Artikel erschienen am 14.01.2013
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Für international tätige Unternehmen

Neuerungen bei der Betriebsstättengewinnermittlung sowie erforderliche Maßnahmen

Von Dipl.-Volkswirt Dietmar Engel, Bielefeld | Dipl.-Finanzwirtin Andrea Ziegert, Bielefeld

1. Einleitung

Die ausländische Betriebsstätte ist aus deutscher Sicht eine mit geringem Aufwand verbundene Form, im Ausland lokal unternehmerisch tätig zu werden. Im Vergleich zu einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist die Betriebsstätte in Gründung, Unterhaltung und Aufgabe verhältnismäßig einfach und kostengünstig. Ab 2013 gilt es jedoch, umfangreiche Änderungen bei den Grundsätzen der Gewinnabgrenzung der Betriebsstätte vom Stammhaus zu beachten. Die Umsetzung dieser Grundsätze ist im Einzelfall mit erheblichem Aufwand verbunden.

Der Betriebsstättengewinn konnte nach bisherigem deutschen Verständnis durch die sogenannte indirekte oder die direkte Methode ermittelt werden. Bei der indirekten Methode wurde der Gesamtgewinn des Unternehmens auf das Stammhaus und die Betriebsstätte im Wege der Schätzung aufgeteilt. Im Gegensatz dazu wurde bei der direkten Methode der Betriebsstätte der Gewinn zugerechnet, den sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbstständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre. Diese Methode wird international als „functionally separate entity approach“ bezeichnet.

Ab 2013 besteht diese Wahlmöglichkeit nicht mehr. Denn bereits im Jahr 2010 hat die OECD diesen „functionally separate entity approach“ in Artikel 7 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA 2010) international festgeschrieben. Mit dem Jahressteuergesetz 2013 (JStG 2013) setzt der deutsche Gesetzgeber die Empfehlung der OECD um. Die Betriebsstätte wird danach entsprechend der Neufassung des Artikels 7 des OECD-MA und dessen Musterkommentierung (Authorised OECD Approach, kurz: AOA) wie ein eigenständiges, unabhängiges Unternehmen behandelt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Umsetzung der Fiktion der rechtlichen Selbständigkeit und wirtschaftlichen Unabhängigkeit der Betriebsstätte vom Stammhaus, die in der Praxis wegen der rechtlichen Unselbstständigkeit der Betriebsstätte einige „Kunstgriffe“ erfordert.

2. Die Vorgaben des Artikel 7 DBA OECD-MA 2010 (AOA)

Das Besteuerungsrecht für Einkünfte (Gewinne und Verluste) liegt vorrangig beim Ansässigkeitsstaat eines Unternehmens, es sei denn, es besteht eine Betriebsstätte in einem anderen Staat. In Bezug auf das Verhältnis Betriebsstätte/Stammhaus wird der uneingeschränkte Fremdverhaltensgrundsatz postuliert und in Abs. 3 – analog zu Art. 9 Abs. 2 OECD-MA – das Gebot der korrespondierenden Gegenberichtigung bei der Korrektur von Betriebsstättengewinnen durch den Quellenstaat festgeschrieben. Zwischen Stammhaus und Betriebsstätte werden dabei Geschäfte (sog. Dealings) fingiert (und dokumentiert), die zivilrechtlich gar nicht möglich sind. Zwecks angemessener Ergebnisabgrenzung soll die Betriebsstätte das Stammhaus auch für die Hingabe von Kapital, die Gewährung von Rechten oder die Nutzung von Leistungen entlohnen, obwohl es tatsächlich zu keiner Realisierung am Markt gekommen ist (In-sich-Geschäfte).

3. Umsetzung in nationales Recht

Der in Art. 7 OECD-MA 2010 niedergelegte AOA ist mit dem JStG 2013 in das innerstaatliche Recht aufgenommen worden. Bisher mangelte es an einer umfassenden gesetzlichen Grundlage im innerstaatlichen Recht, um eine Korrektur des Gewinns nach den Vorgaben der OECD zu gewährleisten. Die Folge der Neuregelung ist, dass fingierte Geschäftsbeziehungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zukünftig grundsätzlich wie unter fremden Dritten, d. h., inklusive einer Gewinnkomponente zu vergüten sind. Auch die Verlagerung von Funktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte kann u. U. zur Gewinnrealisierung führen. Diese Regelungen betreffen sowohl inländische Unternehmen mit ihren ausländischen Betriebsstätten (Aufteilung der Einkünfte) als auch ausländische Unternehmen mit ihren inländischen Betriebsstätten (Ermittlung der Einkünfte).

