahren differenziert technologiespezifisch. Die Abschöpfung wird rückwirkend zum 01.12.2022 erfolgen und ist zunächst bis Ende Juni 2023 befristet; sie kann bis maximal Ende 2024 verlängert werden.

Darüber hinaus gibt es eine Abschöpfung von Zufallsgewinnen über einen Solidaritätsbeitrag nach der Verordnung (EU) 2022/1854 des Rates über „Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise“ vom 06.10.2022 für Unternehmen bestimmter Branchen. Das diesbezügliche EU-Energiekrisenbeitragseinführungsgesetz (EU-EKBEG) wurde in das JStG 2022 aufgenommen. Erfasst wird jedes gewerbliche Unternehmen unabhängig von seiner Rechtsform, soweit es im Inland betrieben wird (Einzelunternehmen und Personen- und Kapitalgesellschaften sowie Betriebsstätten) und im Besteuerungszeitraum mindestens 75 % seines Umsatzes in den Bereichen Extraktion, Bergbau, Erdölraffination oder Herstellung von Kokereierzeugnissen erzielt. Der Solidaritätsbeitrag soll für das erste nach dem 31.12.2021 beginnende Wirtschaftsjahr, sog. Besteuerungszeitraum 1, sowie für das darauffolgende Wirtschaftsjahr, als sog. Besteuerungszeitraum 2, erhoben werden. Der Solidaritätsbeitrag ist auf den Teil des Gewinns des im Besteuerungszeitraum 1 bzw. 2 endenden Wirtschaftsjahres zu entrichten, der mehr als 20 % über dem Durchschnitt der steuerlichen Gewinne aus den nach dem 31.12.2017 beginnenden und vor dem Beginn des Besteuerungszeitraums 1 endenden Wirtschaftsjahren liegt. Bei Kapitalgesellschaften ist als Gewinn der steuerliche Gewinn maßgebend (s. R 7.1 Abs. 1 S. 2 Nr. 31 KStR 2022), bei Steuerpflichtigen in anderer Rechtsform die entsprechende Größe. Der Solidaritätsbeitrag beträgt 33 % dieser Bemessungsgrundlage und ist keine abzugsfähige Betriebsausgabe.

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