Artikel erschienen am 16.09.2016
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Vollmachten: „Ein Sturm zieht auf, Mr. Wayne“

Warum einfache Generalvollmachten nicht genügen

Von Dr. iur. Markus Urban, Hannover

Kurze Vollmachten reichen nicht aus, wenn Vertrauenspersonen umfassend den Willen des Vollmachtgebers durchsetzen sollen. Prägnante Vollmachten sind hochwirksam, vor allem, wenn sie formal und inhaltlich auf der Höhe ihrer Zeit stehen. Im Prozess des Vermögensaufbaus und der Werteverwaltung sind sie unverzichtbar. Doch die umfassende Vertretung hat ihren Preis, wenn sie flexibel einsetzbar sein soll. In diesem Fall greifen ihre Mechanismen aber auch dann, wenn der wahre Wille des Vollmachtgebers nicht mit den Handlungen des Bevollmächtigten übereinstimmt. Ein Dilemma.

Mahnende Wort an einen, der es vermeintlich geschafft hat: „Glauben Sie, das kann so weitergehen? Ein Sturm zieht auf, Mr. Wayne.“ Schon im Trailer des letzten Films der Batman-Trilogie nimmt dieser Satz eine dominante Stellung ein. Batmans Alter Ego Bruce Wayne tanzt mit einer attraktiven jungen Dame durch die High-Society der fiktiven Metropole Gotham City. Alle sind gekommen, man zückt das Scheckbuch für Wohltätiges, die Party nimmt Fahrt auf. Doch nicht nur in Gotham City enden Partys abrupt, ohne Vorwarnung und mit verheerenden Konsequenzen. Dann kommt es auf gute Bausteine zur Krisenbewältigung an.

Wer etwas zu verlieren hat, muss abgesichert sein

Der Notar wird immer mehr zum Ansprechpartner, wenn es um die Absicherung von Werten und Vermögen geht. Die üblichen Verdächtigen, deren Begehrlichkeiten dann stark zunehmen, wenn Unternehmungen erfolgreich verlaufen, werden seit jeher vom Finanzamt angeführt. Aber auch Kontakte aus ehemaligen Beziehungen – seien sie beruflich oder privat – können bedrohlich werden. Auch nicht zu vernachlässigen, ist das „allgemeine Lebensrisiko“ – beispielsweise liegt es nur bedingt in unserer Hand, ob wir gesund bleiben und ob sich Risiken verwirklichen, die uns von Anfang an auf die Reise mitgegeben worden sind.

Bausteine – wie man sich gegen Handlungs-unfähigkeit absichert

Wer sich ernsthaft absichern will, darf sich nicht der Illusion hingeben, es gäbe eine Antwort für alle Fragen. Es liegt auf der Hand, dass ein Testament ohne Sterbefall keine Wirkung entfaltet. Leib und Leben gehören zusammen; genau dorthin gehören Generalvollmachten und Patientenverfügungen.
Wer nicht mehr – sei es kurz- oder langfristig – für sich sprechen oder handeln kann, erhält einen sogenannten Betreuer zugewiesen. Folglich besteht das eigentliche Ziel der Vollmacht darin, dem Amtsgericht die Möglichkeit zu nehmen, einen Betreuer zu bestellen – der Vollmachtgeber sucht sich seine Vertreter selbst und überlässt diese wichtige Entscheidung nicht dem richterlichen Ermessen. Nur wenn sichergestellt ist, dass der „Kreis des Vertrauens“ nicht von außen durchbrochen werden kann, machen weitere Überlegungen Sinn.

Unbeschränkt im Außenverhältnis

Moderne Generalvollmachten verzichten auf eine Auflistung von Befugnissen, sie ordnen schlicht die Vertretung überall dort an, wo diese zulässig ist. Das ist nahezu in jedem Bereich der Fall; nur in Segmenten, in denen höchstpersönliches Handeln evident unabdingbar ist – Eheschließung, Verfassen eines Testaments – kann nicht vertreten werden. Die Vollmacht wird in der Regel auch so erteilt, dass Bevollmächtigte mit sich im eigenen Namen oder für Dritte Verträge unter Nutzung der Vollmacht schließen können; somit sitzt nur eine Person bei der Unterschrift am Tisch, vertreten werden aber unter Umständen mehrere Parteien. Wichtig ist deshalb auch, ob Schenkungen und Übergabeverträge von der Vollmacht gedeckt werden, und falls ja, ob die Früchte der Übergaben auch an den Bevollmächtigten selbst fließen dürfen. Ein praktisches Bedürfnis für eine solche Anordnung ergibt sich in Konstellationen, in denen Erbschaft- oder Schenkungsteuer vermieden werden soll.