3.1. Verhältnis des AOA zu bestehenden DBA

Die o. g. Grundsätze des AOA haben bisher nur vereinzelt in den von Deutschland neu abgeschlossenen DBA, wie z. B. dem mit Liechtenstein, umfassend Eingang gefunden. Insgesamt enthalten nur wenige der von Deutschland abgeschlossenen DBA-Regelungen, die im bilateralen Kontext eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Anwendung des AOA darstellen. Im Einzelfall maßgeblich ist jedoch das jeweilige DBA. Es werden mehrere Jahre vergehen, bis alle DBA geändert sind, sofern das überhaupt gelingt. Für eine (lange?) Übergangszeit wird ein Konflikt mit geltenden DBA bestehen. Soweit die jeweiligen DBA keine mit dem Art. 7 OECD-MA 2010 vergleichbare Vorschrift zur Gewinnabgrenzung enthalten oder die Selbstständigkeitsfiktion ausschließen, bestehen abkommensrechtliche Grenzen bei der Anwendung der Grundsätze des AOA nach innerstaatlichem Recht. Die Gewährung eines Vorrangs der DBA, was in Einzelfällen günstiger für die Unternehmen sein kann, wird dabei allerdings an verschiedene Nachweise geknüpft.

3.2. Einseitigkeit der Anwendung des AOA

Bei dem AOA handelt es sich um eine grundsätzliche Vorgabe zur Aufteilung bzw. Ermittlung der Einkünfte, welche allgemeiner Natur ist. Die Umsetzung in nationales Recht erfolgt in einer Korrekturnorm, die immer dann greift, wenn eine ungerechtfertigte Minderung der deutschen Einkünfte vorliegt. Danach liegt stets eine Erhöhung der inländischen Einkünfte vor. Dies führt dazu, dass sich die Anwendung der AOA-Grundsätze mit Blick auf Korrekturen des Betriebsstättenergebnisses, etwa im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung, nur zulasten der Unternehmen auswirken kann. Eine Änderung zugunsten der Unternehmen kommt allenfalls im Rahmen eines bilateralen Verständigungsverfahrens in Betracht.

3.3. Zweistufiges Verfahren

Im ersten Schritt erfolgt die Umsetzung der Fiktion der Betriebsstätte als eigenständiges Unternehmen mit der Zuordnung entsprechender Funktionen und Risiken. Im zweiten Schritt erfolgt die Anwendung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien auf die tatsächlichen Transaktionen sowie die fiktiven Transaktionen (Dealings). In der Praxis haben Betriebsstätten damit dieselben Pflichten wie rechtlich selbstständige Unternehmen.

3.4. Rechtsverordnung

Das Gesetz sieht vor, dass weitere Einzelheiten in einer Rechtsverordnung geregelt werden. Es ist nicht bekannt, wann diese für die Praxis wichtige Rechtsverordnung veröffentlicht wird.

3.5. Unmittelbare Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften

Neu ist gleichfalls, dass der Fremdvergleichsgrundsatz unmittelbar für Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften selbst gilt. Insoweit werden Geschäftsbeziehungen von Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften den Geschäftsbeziehungen von Kapitalgesellschaften hinsichtlich der Einkünfteabgrenzung gleichgestellt.

4. Maßnahmen für betroffene Unternehmen

Die Neuregelungen zur Betriebsstättengewinnabgrenzung sind am 01.01.2013 in Kraft treten. Betriebsstätten haben danach grds. dieselben Pflichten wie rechtlich selbstständige Konzernunternehmen, was die Bildung und Dokumentation von Verrechnungspreisen angeht. Das gilt auch für bereits bestehende Betriebsstätten. Die Neuregelungen erfordern bei den betroffenen Unternehmen nach dem langen Gesetzgebungsverfahren nun umfangreiche Prüfungen von Anpassungen der buchhalterischen und systemischen Voraussetzungen. Da nur noch die direkte Ermittlung von Betriebsstättengewinnen möglich ist, sind die bestehenden Ermittlungsmethoden und Umlagesysteme auf erforderliche Anpassungen zu prüfen. Den betroffenen Unternehmen ist zu empfehlen, sich so schnell wie möglich auf die geänderten Anforderungen einzustellen, um die Betriebsstättenergebnisse korrekt ermitteln und dokumentieren zu können.

Die Prüfung der Änderungen und Anpassungen der bestehenden Verrechnungspreisdokumentationen für bereits bestehende Betriebsstätten an die neuen Vorgaben bedeutet einen hohen Verwaltungsaufwand, der mitunter sogar den „Kostenvorteil“ der Betriebsstätte gegenüber der Tochtergesellschaft relativieren kann. Hieraus kann sich Handlungsbedarf für die betroffenen Unternehmen ergeben.

5. Fazit

Die Betriebsstättengewinnermittlung und deren Dokumentation werden erheblich komplexer. Die Implementierung der AOA wird mit zahlreichen Anwendungsproblemen in der Praxis einhergehen. Es bleibt abzuwarten, ob die im Gesetz angekündigte Rechtsverordnung zeitnah die Einzelheiten des neuen Fremdvergleichsgrundsatzes für Betriebsstätten zu klären vermag. Die Asymmetrie von Korrekturen nur zulasten der Unternehmen programmiert Dauerkonflikte.

Foto: Panthermedia/Andrii Mykhailov

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