Artikel erschienen am 11.11.2011
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Gesamtkonzept statt Flickenteppich

Bei der Lösung einzelner Probleme werden häufig weiterreichende Folgen in ganz andere Rechtsbereiche übersehen

Von Dr. iur. Barbara Lilie, Halle (Saale

Haben Sie kürzlich durch einen fachkundigen Berater prüfen lassen, ob die rechtlichen, insbesondere vertraglichen Rahmenbedingungen Ihren wirtschaftlichen Erfolg sichern, und zwar auch im Ernstfall? Dann wird der folgende Beitrag Sie darin bestätigen, wie wichtig diese Maßnahme war. Wenn nicht, sollten Sie sich in jedem Fall ein paar Minuten Zeit nehmen, um weiterzulesen.

In der täglichen Beratungspraxis wird der Notar häufig nur damit beauftragt, eine Lösung für ein einzelnes Problem zu finden. Übersehen werden die weitreichenden Folgen in ganz anderen Rechtsbereichen.

Eine gute Beratung setzt zwingend voraus, dass der Berater die rechtlichen Grundlagen vollständig kennt. Die gewünschte Regelung muss sich in die vorhandenen Strukturen einpassen, Lücken müssen aufgedeckt, Änderungsbedarf muss geprüft werden.

Nehmen Sie zum Beispiel den Unternehmer, der alleiniger Gesellschafter und Geschäfts­führer einer GmbH ist. Der wesentliche Teil des Firmengeländes ist Eigentum seiner Ehefrau, der Rest, auf dem auch das private Wohnhaus der Eheleute steht, ist Eigentum des Schwiegervaters. An beide zahlt der Unternehmer Miete. Die Eheleute haben zwei gemeinsame Kinder. Der Unternehmer hat darüber hinaus ein nichteheliches Kind, zu dem er keinen Kontakt hat.

Die Eheleute wollen sich absichern für den Fall, dass einem von ihnen „etwas passiert“. Über die möglichen Risiken haben sie sich im Detail noch keine Gedanken gemacht. Zunächst wollen sie in jedem Fall ein sogenanntes Berliner Testament beurkunden lassen, d. h., sie wollen sich zunächst gegenseitig zum Alleinerben einsetzen; Schlusserben sollen die gemeinsamen Kinder sein. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Nach Lage der Dinge ist das gar keine gute Idee und zur vollständigen Absicherung gänzlich unzureichend.

Unser Fall gibt zunächst Anlass, die vorhandenen Strukturen auf ihre Festigkeit und Leistungsfähigkeit hin zu überprüfen. Die Sicherung des Betriebsgrundstücks ist meistens für den Bestand des Unternehmens von ganz wesentlicher Bedeutung. Das Eigentum in die Hand von Familienangehörigen zu geben, hat häufig mehrere Gründe: Die gezahlte Miete „bleibt in der Familie“. Im Insolvenzfall können Gläubiger nicht darauf zugreifen. Der Grundbesitz fällt nicht in die Erbmasse des Unternehmers.

Die Gestaltung des Testaments wird berücksichtigen müssen, dass das Betriebs­grund­stück ausschließlich in den Nachlass der Ehefrau fällt. Stirbt diese zuerst, darf das Eigentum hieran nicht ohne Weiteres auf den Ehemann übergehen, da dies den Pflichtteil des nicht­ehelichen Kindes vergrößern würde. Für dieses Problem gibt es Lösungen, die eine Vorerbschaft des Ehe­mannes oder eine Ab­sicherung zu Lebzeiten, am besten durch Eintrag von Sicherungs­rechten im Grundbuch vorsieht. Das Vererben des Betriebs­grund­stücks von der Ehefrau an den Ehemann wäre nicht nur erbrechtlich ungeschickt. Es würde auch den Schutz des Unter­nehmens vor Gläubigern wieder zunichtemachen. Zur Bestands­sicherung sollte angeregt werden, die Erbfolge nach dem Schwiegervater hinsichtlich des Betriebs­grund­stücks zu regeln.