Das Dilemma

Unbeschränkt im Außenverhältnis bedeutet nichts anderes als ein umfassendes, rechtlich legitimiertes, „Handeln können“ für einen Vollmachtgeber. Der Bevollmächtigte ist zwar an den wahren Willen – seinen Auftrag und seinen Auftraggeber – gebunden. Wird dieser Auftrag aber – bewusst oder unbewusst – überschritten, steht das der Wirksamkeit geschlossener Verträge oder abgegebener Gestaltungserklärungen (z. B. Vertragskündigungen) nicht im Weg. Da die Erklärungen wirksam sind und die Empfänger solcher Erklärungen sich auf das Bestehen der Vollmacht verlassen können, darf auch im Nachgang keine Berücksichtigung eines entgegenstehenden Willens erfolgen. Dem Vollmachtgeber bleibt im Extremfall nur ein Schadenersatzanspruch gegen den handelnden Bevollmächtigten.

Wie der Missbrauch verhindert wird

Ist die Vollmacht durch eine notarielle Urkunde erteilt, wird die Wirksamkeit an eine Bedingung geknüpft, die sich aus der Urkunde selbst ergibt. Die Vollmacht soll nämlich nur dann wirksam sein, wenn der Bevollmächtigte sich durch eine sogenannte Ausfertigung der Vollmachtsurkunde legitimieren kann. Die Ausfertigung wirkt wie ein Ausweis. Somit ist erreicht, dass der Vollmachtgeber selbst darüber entscheidet, ob und wann er – ggf. auch ohne sein Wissen – vertreten werden kann. Händigt er die Ausfertigung nicht aus, bleibt die Urkunde im Schrank ein „Papiertiger“. Erst mit der Übergabe an den Bevollmächtigten wird das volle Potenzial entfaltet. Es kann zudem angeordnet werden, dass die Vertretung immer durch zwei Bevollmächtigte erfolgen muss – gegenseitige Kontrolle ist möglich, im Ernstfall dann aber auch unabdingbar.

Vertrauen entscheidet

Eines wird deutlich: Neben allen rechtlichen Maßnahmen bedarf es eines wirklichen Vertrauensverhältnisses zwischen Vollmachtgeber und Bevollmächtigtem. Nur dann ist der Boden für die dargestellte Vertretungsmacht hinreichend bereitet. Oft reicht es aber alleine nicht aus, wenn sich ein Vollmachtgeber und ein Bevollmächtigter „blind vertrauen“. Haben sich beispielsweise Ehegatten bevollmächtigt und verstirbt ein Ehegatte unvorhergesehen, bricht durch dieses Ereignis auch der vollständige Schutz der Vollmacht für den überlebenden Ehegatten zusammen. Deshalb empfiehlt es sich, innerhalb der Vollmacht weitere Bevollmächtigte zu benennen, die (wieder nur) im Innenverhältnis angewiesen werden, dann zu handeln, wenn der Hauptbevollmächtigte nicht mehr handeln kann oder will. Doch auch für die Ersatzbevollmächtigten gilt: Vertrauen entscheidet!

Spezielle Erfordernisse für Unternehmer?

Zur Sicherstellung einer ständigen Präsenz des Unternehmers, unabhängig vom Aufenthaltsort, Gesundheitszustand und von der Tagesform, kann die klassische Generalvollmacht für unternehmerische Belange erweitert werden. Typische Geschäfte, wie beispielsweise das Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen, können im Text der Vollmacht ausdrücklich Erwähnung finden. Wem das zu weit geht, der sieht von einer personenbezogenen Vollmacht ab und erteilt Generalvollmachten rein unternehmensbezogen; auch auf diese Art lässt sich das Missbrauchsrisiko minimieren.

Patientenverfügungen

Mit der Patientenverfügung kann ein Vertreter bestellt werden, der darüber entscheidet, welche Maßnahmen medizinischer Natur ergriffen oder aufrechterhalten werden dürfen. Auch hier ist Voraussetzung der Wirksamkeit, dass der Vollmachtgeber selbst nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen für sich im eigenen Namen zu treffen.

Kosten

Generalvollmachten können mit Patientenverfügungen in einer Urkunde verbunden werden, sodass Kostenvorteile entstehen. Da die Generalvollmachten gerichtliche Betreuungsverfahren vermeiden, sind sie im Kostenrecht des Notars zusätzlich privilegiert; dies geschieht durch Einschränkungen im Geschäftswert. Gerne berät Sie Ihr Notar über die Kosten einer Beurkundung. Als Faustformel kann man sagen, dass selbst bei größeren Vermögen Generalvollmachten häufig unter 250 Euro inklusive Steuern zu haben sind.

Foto: Fotolia/Stockphoto-Graf

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