Die Rechtsnachfolge in GmbH-Anteile muss ebenfalls stets geprüft werden. Gibt es, anders als in unserem Fall, mehrere Gesellschafter und kann der Geschäftsanteil im Fall des Todes des Gesellschafters eingezogen werden, so hat das Gesellschaftsrecht Vorrang vor dem Erbrecht. Der Erbe erhält statt des Geschäftsanteils lediglich eine Abfindung. Über die Erbfolge sollte nicht allein unter zivilrechtlichen Gesichtspunkten entschieden werden, sondern unbedingt auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten, jedenfalls wenn eine Unternehmensfortführung in Betracht kommt.

Dem Unternehmer ist anzuraten, nicht nur für den Fall seines Ablebens an die Versorgung seiner Familie zu denken, sondern auch für den Fall, dass er eine Zeit lang ausfällt oder womöglich dauerhaft nicht in der Lage ist, sein Unternehmen weiter­zuführen. Das Unternehmen muss im Interesse der Familie, der Mitarbeiter und letztlich auch der Vertragspartner handlungs­fähig bleiben. Ein ungeplanter längerer Kranken­haus­aufenthalt kann ihn die Existenz kosten. Deshalb sollte mindestens eine weitere Person handlungs­fähig sein, wenn der Unternehmer ausfällt. Das muss nicht zwingend eine fachkundige Person sein. Sie muss allerdings das uneingeschränkte Vertrauen des Unternehmers haben. Wird z. B. die Ehefrau bevoll­mächtigt und ist sie nicht fachkundig, so kann sie doch zumindest eine Vertretung organisieren, die entweder die Firmen­fort­führung bis zur Rückkehr des Unternehmers oder aber die geordnete Abwicklung ermöglicht.

Die im Beispielsfall von den Beteiligten geschaffene Rechts­konstruktion hat weitere Folgen, die mit bedacht werden müssen. Die Tauglichkeit muss nicht nur im Hinblick auf alle Steuerarten untersucht werden. Vielmehr ist auch zu bedenken, dass die Ehe des Unternehmers geschieden werden könnte. Für diesen Fall muss sichergestellt sein, dass er Zugriff auf das Betriebsgrundstück erhält. Die Folgen einer etwaigen Ehescheidung sind ohnehin zu bedenken. Sofern die Ehefrau Zugewinnaus­gleichs­ansprüche geltend macht, kann dies zu ernsthaften Liquiditätsproblemen für den Unternehmer führen. Dem kann durch einen Ehevertrag vorgebeugt werden, in dem festgelegt wird, in welchem Umfang der Ehefrau Ausgleichs­ansprüche zustehen. Der Ehevertrag muss selbst­verständlich ausgewogen sein und darf die häufig im Unternehmen mitarbeitende Ehefrau nicht benachteiligen. Er darf aber andererseits auch nicht dem Unternehmen die wirtschaftliche Grundlage nehmen. Die Sache verkompliziert sich dann noch erheblich, wenn unter­halts­berechtigte Kinder vorhanden sind. Die allseits bekannte Gütertrennung ist sehr häufig nicht die richtige Lösung. In Betracht könnte ein modifizierter Zugewinn­ausgleich kommen, mit der einzelne Vermögensgegenstände, z. B. ein Unternehmen oder Grundstücke, vom Zugewinnausgleich ausgenommen werden.

In unserem Fall braucht der Unternehmer ein maßgeschneidertes Testament. Das sichert seine Familie und sein Unternehmen, begrenzt den Umfang des Pflichtteilsanpruchs auf ein unvermeidbares Maß und reduziert die Steuerlast. Er benötigt ebenfalls eine Sicherheit am Betriebsgrundstück, einen Ehevertrag und eine Vorsorgevollmacht, alles aufeinander abgestimmt.

Natürlich handelt es sich nur um ein Beispiel, mit dessen Hilfe Problempunkte aufgezeigt werden sollen. In jedem Fall muss eine individuelle Lösung erarbeitet werden.

Unser Beispiel zeigt jedoch, dass es in der Regel nicht genügt, eine isolierte Regelung vorzunehmen. Vielmehr muss stets der Gesamt­kontext betrachtet werden. Eine fachkundige rechtliche Beratung kostet „nur“ Geld. Fehlende taugliche Rechts­grundlagen können Sie die Existenz kosten.

Bild: Panthermedia

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